Inhalt des Weltagrarberichtes

Der Agrarbericht besteht aus den Schwerpunkt-Themen:

Hunger im Überfluss, Gesundheit, Geschlechter und ihre Rolle, bäuerliche und industrielle Landwirtschaft, Weltmarkt und Handel, Ernährungssouveränität, Multifunktionalität, Wasser, Seuchen, Klima und Energie, Agrarsprit und Bioenergie, Fleisch, Klimawandel und Anpassung, Wissen und Wissenschaft, Gentechnik und Biotechnologie, Saatgut und Patente auf Leben, Agrarökologie.

Die Endfassung des Berichtes wurde 2008 von insgesamt 58 Staaten unterzeichnet. Die USA, Kanada, Australien und Deutschland gehörten nicht dazu. Ein wesentliches Motiv für deren Nichtunterschrift war die kritische Bewertung der Gentechnik, der industriellen Landwirtschaft und des Weltagrarhandels.

 

Einige Schwerpunktthemen im Überblick

Hunger trotz Überfluss

Landwirte ernten heute weltweit mehr als für die ausreichende Versorgung aller Menschen notwendig wäre. Ein steigender Anteil dieser Produktion steht aber nicht mehr der menschlichen Ernährung zur Verfügung, sondern wird als Tierfutter, Treibstoff und für andere Industriezwecke eingesetzt.

Bereits 1996 verpflichteten sich die führenden Staatschefs auf dem Welternährungsgipfel in Rom, die Zahl der Hungernden bis zum Jahr 2015 um 415 Millionen zu senken.
1990 lag die Zahl laut der FAO (Ernährungsorganisation der Vereinten Nationen) noch bei über 1 Milliarde Menschen, was cirka 18,6 Prozent der Weltbevölkerung entsprach.
Die aktuellen Zahlen für 2017 liegen bei 815 Millionen hungernden Menschen. Das sind immer noch 11 Prozent der Weltbevölkerung und bedeutet, dass das angestrebte Ziel in 21 Jahren leider nicht erreicht worden ist - trotz wachsendem Reichtum in der westlichen Welt.

Jeder Neunte hat somit nicht die minimal benötigte Nahrungsmenge zur Verfügung. Da 70 Prozent aller Hungernden (davon 60 Prozent Frauen) in ländlichen Regionen leben, ist es von großer Bedeutung, dass sie Zugang zu Boden, Wasser, Produktionsmitteln, Bildung und sozialer Mindestabsicherung haben, um sich als Klein-und Subsistenzlandwirte, Hirten, Fischer, Landarbeiter selbst zu versorgen.

Durch den Landraub (land grabbing), den Industriestaaten seit Jahren im großem Stil in Afrika und Asien betreiben, hat sich die Situation der Landbevölkerung noch weiter verschlechtert. Immer mehr Menschen, vorwiegend Männer, ziehen in die Städte. Alte, Frauen und Kinder bleiben zurück und können gerade das Nötigste zum Überleben anbauen, aber keinerlei Rücklagen für Krisen, Missernten oder Krankheit bilden.

Internationalen Hilfeorganisationen, Behörden sowie dem Einsatz und der Kompetenz von Frauen und Männern vor Ort ist es zu verdanken, dass sich Initiativen gebildet haben, die die Selbstversorgung und Selbstbestimmung der Menschen unterstützen. Diese Aktivitäten gilt es weiter zu zu fördern.

Lebensmittel und krankmachende Nahrungsmittel

Rund einem Drittel der Menschen, vorwiegend der arme Bevölkerung, mangelt es an der Versorgung mit genügend Vitaminen und Mineralstoffen. Grund dafür ist die verminderte Ernährungsvielfalt durch zunehmende Monokulturen von Grundnahrungsmitteln wie Reis, Weizen und Mais. Gesundheits- und Lernprobleme aufgrund der Mangelversorgung nehmen daher zu, was die Produktivität in Entwicklungs-, aber auch Industrieländern verringert.

Der Weltagrarbericht sieht Unter-, Über- und Fehlernährung verantwortlich für die meisten vermeidbaren Krankheiten und gesundheitlichen Beeinträchtigungen, von denen inzwischen fast die Hälfte der Weltbevölkerung betroffen ist. Sie haben eine gemeinsame Ursache: Entkoppelung, Zertrennung und Entfremdung von Lebensmittelproduktion und -verbrauch. Der Weltagrarbericht fordert auf, diese Zusammenhänge auf allen Ebenen wieder herzustellen.

Vergiftete Lebensmittel und Trinkwasser durch E.coli Bakterien, Salmonellen Pilze, Viren und Parasiten sieht der Weltagrarbericht sowohl in Entwicklungs- als auch in Industrieländern auf dem Vormarsch. Rund 1,5 Milliarden Durchfallerkrankungen pro Jahr mit etwa 3 Millionen Toten seien auf diese Verunreinigungen zurückzuführen.

Vergiftungen und Belastungen durch Pestizide, Schwermetalle, Dioxine, PCB's, Zusatzstoffe oder Hormone in der Fleischproduktion können meist nicht sofort bemerkt werden, sondern wirken langfristig und mit chronischen Symptomen und sind daher schwer zurückzuverfolgen. 75 Prozent von 204 ansteckenden Krankheiten, die sich weltweit verbreiten, werden zwischen Tieren und Menschen übertragen.

