Alle Vögel sind schon da

Über "Alle Vögel sind schon da" zu schreiben sei verfrüht mitten im kalten Januar, denken Sie? Dann begleiten Sie mich in unseren winterlichen Garten und überzeugen sich selbst. Es sind alle Vögel da, die in unserem Dorf überwintern, und ich vermute, die aus dem Nachbardorf und dem Nachbardorf des Nachbardorfs ebenfalls.

Nachdem sich das Land mit einer geschlossenen Schneedecke überzogen hatte und starr vor Kälte da lag, besuchte eine täglich größer werdende Zahl unserer gefiederten Freunde die Futterstelle hinter unserem Haus.

Anfänglich streuten wir Körnerfutter aus dem Baumarkt und bemerkten, dass die Herrschaften den darin enthaltenen Weizen ignorierten. Da die Futtermischung zu 50 % aus Weizen bestand, mussten wir uns nach anderer Kost umschauen. So führte uns der Weg ins Zoofachgeschäft, wo wir ausführlich beraten und mit sorgfältig zusammengestellten Futtermischungen sowie dem Büchlein Vögel füttern – aber richtig ausgestattet wurden.

Die tüchtigen Futtermittelhändler hatten wohl die Dauerkälte zum Anlass genommen, die Preise etwas zu modifizieren. Jedenfalls wankten wir – nicht etwa vom Gewicht des Einkaufs, sondern von der Wucht der präsentierten Rechnung an der Kasse aus dem Gleichgewicht geraten – mit ein paar kleinen Körnerbeutelchen und Meisenknödel-Sixpacks von ausgesuchter Qualität aus dem Laden.

Zunächst arbeiteten wir die erworbene Fachliteratur durch. Niemals füttere man geröstete Brosamen aus der Krümellade des Toasters, überhaupt seien Essensreste völlig ungeeignet, Meisenringe würden gerne angenommen, und überdies sei zu überlegen, ob man nicht eine Ganzjahresfütterung praktizieren solle. Von letzterem nahmen wir sofort Abstand. Aber den Hinweis auf ergänzende Gaben unbedingt notwendiger Proteine nahmen wir sehr ernst.

Erneuter Besuch im Zoogeschäft für gehobene Ansprüche. Die Vogelfutterabteilung erwies sich in Sachen Eiweiß als unergiebig. In der Aquariumsabteilung wurde uns lebendiges Gewürm angeboten. Igitt! Das ging zu weit. Schließlich beim Futter für Ratte, Maus, Hamster gab es kleinste Tütchen mit getrockneten Kerbtieren, juvenil und adult, auch ziemlich eklig. Es nannte sich "Eiweißcocktail", zehn Gramm für einsneunundneunzig.

Der Winter ist hart, der Winter ist lang, die Vöglein sind bedürftig – wir nahmen zehn Tütchen. Und noch zwei Beutel Erdnüsse, einen Sack geschälter Sonnenblumenkerne, drei Packungen Meisenringe, diverse Meisenknödel sowie zwei Beutel "Wildvogel-Futtermischung". Verwirrt ließen wir "Waldvogel-" und "Singvogel-Futtermischung" links liegen. Die Rechnung war erneut beachtlich. Ich sah mich getäuscht in meiner Erwartung, der Inhaber dieser Vogelfutterapotheke würde uns den Einkauf katzbuckelnd zum Auto tragen.

Sie hätten sehen sollen, wie hübsch aufgequollen die Bestandteile des "Eiweißcocktails" später aussahen, als sie am Futterplatz ein wenig feucht geworden waren, na Mahlzeit! Meisenringe? Lächerlich! Trotz von uns seitlich ins Fett getriebener Holzstäbe, um den Sitzkomfort zu erhöhen, werden sie nicht gewürdigt, solange es Meisenknödel gibt. Die Knödel erfreuen sich allergrößter Beliebtheit, auch bei Hunden und Katzen. Haben Hund oder Katze gerade den Meisenknödel geklaut, dann pickt die Meise auch mal lustlos am Meisenring herum. Mit unserem Bestand an Meisenringen kommen wir über den Winter, soviel steht fest.

Halbierte Äpfel werden in Windeseile zerkleinert und verschnabuliert, sodass ich mir des Öfteren den strengen Blick meines Mithegers gefallen lassen musste, ob ich denn heute schon den ARMEN Vögeln einen Apfel zugeteilt hätte. Einen? Sie bekommen drei und würden auch fünf vertilgen.

Die Meise und der Meisenknödel

Der Feldsperling - ein scheuer Geselle

Vogelkino

Hinter unserem großen Terrassenfenster haben wir zwei Sessel aufgebaut, zwei Ferngläser liegen griffbereit auf der Fensterbank, das Vogelbestimmungsbuch und die Kamera daneben. Wir nennen es: Vogelkino. Längst haben die Tiere sich an uns gewöhnt und lassen sich durch Bewegungen hinter der Scheibe nicht mehr aufscheuchen. Was gibt es nicht alles zu beobachten!

Die Amseldame verprügelt den Amselherrn, wobei der bei nächster Gelegenheit zurückgiftet – die Galanterie stellt sich wohl erst im Frühling wieder ein. Die Amseln sind die größten Futterneider und veranstalten Schlägereien im Vogelhäuschen und an der Apfelstelle. Deshalb haben wir noch zwei Hänge-Futtersilos gebastelt, unbezwingbar für die Amseln. Die Stare allerdings, fast genauso groß, geben sich völlig unbeeindruckt von den Drohgebärden der Amseln. Sie teilen ihr Futter mit allen anderen und unterhalten uns mit akrobatischen Flugschauen am Meisenknödel. Stets fallen sie in einer Schar ein und ziehen auch gemeinsam wieder ab. Der reizende Dompfaff entzückt nebst Gattin. Er heißt auch Gimpel, aber dieser Name kleidet ihn nicht. Die Feldsperlinge sind sehr scheu und erhaschen nur die Bröcklein, die herunterfallen. Rotkehlchen, Blaumeisen und Kohlmeisen sind da, gegen die bittere Kälte zu runden Gefiederbällen aufgeblasen. Die Grünfinken können sich mit einem Bein am Futtersack festkrallen, das andere an den warmen Körper gezogen. Die Elster macht nur Kurzvisiten. Etwas abseits schaufelt der Grünspecht den Schnee um und um auf der Suche nach Ameisennestern. Er nimmt nichts von uns. Ein einzelner Krammetsvogel findet sich ein. Der Haussperling kommt nicht oft. Wenn wir die Vögel stören müssen, dann schwirren sie nicht weit, im benachbarten Gebüsch lassen sie sich nieder und beobachten uns, um sogleich zurückzukehren, wenn die Luft rein ist.

Es piept

Im Frühjahr werden wir unsere guten Taten refinanzieren, indem wir den von der Terrasse abgekratzten Guano an die Düngemittelindustrie verkaufen. Bis dahin überlegen wir, unsere durch Futtererwerb rasant schwindenden Geldmittel durch die Aufnahme eines Kredits bei unserer Bank aufzustocken. Allerdings befürchten wir die ablehnende Reaktion des Sachbearbeiters: Bei Ihnen piept's wohl?
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