Warum gibt es Vampire?

Der Grund für die Erfindung solcher Wesen sieht die Forschung im Bedürfnis des Menschen, für jedes Unglück oder Schicksalsschlag eine Erklärung zu suchen. Im Mittelalter und auch später war der Bildungsstand ganz allgemein nicht so weit, dass man eine naturwissenschaftliche Erklärung hätte finden können. Daher musste die menschliche Fantasie einspringen, die je nach Kulturraum zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen kam. Im südosteuropäischen Bereich entstand der Mythos des Vampirs, welcher Krankheiten, plötzliche Todesfälle, Missernten o.ä. erklärte. Dieser Volksglaube verbreitete sich durch Einwanderung in ganz Europa. Die Herkunft des Wortes Vampir wird ganz allgemein im slawischen oder baltischen Sprachraum verortet, ist aber nicht ganz geklärt.Heutzutage werden ganz allgemein unter Vampiren wiederbelebte menschliche Leichname verstanden, die als blutsaugende Nachtgestalten mit übernatürlichen Kräften die menschliche Gemeinde quälen.

Bram Stokers Dracula

Die berühmteste Übertragung  des Vampirs vom mündlich überlieferten Volksglauben in die populäre Literatur fand durch Bram Stokers Graf Dracula statt. Der Autor hat sich durch die historisch überlieferte Gestalt des Wojwoden Vlad III Draculea des Fürstentums Walachei im heutigen Rumänien zu seiner Schauergeschichte inspirieren lassen: Woiwode ist ein slawischer Herschertitel, den Stoker als Graf interpretiert hat. Sein Beiname Draculea wird als von Historikern aus dem lateinischen kommend als Sohn des Drachen übersetzt, da Vlads Vater Mitglied im Drachenorden des Kaisers Sigismunds war; dennoch wurde  dieser Name  aufgrund Vlads grausamen Vorliebe zu Pfählungen häufig als Sohn des Teufels interpretiert, da "drac" im Rumänischen Teufel bedeutet. Bram Stoker bezieht sich auf diese Interpretation, da Graf Dracula als eine von Grund auf böse Nachtgestalt ist. Der Vampir reist vom Rumänien nach London wo er sein Unwesen treibt, bis die Hauptfiguren mit vereinten Kräften ihn erst in die Flucht schlagen und schließlich in Rumänien töten. Dabei spielt das Liebespaar Jonathan Harker und Wilhelmina Murray mit ihrem Helfer Professor Abraham van Helsing die herausragende Rolle.

Twilight

Die jüngst erschienen Buchserie Twilight von Stephanie Meyer hat das Bild des Vampirs stark verändert und auch erweitert. Der Inhalt besteht aus einer Liebesbeziehung zwischen dem vegetarisch ernährenden Vampir Edward Cullen und der menschlichen Isabella Swan, die gegen alle Wiederstände zueinander finden, um letztendlich als Vampire auf ewig miteinander glücklich zu leben. Im Gegensatz zur allgemein blutdürstigen Darstellung von Vampiren in Kunst und Unterhaltung sind Edward und seine Familie Vegetarier, die ihren Jagdinstinkt unterdrücken, da sie ein Gewissen haben. Zudem wird durch die Entscheidung Edwards erst nach Eheschließung Sex zu haben ein enger Bezug zum mormonischen Glauben der Autorin deutlich: Diese konservative Einstellung zu Sex wird im gläubigen Amerika, dem Herkunftsland der Autorin, als moralisch hochwertige Entscheidung angesehen. 
Die Verwandlung zum Vampir führt daher laut Stephanie Meyer nicht automatisch zu einer bösen Gesinnung, sondern ist vom Charakter des Betreffenden abhängig. So ist die Figur des Vampirs, ursprünglich in Europa entstanden, entsprechend amerikanischen Idealen umgestaltet worden: Denn Edward und seine Familie sind liebesfähige, charakterstarke und gläubige Wesen, die nur durch einen unglücklichen Umstand verwandelt worden sind.

 

Fazit

Während im europäischen Bild des Vampirs die Grenzen zwischen Gut und Böse, Mensch und Vampir, deutlich gezogen sind, sind diese in der Twiligt-Serie aufgeweicht worden und vom Charakter der jeweiligen Personen abhängig. Diese unterschiedliche Gestaltung ist auf europäischer Seite dem Umstand geschuldet, dass der Vampir in Europa ursprünglich dazu diente das konkret erfahrene Böse durch menschliche Gräueltaten oder anderweitig erfahrenes Unglück zu versinnbildlichen und damit begreifbar zu machen. 

In Amerika dagegen hat der Vampir mangels Geschichtslastigkeit diese Funktion nicht gehabt, sodass keine entsprechende kulturelle Prägung stattfand. Daher ist es für einen amerikanischen Autor leichter, den Vampirmythos völlig frei zu interpretieren und absatzmarktorientierter zu schreiben. So bedient sich Stephanie Meyer bei der Vampirsage, um einer ansonsten gewöhnlichen Liebesgeschichte eine interessante Wendung zu geben, womit sie bei der weiblichen Leserschaft einen großen Erfolg landete.

Die Bibel läuft natürlich außer Konkurrenz und ist ein spannender Lesestoff für alle, die sich für Dämonen im Allgemeinen interessieren.

 

Vorschaubild: Didi01/pixelio.de

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