Zum Neinsagen gehört das Absagen unliebsamer Einladungen dazu

Dass viele von uns im Beruf und privat erst einmal lernen müssen, Nein zu sagen und Grenzen zu ziehen, wissen wir bereits. Meist betrifft das Hilfeleistungen oder Arbeiten, die wir einfach aufgebrummt bekommen. Das Neinsagen zu Verpflichtungen, die uns zu sehr verbrauchen und für die wir keine entsprechende Gegenleistung bekommen, umfasst aber auch das Thema Einladungen.

Geselligkeit ist schön? Nicht immer

Normalerweise verstehen wir unter Geselligkeit etwas Positives. In der Kindheit und Jugend nehmen wir eigentlich jede Einladung an, wir sind meist unter Freunden oder lernen neue Freunde kennen. Das Zusammentreffen mit anderen ist eine Party. Wir haben meist Spaß, der einzige Trübsinn ist vielleicht etwas Langeweile, aber meist konnte man sich dann wenigstens gut unterhalten. Mit dem Erwachsenwerden wird aus dem Thema Einladungen etwas anderes. Man trifft nicht immer auf seine Schulkameraden und auf seine Clique oder auf Gleichgesinnte, sondern es wird kompliziert. Freunde entwickeln sich unterschiedlich, haben andere Interessen und Partner, die uns nicht sympathisch sind. Das Leben ist nicht mehr so locker und flockig, die Gemeinschaft ist nicht mehr da. Aus Jugendlichen werden Erwachsene, die sich auseinander entwickeln und eine Einladung ist nicht mehr gleichbedeutend mit Party und Spaß. Manch eine Feier kann zur zäh dahinziehenden quälenden Veranstaltung werden, von der man bereits nach 10 Minuten Reißaus nehmen will und die sich mit den Stunden nicht bessert. Hat man eine dieser 'Partys' bei 'Freunden' überstanden, kommt mit Sicherheit die nächste. Nicht jeder Gastgeber merkt, wenn sich die Gäste gar nicht wirklich amüsieren oder gar nicht zusammenpassen. Viele Leute versuchen auch nur, möglichst viele Gäste einzuladen, um sich selbst damit zu schmücken.

Schon wieder eingeladen - was tun?

Wird man von bestimmten Personen, die nun mal zum eigenen Umfeld gehören und mit denen man alleine auch ganz gut klarkommt, immer wieder zu Partys eingeladen, die einfach keine sind, kann man sich entscheiden, ob man sich dauerhaft opfern will oder einfach mal anfängt, die Bremse zu ziehen und absagt.

Viele Menschen meinen, man müsste immer sagen, was man denkt und den anderen mitteilen, was einem nicht passt. Also einfach sagen: "Deine Partys sind öde, deine Bekannten sind langweilig, anstrengend, ungebildet und doof? Lad mich bitte nicht mehr ein." Dann hat man einen Menschen sehr verletzt, ist eine Freundschaft oder Bekanntschaft los und fühlt sich selber (zu Recht) wie ein A.....

Die einfache Alternative, die uns allen das Leben erleichtert, ist die Notlüge. Wir sagen einfach ab, mit einer überzeugenden Entschuldigung. Diese zu finden, fällt aber vielen Menschen schwer. Nur, wer schon öfter erfolgreich abgesagt hat, kommt in den richtigen Flow und keiner merkt etwas ;)

Eigene Grenzen ziehen mit Absagen

Grenzen ziehen

Absagen will gelernt sein

Die wenigsten können von jetzt auf gleich gut notlügen. Tatsache ist: Eigentlich kann der Mensch gar nicht lügen, irgendetwas an ihm spricht immer die Wahrheit. Das merkt man dann an der Körperhaltung oder an der Stimmlage, oft aber auch an der Wortwahl und den Wiederholungen. Wie war das noch in der Bibel? Jesus wurde von Judas dreimal verleugnet. Kein Zufall, man muss sich bei seiner Lüge auch selber überzeugen, deswegen reicht einmal meistens nicht, sondern man muss etwas zweimal betonen oder einen zweiten Grund finden. Hängt man dann noch einen Grund ran, merkt es der andere garantiert.

Aber die Tatsache, dass wir eigentlich nicht lügen können, kann uns auch zum Verhängnis werden. Wir stehen nämlich nicht immer wohlmeinenden, gütigen, selbstlosen Menschen gegenüber oder Vorgesetzten, die unser 'Bestes' wollen, sondern wir haben es eher recht häufig mit Menschen zu tun, die auf ihr eigenes Wohl aus sind. Auch wer in die falschen Kreise gerät in der Jugend oder wer in die Hände von Verbrechern und sagen wir mal fehlgeleiteten Menschen gerät, sollte sich aufs Lügen verstehen. Lügen können Leben retten.

Auch kleine Kinder sollten schon lernen, dass sie aus Selbstschutz mal lügen dürfen. Es ist besser dem fremden Mann zu sagen, die Mama stände um die Ecke, statt ihn nicht anlügen zu können..

Aus Selbstschutz sollten wir also lügen lernen, wenn wir es noch nicht können.

