Erhebung der Daten zum Wissensstand der Allgemeinmediziner über Autismus

Auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (Berlin, 2008) wurden die Allgemeinmediziner per Fragebogen über ihr Wissen bezüglich Autismus befragt. Zum Vergleich wurden auch Psychiater und Psychologen sowie Personen aus der Bevölkerung interviewed.

 

Fragestellung

In drei Bereichen wurden Daten erhoben:

1. Wissen über Autismus

Die Versuchspersonen wurden über ihre Kenntnisse bezüglich der Diagnosekriterien für Autismus befragt. Zudem sollten sie ihr Wissen über die Stärken autistischer Menschen sowie über die landläufige Voreingenommenheit gegenüber Autisten einschätzen.

 

2. Bewertung autismustypischer Verhaltensweisen

Die Probanden sollten Auskunft geben über ihre persönliche Bewertung typischer Verhaltensweisen autistischer Menschen wie Ausweichen des Blickkontaktes oder mangelhafte Beherrschung der Körpersprache.

 

3. Ermittlung demografischer Informationen über Alter, Geschlecht, Bildung und Vorwissen

 

Ergebnis der Befragung

Die Auswertung der erhobenen Daten ergab:

  • Allgemeinmediziner verfügen gegenüber der Bevölkerung über keinen nennenswerten Wissensvorsprung bezüglich der Diagnosekriterien für Autismus und über die Stärken autistischer Personen. Psychologen hingegen wissen signifikant besser Bescheid.
  • Allgemeinmediziner und Bevölkerung unterscheiden sich nicht bei der Abgrenzung des Asperger-Syndroms von anderen Erscheinungsformen des Autismus. Auch hier urteilen die Experten wesentlich präziser.
  • Die Häufigkeit (Prävalenz) von Autismus wird von den Experten ebenfalls signifikant besser eingeschätzt als von den Allgemeinmedizinern und von der Bevölkerung.
  • Die Allgemeinmediziner und die Bevölkerung bewerten autistische Verhaltensweisen deutlich schlechter als die Experten.
  • Lediglich in ihrem Wissen über Vorurteile gibt es keine erkennbaren Unterschiede zwischen Experten und Allgemeinmedizinern.

 

Schlussfolgerungen

Die 2010 veröffentlichte Studie zeigt, dass Hausärzte und Allgemeinmediziner in Deutschland zumindest bis 2008 generell über ein geringeres Wissen bezüglich Autismus verfügten als Psychologen oder Psychiater. Wenn jedoch das Wissen der Allgemeinmediziner über Autismus genauso lückenhaft ist wie das der Bevölkerung, stellt sich die Frage, ob für autistische Patienten eine bedarfsgerechte medizinische Versorgung gewährleistet ist. Immerhin ist der Hausarzt auch für Autisten der erste Ansprechpartner bei gesundheitlichen Problemen. Sie müssen sich wie alle anderen Patienten auf ein problemloses und vertrauensvolles Arzt-Patienten-Verhältnis verlassen können. Dazu gehört auch, dass der Hausarzt autismustypische Auffälligkeiten erkennt und die Betroffenen zeitig an einen Facharzt überweist. Dies setzt jedoch genügend Kenntnisse über die Diagnosekriterien voraus.

 

Weiterbildungsmaßnahmen für Allgemeinmediziner wären hilfreich

Die hausärztliche Versorgung wird von vielen Autisten als unzulänglich eingeschätzt. Der Grund liegt unter anderem darin, dass die Betroffenen damit überfordert sein können, ihre Beschwerden anschaulich zu schildern und im Gespräch mit dem Arzt die wesentlichen Informationen in der ungewohnten Umgebung einer Arztpraxis "mitzuschneiden". Nicht selten stellt bereits ein überfülltes Wartezimmer einen Stressfaktor dar, der die Betroffenen von einem notwendigen Gang zum Arzt abhält.

Das lückenhafte Wissen der Allgemeinmediziner liegt möglicherweise in der Fehleinschätzung der Häufigkeit von Autismus und dem daraus resultierenden Desinteresse an Weiterbildungsmaßnahmen begründet. Die AFK erhofft sich durch diese Studie eine Sensibilisierung der Hausärzte für die stetig wachsende Zahl autistischer Menschen und für die spezifischen Bedürfnisse autistischer Patienten.

 

AFK-Flyer vermittelt zwischen Arzt und Patient

Für Patienten und als Handreichung für Ärzte hat die AFK ein Informations-Faltblatt "Autisten beim Hausarzt – Für eine Sprechstunde ohne Hindernisse" herausgegeben, in dem auf die besonderen Bedürfnisse autistischer Menschen in der ärztlichen Untersuchungssituation hingewiesen wird (http://www.autismus-forschungs-kooperation.de/projekte/wissen-ueber-autismus-bei-allgemeinmedizinern/25-faltblatt-ueber-ergebnisse-der-allgemeinmediziner-studie). Der Flyer soll dazu beitragen, den Weg für eine optimale allgemeinmedizinische Versorgung von Autisten zu ebnen.

 

Quellen:

  • www.autismus-forschungs-kooperation.de/
  • "Wissen und Unwissen über Autismus bei deutschen Allgemeinmedizinern", in 3. Wissenschaftliche Tagung Autismus-Spektrum, Tagungsband, 2010, S. 70, ISBN 978-3-87985-103-4
  • Theunissen, Kulig, Leuchte, Paetz (Hrsg.): Handlexikon Autismus-Spektrum. Verlag W. Kohlhammer, 2015

Bildnachweis: © Stephanie Hofschlaeger/ pixelio.de

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