Der Mensch und die Journalistin Susanne Fischer

Auf dem Titelbild ihres Buches lächelt eine junge Frau in die Kamera. Sie sitzt auf einem Polster. Auf ihrem Schoß hat sie ein Laptop und zeigt, wie sie in dieser Haltung ihre Texte schreibt. Mit ihrem Aluminiumkoffer, als Tisch neben sich auf dem Boden, demonstriert sie ihren Alltag. Journalisten, die gerne reisen, aber ihren Alltag in einer Redaktion verbringen, können da schon etwas neidisch werden. Wer das vorliegende Buch liest, sieht auch die seelischen Auswirkungen und ist in seinem Wunsch nach Veränderung vorsichtiger. Beim Vergleich des Coverfotos mit dem Foto auf dem Klappentext ist die Frau zwar die Gleiche und schaut den Betrachter keck an, sie erscheint aber gereifter. Die einzelnen Stadien dieses Prozesses durften die Leser, nachvollziehen. Sie hat sich behauptet, Lehrgeld gezahlt, hat sich von den Verhältnissen nicht unterkriegen lassen. Einige Erwartungen an das Leben erfüllten sich nicht. Die Tage und Nächte im Irak haben ihre Spuren hinterlassen, aber Susanne Fischer scheint den Preis gerne gezahlt zu haben. Die Villa am Rande des Wahnsinn, ist der schützende Kokon vor dem "Unbill" der Ereignisse, die "vor der Haustür" stattfinden.

Die besondere Situation von Journalistinnen im Kriegsgebiet

Es ist nicht einfach, als Journalistin etwas über kriegerische Ereignisse zu schreiben, das entsprechende Hintergrundwissen der Lesenden zu ergänzen und gleichzeitig Persönliches preiszugeben. Das ist der Autorin gut gelungen. Ohne reißerisch die Andersartigkeit ihrer Mitbewohner oder der Umwelt hervorzuheben, zeichnet sie uns ein Bild. Es ergänzt unser durch die Medien erworbenes Wissen auf befriedigende Art und Weise. Ist die Sehweise von westeuropäischen Frauen und Männern schon total verschieden, kommen hier noch religiöse Komponenten hinzu. Es scheint, als sei die Sichtweise auf Dinge, die in den 1950er Jahren hierzulande vertreten wurde, heute dort üblich. Es ist die unterschwellige Angst, die den jungen Reportern aber auch allen Menschen zu schaffen macht. Angst vor unhaltbaren politischen Zuständen, Angst vor dem Alleinsein und Angst diesen Schauplatz zu verlassen.

Die Frage nach dem Sinn des eigenen Tuns

"Wird die Ausbildung der iranischen Berichterstatter Fortschritte machen?" oder "Wie verhalten sich diese im Alltagsleben mit ihrer kulturellen und religiösen Herkunft zueinander?" sind Fragen, die sich die Reporterin stellt. Weiterhin: "Bewahrheiten sich die vorgefassten Meinungen?", "Gelingt eine übergeordnete Verständigung?", "Werden Kontakte geknüpft, die die Zeit des Auftrags überdauern?", "Wie gestalten sich ihre persönlichen Beziehungen?" Susanne Fischer teilt mit, umschreibt taktvoll, gibt preis. Sie hält mit ihrer eigenen Meinung nicht zurück, bewertet diese nicht über. Der Lesende merkt, dass es ein Anliegen der Autorin ist, genau das aufzuschreiben, was in den vielen Berichten und Reportagen nicht gefragt und unterzubringen, ist. Eben die persönlichen Belange eines Journalisten. Wie fühle ich mich, wenn ein von mir ausgebildeter Reporter bei einer Recherche umkommt? Wie verarbeite ich die persönlichen Erfahrungen? Im Berufsalltag wird Susanne Fischer Chefin der kleinen Gemeinschaft. Sie zeichnet verantwortlich für die Ausbildung der jungen Iraker, die Veröffentlichungen, aber auch für die Sicherheit der Mitarbeitenden.

Ein Leben "zwischen den Stühlen"

Irgendwann einmal hat sie die stützenden Krücken weg geschlagen, die sie in ihrem Berufsleben stützen."Ich kann alleine gehen", ist das Resümee, das sie am Ende des Buches zu ziehen scheint. Sie beobachtet heimkehrende Iraker auf dem Frankfurter Flughafen, vergleicht deren bis zum Platzen gefüllte Koffer und Taschen mit ihrer eigenen Standardausrüstung. Sie fühlt sich innerlich so bereichert, dass sie befriedigt und neugierig auf ihre Zukunft blickt. Es klingt der Zwiespalt zwischen Okzident und Orient an, der einen Entscheid für diese oder jene Welt, jedenfalls im privaten Bereich, erschwert. Susanne Fischer scheint sich, momentan jedenfalls, "zwischen den Stühlen" noch wohl zu fühlen.

Meine Frauen-WG im Irak, Susanne Fischer oder die Villa am Rande des Wahnsinns, Piper Malik, 2008, 256 Seiten, 32 farbige Fotos, € 8,95

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