Die Rolle der Geschlechter

Im subsaharischen Afrika sind es vorwiegend die Frauen, die, neben der Haus- und Familienarbeit, für die landwirtschaftliche Produktion zuständig sind – oft Folge von Aids, Abwanderung der Männer in Städte und Krieg. Der Weltagrarbericht spricht von einer "Feminisierung der Landwirtschaft".

Eines der wichtigen Schwerpunkte in Wirtschaft und Politik muss Qualifizierung, Beratung und agrartechnische Ausbildung von Frauen sowie Schaffung wirkungsvoller Rechte an Land und Wasser sein. Dass Hunger und Elend durch die Selbstbestimmung und Qualifizierung von Frauen ausgemerzt werden können, stellen durch Mikrokredite geförderte Frauen-Projekte in China und Indien seit Jahren unter Beweis.

Bäuerliche und industrielle Landwirtschaft

2,6 Milliarden Menschen leben weltweit vorwiegend von der Landwirtschaft. Über Jahrzehnte galt die kleinbäuerliche Landwirtschaft als rückschrittliche Wirtschaftsweise. Die großflächige, industrielle Landwirtschaft Nord-und Südamerikas sowie die kleinflächige "Grüne Revolution" in Asien konnten dagegen beeindruckende Produktivitäts- und Rationalisierungserfolge vorweisen. Inzwischen erkennt man aber auch mehr und mehr deren negative Auswirkungen, wie zum Beispiel:

  • Staatliche Interventionen und Subventionen der Industrieländer, in der jährlichen Größenordnung von 350 Milliarden US Dollar, fördern vorwiegend den Export großer Landwirtschafts-, Handels- und Verarbeitungsunternehmen, schaden aber der Landwirtschaft kleinerer Staaten, die mit den niedrigen Preisen der Exportländer nicht mithalten können.

  • Agrarproduktion in großem Stil verursacht in den Erzeuger-Regionen oft hohe gesundheitliche Kosten und Umweltschäden durch ein Übermaß an synthetischen Düngemitteln beziehungsweise Gülle aus Intensiv-Massentierzucht (Abfluss ins Grundwasser, Flüsse, Seen, Ozeane).

  • Rationalisierte Monokulturen, häufig genetisch verändert, aus wenigen standardisierten Hochleistungspflanzen mit immer komplexer werdender industrieller Verarbeitung, erfordern ebenfalls gewaltige Mengen an Pestiziden und Kunstdünger sowie inzwischen rund 70 Prozent des weltweiten Süßwasservorkommens. Folge: ausgelaugte und versalzene Böden, Entwaldung, Artensterben und anderes.

Der Weltagrarbericht sieht in der industriellen Landwirtschaft längst keine Überlegenheit mehr, was ökologische, volkswirtschaftliche und soziale Aspekte betrifft. Er hält Investitionen in die kleinbäuerliche Produktion für das vorrangigste, sicherste und vielversprechendste Mittel, Hunger zu bekämpfen und gleichzeitig die ökologischen Auswirkungen der Landwirtschaft zu verkleinern.

Agrarsprit

Der Weltagrarbericht stellte fest, dass der positive Klimaeffekt von Agrarsprit umstritten ist. Hohe Subventionen für die Verarbeitung von Mais, Raps, Palmöl und Zuckerrohr zu Treibstoff haben in Nordamerika und Europa zu einem Boom an Bio-Treibstoff geführt. In Ländern wie Brasilien, Malaysia und Indonesien haben Investoren und Banken große Gewinne eingefahren, die Landbevölkerung jedoch häufig ins Elend getrieben.

Die Agrarkrise 2008 hat zudem gezeigt, dass Rohstoffe, die in zu hohem Masse und zu überhöhten Preisen am Weltmarkt gehandelt werden, den Menschen als Lebensmittel fehlen.

Fleisch

Die Ergebnisse des Weltagrarberichtes geben zu denken und lassen nur einen Schluss zu: die Reduzierung des Fleisch- und Milchkonsums in den Industrieländern und Begrenzung in den Schwellenländern muss der dringendste und wirkungsvollste Schritt zur Sicherung der Nahrung, der natürlichen Ressourcen und des Klimas sein.

Seit den 60er-Jahren ist der weltweite jährliche Fleischverbrauch von 78 auf 250 Millionen Tonnen gestiegen, hat sich also verdreifacht. Ziehen China und andere Schwellenländer nach, so dürfte dieser Trend anhalten. Die industrielle Massentierhaltung verursacht etwa 18 Prozent der gesamten Treibhausgas-Emissionen und benötigt 8 Prozent des gesamten Wassers (einschließlich der Bewässerung der Futtermittel). 70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche und 30 Prozent der globalen Landfläche werden für die Tierhaltung beansprucht.

 

FAZIT

Der Weltagrarbericht lässt keinen Zweifel daran, dass die Art und Weise, wie die Weltgemeinschaft in den nächsten Jahrzehnten ihre Ernährung und deren Produktion gestaltet, die ökologische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Zukunft unseres Planeten bestimmt.

Das erarbeitete Wissen der Öffentlichkeit und jedem Einzelnen zugänglich und bewusst zu machen, sei ein wichtiger Schritt in Richtung einer positiven Entwicklung.

 

Weiterführende Informationen:

"Wege aus der Hungerkrise" - Erkenntnisse des Weltagrarberichts

F A O

DSW ORG



 

Autor seit 11 Jahren
101 Seiten
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