Einfach trocken üben

Wer schon wieder zu einer Einladung muss, die ihm nichts als vergeudete Stunden bringt, kann anfangen, sich ein paar Ausreden zurecht zu legen. Am glaubwürdigsten sind die Gründe, die schon einmal wahr waren. Krankheiten und Beschwerden, die einen tatsächlich schon mal dazu genötigt haben, eine Einladung abzusagen, kann man wiederverwenden. Magen-Darm-Beschwerden sind da immer willkommen, denn jeder Gastgeber kriegt Panik, wenn einer der Gäste einen Virus anschleppt und hinterher sind  alle krank, die auf der eigenen Party waren.

Ebenso ziehen Verpflichtungen, die zum eigenen realen Leben ständig dazu gehören wie Hilfe beim Umzug, Babysitten bei der Nachbarin, jemanden zum Flughafen fahren etc. Man muss nur im eigenen Leben kramen, dann wird die Ausrede glaubwürdig.

Abstand nehmen sollte man von allzu dramatischen Gründen. Krankheiten von nahestehenden Personen zu erfinden, ist pietätlos und zieht womöglich Unglück an. Auch den hilfsbereiten Samariter zu mimen, der man sonst nie ist, sollte ein No go sein. Es muss schon zur eigenen Person und zum Charakter passen, denn sonst haben Lügen wirklich kurze Beine und alles fliegt irgendwann auf.

Wenn die einladende Person einen eh häufig ausnützt, kann man auch ruhig die selben Hilfeleistungen für andere Personen als Grund für die Absage anführen.

Allgemein gilt, Übung macht den Meister. Natürlich sollte man nicht dauernd Einladungen absagen, aber nach dem dritten Male hat man tatsächlich so viel Übung, dass man sich die Ausrede schon selber glaubt.

Welche Einladungen absagen?

Auf keinen Fall geht es hier darum, viele Einladungen abzusagen. Oft hat man keine Lust und dann wird es doch ein schöner Abend. Innerhalb der Familie sollte man eher nicht ohne guten Grund absagen (außer die Familie ist riesig, trifft sich ständig und man sieht sich in kurzer Zeit eh schon wieder). Auch Kindergeburtstage sind kein Anlass, den man einfach übergehen sollte. Für viele Einladungen gilt: Sie sind zwar anstrengend, aber sie erhalten die soziale Bindung und sie geben einem immer etwas.

Nur, wenn die Einladungen/Feiern immer wieder darauf hinauslaufen, dass man nur seine Zeit und Energie vergeudet hat, sich hinterher nur schlecht fühlt und wie im falschen Film gewesen  - dann hat man auch das Recht, das nächste Mal mit einer guten Notlüge abzusagen oder eben den Kontakt, wenn es möglich ist, abzubrechen. Auch dazu muss mancher erst den nötigen Mut finden.

Wie reagieren die anderen?

Überraschenderweise sind die Menschen mit Lügen oft glücklicher als mit der Wahrheit. Das muss man leider immer wieder feststellen. Es ist sogar so, dass viele die Wahrheit unbewusst wissen und fühlen, aber lieber verdrängen und eine Lüge höchst willkommen ist.

Beispiel: Man trifft sich mit einer Freundin zum Essen in einem nicht billigen Restaurant und das Essen ist leider mies. Nicht immer darf man das dann thematisieren... es gibt Menschen, die wollen solch einen Abend einfach genießen und sich vormachen, sie hätten sich etwas Besonderes gegönnt. Dass sie vielleicht selber sogar besser kochen können, wollen sie von der ehrlichen Freundin partout nicht hören..

So ist es auch mit den Einladungen - eine gute Lüge befreit beide Parteien und schafft auch oft eine gesunde Distanz.

Wie habe ich das Notlügen gelernt?

Notlügen fällt manchen von uns sehr schwer. Obwohl kleine Kinder recht schnell lernen, wie sie sich mit Lügen vor Schimpfen und Ärger der Eltern schützen können, fällt es uns als Erwachsenen doch nicht leicht für die eigenen Rechte und Grenzen zu lügen. Das "Du sollst nicht lügen" aus der Bibel ist vielleicht auch mit schuld daran. Aber ich denke, es kommt darauf an, wen man anlügt. Hinzukommt, dass wir alle dauernd Menschen treffen, die sich am besten selbst belügen können und uns damit das Leben schwer machen.

Also, wie habe ich das Notlügen gelernt? Mit Anfang Zwanzig, als ein Bandkollege bei allen Vereinbarungen und Terminen immer zusagte mit 'Ja und Amen' - und wenn der Termin anstand, selbstverständlich per Telefon mit der Begründung "Keine Zeit" absagte. Er war damit immer fein raus, wirkte im direkten Umgang freundlich und hilfsbereit, hat sich aber alle lästigen Verpflichtungen (wie unnötige Proben) vom Hals geschaffen. Er war und ist kein gutes Vorbild. Damals merkte ich aber zum ersten Mal mit welcher Selbstverständlichkeit andere Menschen für sich selber lügen. Seither nehme ich mir im kleinem Rahmen, wenn ich mich ausgenutzt fühle oder eine Beziehung gar zu einseitig ist, das Recht, Grenzen zu ziehen, Nein zu sagen oder auch eine Absage zu erfinden. Bereuen musste ich es bisher noch nicht. Wie gesagt, die meisten Menschen scheinen sich über kleine Lügen regelrecht zu freuen..

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