Lyrik über die Jahreszeiten - Gedichte zum Herbst seltener als zum Frühling und Sommer

Der Wonnemonat Mai hat schon viele Dichter beflügelt, seinen Zauber in Verse zu fassen. Es ist der Liebesmonat schlechthin. In keinem Monat gibt es mehr Hochzeiten als im Mai. Üppiges Grün, blühende Blumen und der Frühlingsduft, der in die Nase dringt, schreien geradezu danach in romantische Worte gefasst zu werden. Auch der Sommer mit seinen Sonnentagen, Badespaß und Ferienlaune beflügelt zum Dichten.

Aber was ist mit dem Herbst? Zwar gibt es auch im September und Oktober noch warme Tage, aber die dritte Jahreszeit als Vorbote eines langen und kalten Winters ist bei weitem nicht so beliebt wie der Frühling und der Sommer. Lyrik über die Zeit, wo sich der Sommer verabschiedet und die dunkle und kalte Jahreszeit vor der Tür steht, ist nicht so häufig zu finden. Bestenfalls, wenn es um Trauer und Einsamkeit geht in Bezug auf den tristen November.

Es gibt aber doch eine ganze Reihe von Dichtern und Schriftstellern, die sich vom Herbst inspirieren ließen und ihre Gedanken und Eindrücke in Verse fassten. Es sind traurige, nachdenkliche aber auch erheiternde Gedichte zum Herbst dabei entstanden. Eine kleine Auswahl von Herbstgedichten ist nachfolgend zusammengefasst.

Goldener Herbst

Schöne Herbstfarben, wie sie die Natur malt. (Bild: LoggaWiggler / Pixabay)

Christian Morgenstern und seine Gedichte zum Herbst - "Nachtkalte Schauder" in Worte gefasst

Oktobersturm

Schwankende Bäume
im Abendrot -
Lebenssturmträume
vor purpurnem Tod -

Blättergeplauder -
wirbelnder Hauf -
nachtkalte Schauder
rauschen herauf.

Christian Morgenstern, der eher durch seine komische Lyrik bekannt wurde, weicht in seinem Gedicht "Oktobersturm" von diesem Ruf ab. Er hat mit diesen Versen einen Vergleich mit den Stürmen des Herbstes zu den Stürmen des menschlichen Lebens angestellt. Er zieht eine Parallele der "schwankenden Bäume im Abendrot" zum Herbst des Lebens, wo  "Lebenssturmträume von purpurnem Tod" die fallenden Blätter des Lebensbaumes symbolisieren. Mit diesem Gedicht zum Herbst gelingt es Christian Morgenstern, ein leichtes Frösteln auszulösen, wenn man die Verse langsam liest und auf sich wirken lässt. Keine Spur von komischer Lyrik! Eigentlich würde dieses Gedicht eher zum Monat November passen, der viel triester daher kommt als der Oktober. Auch zum November hat sich Christian Morgenstern einige Verse einfallen lassen, die im Gegensatz zu seinem wehmütigen Oktobergedicht tröstend und hoffnungsfroh klingen:

 

Herbstnebel

Novembertag
Nebel hängt wie Rauch ums Haus,
Drängt die Welt nach innen.
Ohne Not geht niemand aus,
Alles fällt in Sinnen.
Leiser wird die Hand, der Mund,
Stiller die Gebärde.
Heimlich, wie auf Meeresgrund
Träumen Mensch und Erde.

Ein Gedicht zum Herbst als Allegorie - Joseph Freiherr von Eichendorff und der Abschied vom Sommer

Herbst

Nun lass den Sommer gehen,
Lass Sturm und Winde wehen.
Bleibt diese Rose mein,
Wie könnt ich traurig sein?

Ein wenig Wehmut schwingt in diesen Versen von Joseph Freiherr von Eichendorff  mit, der den Abschied vom Sommer in seinem Gedicht über den Herbst  beschreibt. "Nun lass den Sommer gehen..." ist ein Loslassen vom Sommer und gleichzeitig tröstend, denn "diese Rose mein" bleibt ja bestehen. So sind die lyrischen Gedanken auch gleichzeitig eine Liebeserklärung an Eichendorffs "Rose", die den Abschied leicht macht und ihn mit dem Wechsel der Jahreszeiten vom Sommer auf den Herbst versöhnt. Eichendorffs Gedicht über den Herbst ist aber auch eine Allegorie, die sich auf das Leben an sich bezieht, wo der Herbst des menschlichen Daseins das nahende Ende ankündigt. Hier bleibt die "Rose", womit Eichendorff möglicherweise die Schönheit meint, die das irdische Leben über den Tod hinaus überdauert.

Ein Gedicht zum Herbst, das Freude macht - Heinrich Seidel über den Monat November

Eigentlich war Heinrich Seidel Maschinenbauingenieur. Aber er fühlte sich auch der Schriftstellerei verbunden. Der 1856 in Perlin geborene Sohn eines Pastors war der Erfinder des geflügelten Wortes "Dem Ingenieur ist nichts zu schwer", das er auch zu seinem Lebensmotto erhob. Seidel war ein Befürworter des "einfachen Glücks", was in seinen Werken immer wieder zum Ausdruck kommt. Sein wohl bekanntestes Buch "Leberecht Hühnchen" dreht sich um das kleine Glück, das auch solche Menschen finden können, die vom Schicksal eher benachteiligt wurden. Heinrich Seidels Herbstgedicht "November" gewinnt auch dem düstersten Monat des Jahres eine positive Seite ab und dreht die an sich negativen Eigenschaften in eine positive Richtung. Er reiht sich damit in die Riege der Autoren ein, deren Gedichte zum Herbst einem positven Lebensgefühl entspringen.

November

Solchen Monat muß man loben;
Keiner kann wie dieser toben,
keiner so verdrießlich sein,
und so ohne Sonnenschein!
Keiner so in Wolken maulen,
keiner so mit Sturmwind graulen!
Und wie nass er alles macht!
Ja, es ist ´ne wahre Pracht.

Seht das schöne Schlackerwetter!
Und die armen welken Blätter,
wie sie tanzen in dem Wind
und so ganz verloren sind!
Wie der Sturm sie jagt und zwirbelt
und die durcheinanderwirbelt
und sie hetzt ohn´ Unterlass;
Ja, das ist Novemberspaß!

Krimifreundin, am 01.08.2011
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Bildquelle:
W. Zeckai (Wie macht man eine Lesung erfolgreich?)
dco-Verlag (Rezension: Wenn dich jemand sieht)

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