Samuel Finzi mit Riesenhandschuhen

Foto: Arno Declair

 

Mikrowelle im Kopf

Das Bühnenbild (Michael Graessner) erinnert an gewisse Off-Bühnen, die ihre Spielwiese so ausstaffieren würden, wenn sie mehr Geld hätten. In der Mitte der Bühne steht eine aus Plastik angefertigte Riesenpuppe einer Frau, die mit Plateau-Turnschuhen und ultralangen Beinen ausgestattet ist: Und ewig lockt das Weib (auch wenn man es verachtet). Links ist ein käfigartiger Show-Room installiert, in dem auch mal gespielt wird, ironisch und parodistisch selbstverständlich, und gegen Ende werden dort kopulierende Groß-Frösche aneinandergereiht. Warum? Wir wissen es nicht. Gerüste gibt es auch, und man kann auf ihnen effektvoll herumklettern. Die Zuschauer*innen blicken darüber hinaus auf eine Küche, wo Samuel Finzi, der eigentlich Tisserand spielt, mit nacktem Hintern ein kleines Essen zubereitet. Interviews von Houellebecq werden darüber gelegt, als salze man/Mann eine Mahlzeit, die mehr Pfeffer benötigt. Houellebecqs Presse-Auslassungen, die immer ironisch gebrochen sind, als meine er es nicht so ernst, werden scheinbar wahllos eingestreut, um den Autor, wie es scheint, geistig zu konterkarieren. Es gibt aber noch wesentlich mehr Requisiten: Ein leerer Kühlschrank, dessen Rückwand sich öffnen lässt und zum Durchsteigen wie geschaffen ist, muss ebenso herhalten wie eine Mikrowelle, die sich Lisa Hrdina über den Kopf stülpt. Kathleen Morgeneyer läuft einmal in einem Affenkostüm herum und vollführt intime Berührungen, wahrscheinlich, um den sich überall manifestierenden Sexismus zu dokumentieren oder gar anzuprangern. Hinzu kommen Riesenhände, die Houellebecq wohl nach langen Schreibphasen gewachsen sind, und der Kopf des Autors, als sei er eine – ironisch gedachte - Skulptur für die Ewigkeit. Selten sieht man im Stadttheater solch eine pralle, verschwenderische Requisiten-Nutzung.

 

Der Schwächere ist ein Müll-Container

Tisserand ist noch der ärmere Teufel als der IT-Profi (Marcel Kohler), der seinen Lebenszorn, seine Frustration bei Tisserand (Samuel Finzi mit fortwährender Verlierer-Geste), beim noch Schwächeren abladen möchte wie bei einem Müll-Container. Sie gehen am Weihnachtsabend in eine Disco und Tisserand versagt abermals bei einer potentiellen "Braut", deren Ansprüche ein klein bisschen höher liegen. Der Aufforderung des Informatikers, sie nun aus Revanche mithilfe eines Messers endgültig zum Erlöschen zu bringen, kommt Tisserand nicht nach, aus Versagensgründen, er scheitert selbst hier, zum Glück! Wir haben es hier mit zwei extremen Frustbeuteln zu tun, die selbst auf der Bühne zum Analysieren geradezu einladen, aber der Regisseur Panteleev hat nichts anderes zu tun, als das Personal der Lächerlichkeit preiszugeben. Man kann nicht Kapitalismuskritik betreiben und sie zugleich verballhornen, Hauptsache, dem Publikum wird ein Knochen zum Abnagen hingeworfen.

 

Ausweitung der Kampfzone
nach dem Roman von Michel Houellebecq
Regie: Ivan Panteleev, Bühne: Michael Graessner, Kostüme: Daniela Selig, Dramaturgie: Bernd Isele.
Mit: Kathleen Morgeneyer, Samuel Finzi, Marcel Kohler, Lisa Hrdina, Jeremy Mockridge.
Deutsches Theater Berlin, Premiere vom 8. September 2019.
Dauer: 2 Stunden 15 Minuten, keine Pause

 

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