Sterne am Himmel

Ripley fühlt sich wie ein endloser Passagier des Lebens, ein Vagabund des gehobenes Stils. Am Ende der Inszenierung singt die mit einer roten Perücke ausgestattete Franziska Machens einen Hit von Iggy Pop: I am a passenger/And I ride and I ride/ I ride through the city's backside/ I see the stars come out of the sky. Die Sterne tauchen nicht nur am Himmel auf, sie leuchten zum Theaterplakat am Deutschen TheaterSchluss in ihrer vollen Pracht. Dank Testamentserschleichung wird der letztlich unentdeckte Mörder zu einem wohlhabenden Mann. Anders als Patricia Highsmith liefert der Regisseur keine Identifikationsangebote, ein komplizenhaftes Verständnis des Zuschauers für den fragwürdigen Helden, ein stillschweigendes Bündnis scheitert. Ähnlich wie in der Verfilmung von Réné Clément ("Nur die Sonne war Zeuge") ist Ripley kein Sympathieträger, weit eher ein ausgefuchstes Monster, bei dessen Treiben man bestenfalls eine angewiderte Bewunderung verspürt.

 

Katzenhafte Geschmeidigkeit

Äquilibristen des Geistes können unter Umständen ebenso bezaubert sein wie Freunde der optisch wahrnehmbaren Gleichgewichtskunst. Auf der Bühne (Ben Baur) steht ein leuchtendes Rechteck, auf dessen Bodenbalken die Schauspieler umherwandeln und die Balance halten müssen. Wer ein verkorkstes visuelles System, eine Störung des Gravitationsempfindens oder extrem fleischige Füße besitzt, könnte einen derartigen, Akrobatik erfordernden Drahtseilakt gar nicht ausführen. Franziska Machens als Dickies Partnerin bewegt sich mit katzenhafter Geschmeidigkeit auf dem schmalen Gebälk, als federe sie leichtfüßig wie ein ätherisches Wesen. Daniel Hoevels, schon seit Längerem dem Hof von Ulrich Khuon zugehörig, hat bislang nicht unbedingt die "fetten" Rollen zugeschanzt bekommen, darf aber nun in der Koproduktion mit dem Schauspiel Frankfurt den Protagonisten Dickie spielen. Die Gestik des unbeschwerten Lebemanns und Pseudo-Künstlers, der mit sonnigem Gemüt weitgehend beschwerdefrei durchs Leben gleitet, verrutscht nie zur Grimasse eines ehrgeizigen, aber talentlosen Poseurs. Als Ripley auf dem Gipfel seiner Selbsterfindung anlangt, ermodert er Dickie mit einem Ruder, Franziska Machens steht als Chansonnière im Hintergrund.

 

Begrenztheit der Theatermittel

Ripleys Identität ist seine Identitätslosigkeit, er schmiegt sich mit erstaunlicher Akklimatisierungsfähigkeit in seine Rollen, wird zu Dickie und dann wieder zu Tom. Was man dieser Inszenierung zum Vorwurf machen muss, ist das Fehlen des Dramatischen, der Spannung, der zündenden Ideen. Am Beispiel der Romanvorlage zeigt sich deutlich die Begrenztheit der Theatermittel – und Krimis zu theatralisieren ist ein schwieriges Unterfangen, da sich ein thrillermäßiger Hochdruck nicht leicht auf die Bühne bringen lässt. In Ermangelung von Spritzigkeit wird zu viel nacherzählt, um den Handlungsstrang ohne größere Lücken rüberzubringen. Und die Zuschauer können in einer moralfernen Auszeit auch kein identifikatorisches Bündnis mit nach Hause nehmen. Insgesamt ist die Inszenierung dennoch annehmbar, sie bietet akzeptable Schauspielerleistungen und ist etwas für Garderoben-Fetischisten, die aus dem Umkleiden einen subtilen Genuss ziehen.

Der talentierte Mr. Ripley 

nach Patricia Highsmith

Fassung von Bastian Kraft

Übersetzung von Melanie Walz 

Regie: Bastian Kraft, Bühne und Kostüme: Ben Baur, Musik: Björn SC Deigner, Dramaturgie: Martina Grohmann, Anika Steinhoff. 

Mit: Daniel Hoevels, Franziska Machens, Christoph Pütthoff, Stefan Schiessleder, Marcus Hosch.

Deutsches Theater Berlin

Dauer: 1 Stunde 45 Minuten, keine Pause

Berlin-Premiere vom 11. Oktober 2013

Bildnachweis: © Steffen Kassel

 

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