Im Vordergrund: Dela Dabulamanzi

Im Vordergrund: Dela Dabulamanzi (Bild: © Cameron Matheson)

Eine Gemeinschaft ohne Ideal

Es ist eine rissige Gemeinschaft, das steht bald fest: Eine Notgemeinschaft, die nur durch die Verweigerung zusammengehalten wird. Ansonsten ist kein aufbauendes Ideal in Sicht, das dem Kollektiv die nötige geistige Schlagkraft, den unverbrüchlichen Zusammenhalt verleihen könnte. Im Grunde will keiner mit dem anderen ein identifikatorisches Bündnis eingehen. Durch Nichtstun und Abwarten entsteht keine Revolution – dadurch kommt es zu ständigen Fehden, die zu Dauerfehden auswachsen. Die vier Männerrollen werden von Dela Dabulamanzi, Katharina Nesytowa, Johanna Diekmeyer und Josephine Fabian gespielt. Sie ziehen sich häufig Masken über wie im alten griechischen Theater, um Gefühlszustände besser rüberzubringen. Angesichts der Gesichtsbedeckung achtet der Zuschauer automatisch mehr auf die Stimmen und die Körperbewegungen, ja auf den Rhythmus. Allerdings erschließt sich nicht immer der Sinn dieses zu üppig gebrauchten Maskeneinsatzes. Besser ist da schon der scharf hervortönende Gruppenchor, der nach einigen trockenen Passagen mehr Lebendigkeit hervorbringt.

 

Die Revolution als Illusionsspektakel

Die Schauspielerinnen mit Masken

© Cameron Matheson

 

Dela Dabulamanzi, eine ungeborene Leibesfrucht im Bauch tragend, legt einige kraftvolle Auftritte hin. Kraftvoll geht es durchaus zu, doch das Kollektiv steht oftmals am Rande des Zerwürfnisses. Frau Kaumann, sinnlich vernachlässigt, hat sich Fatzer bereits geöffnet, sie ist leicht zu verführen, geradezu anfällig für Eskapaden, was Herrn Kaumann natürlich überhaupt nicht gefällt. Der wechselseitige Gebrauch der Frau wie bei einer Art Naturalienwirtschaft kommt aus moralischen Gründen nicht in Betracht. Der Besitzanspruch auf das als Eigentum betrachtete Fleisch ist größer als der Wunsch nach der Revolution. Die ist nur ein Illusionsspektakel, genährt von fragmentarischen Kenntnissen des Kommunismus. Gewiss, Fatzer ist ein Egomane, immerhin versucht er auch Essen zu organisieren und bekommt massive Probleme mit einem Metzger. Doch sein Egozentrismus zerstört letztlich die Zusammengehörigkeit. Er ist der Mittelpunkt und die anderen sind nur Kulisse, die für die optischen und akustischen Akzente sorgen. Symbolisch wird er mehrere Male umgebracht, bis das Faktische eintritt: Er wird von einem weißen Band umwickelt, quasi zugewürgt, zuvor hat er mehrere Tode im Leben erfahren. Es ist kein großes Theater, was da geliefert wird. In manchen Passagen spröde, gelegentlich mit Verve, aber selten elektrisierend. Hervorzuheben ist vielleicht noch die Energieleistung von Katharina Nesytowa.

Fatzer – Eine Zeremonie

von Bertolt Brecht/Futur II Konjunktiv

Regie: Johannes Wenzel, Dramaturgie: Matthias Naumann, Chorleitung: Christine Gross, Bühne & Kostüme: Alexander Martynow.

Mit: Dela Dabulamanzi, Katharina Nesytowa, Johanna Diekmeyer, Josephine Fabian.

Ballhaus Ost

Premiere vom 3. Juli 2014

Dauer: 90 Minuten, keine Pause

 

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