Das Arbeitszeugnis - Wie sinnvoll oder nützlich ist ein Zeugnis des ehemaligen Arbeitgebers?

Eine Zeitlang galt das Arbeitszeugnis nicht mehr unbedingt als besonders wichtiges Papier für eine Bewerbung. Inzwischen, nicht zuletzt auch aufgrund der Forderung sich beruflich in regelmäßigen Abständen neu zu orientieren (ob dies sinnvoll ist oder nicht sei dahingestellt), wird Arbeitszeugnissen wieder eine große Bedeutung zugesprochen. Sie dienen dazu, darzustellen, dass es keinen Bruch im Lebenslauf gibt und der Bewerber stets seinen beruflichen Werdegang im Auge hatte.

Was steht im Arbeitszeugnis?
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Ein gutes Arbeitszeugnis ist somit ein klarer Wettbewerbsvorteil gegenüber Mitbewerbern und wichtiges Mittel um die erste Hürde im Bewerbungs-Marathon zu nehmen. Entscheidend ist hierbei natürlich, dass das Arbeitszeugnis auch ordnungsgemäß erstellt wurde, d.h. dass zunächst die Art der ausgeübten Tätigkeit im Unternehmen vollständig beschrieben ist, so dass ein Außenstehender sich ein eindeutiges Bild davon machen kann. Auf diese Beschreibung folgt der wichtigste Teil, nämlich der, in welchem die Leistung und das Verhalten des Arbeitnehmers beurteilt wird, sowie eine Schlussformulierung, die nochmals ein zusammenfassendes Urteil abgibt.

Der geheime Code - Geheimcodes in Arbeitszeugnissen lassen Kritik positiv erscheinen

Wer sein Arbeitszeugnis mal eben schnell das erste Mal liest wir unter Umständen erstaunt sein, welch guten Eindruck er bei seinem Arbeitgeber doch hinterlassen hat, und das obwohl es eigentlich nur Zoff gab. Aber Vorsicht: wie so oft steckt auch hier der Teufel im Detail! Es hat sich nämlich eine spezielle Zeugnissprache entwickelt, die für Laien häufig nur schwer zu verstehen ist oder gar in die Irre führt. Zahlreiche positiv klingende Floskeln, lassen den Fachkundigen aufhorchen, da es sich in Wirklichkeit um sehr kritische Äußerungen handeln kann. Diese Formulierungen unterliegen zwar keiner Absprache oder festen Reglementierung, von einem Geheimcode zu sprechen erscheint daher vielleicht etwas hoch gegriffen, dennoch sind sie weit nicht nur verbreitet sondern haben sich tatsächlich zu einem eigenen Sprachstil entwickelt.

Technik der Codierung - Mit diesen Mitteln lässt sich die Bewertung „mangelhaft“ positiv ausdrücken

Ein Mitarbeiter, dem man nach dem Bewertungssystem der Schule mit einer glatten Fünf, also mangelhaft, beurteilen würde, hielte unter Verwendung der Alltagssprache ein Arbeitszeugnis in der Hand, dass sicherlich alles andere als schmeichelhafte Formulierungen beinhalten würde. Nun hat aber auch dieser Mitarbeiter das Recht auf ein wohlwollendes Arbeitszeugnis. Also, wird in solch einem Fall der "Geheimcode" umso wichtiger. Hierbei gibt es unterschiedliche "Verschlüsselungstechniken", die von den Personalreferenten sehr wohl verstanden werden.

Leistungsskala mit positiven Werten

Die Leistungsskala, die im mathematischen Sinne nur positive Werte aufzuweisen hat, gehört mit zu den beliebtesten Mitteln, um die (Un-)Zufriedenheit des Arbeitgebers auszudrücken. Sätze wie "Herr Soundso hat alle Aufgaben zu unserer Zufriedenheit ausgeführt" klingen noch ganz ordentlich, heißen in Schulnoten ausgedrückt jedoch schlicht Note 4. Die (negative) Steigerung wäre dann nur noch mit einer kleinen aber feinen Ergänzung zu versehen und hieße etwa "Herr Soundso hat alle Aufgaben im Allgemeinen zu unserer Zufriedenheit ausgeführt". Gerade die kleineren Einfügungen sind das Salz in der Wunde. "Im Großen und Ganzen", "in der Regel" sind Formulierungen, die alles andere als schmeichelhaft sind. Und wenn dann jemand auch noch "bemüht war seine Aufgaben zu erfüllen", dann ist er geradezu als gänzlich unbrauchbar abgestempelt.

Das Weglassen.

Auch fehlende Worte können vieles sagen: Man sollte denken, dass nur Erwähntes sich zur Beurteilung des Bewerbers dient. Doch das ist ein Trugschluss. Viel subtiler noch als positive Umschreibungen, sind Weglassungen, die manche Rückschlüsse zulassen. Wird etwa das Verhalten des Mitarbeiters gegenüber seinen Kollegen als gut oder einwandfrei beschrieben, so klingt dies durchaus nicht unsympathisch – doch wie verhielt er sich gegenüber seinem Vorgesetzten? Eben, das schien ja nicht so besonders gut gewesen zu sein, ansonsten wäre im Arbeitszeugnis auch dieser aufgeführt gewesen.

Die gezielte Verneinung

Negationstechnik machen Formulierungen undurchsichtiger: Wie in der Mathematik sind auch bei der Sprache, ausgenommen mancher süddeutscher Dialekte, doppelte Verneinungen wieder etwas Positives oder können manche Aussage auch verstärken, z.B. "es ist nicht unwesentlich" also es ausgesprochen wichtig. Im Arbeitszeugnis hingegen sind solche Formulierungen bzw. das Verbinden zweier negativer Begriffe eine deutliche Abwertung des Mitarbeiters. Wenn der Arbeitgeber etwa "keinen Anlass zu Beanstandungen" sieht, dann ist das nur deshalb zu erwähnen, weil es auch nichts Besonderes zu loben gibt.

Passivität in Worte gefasst

Inaktive Mitarbeiter bekommen passive Formulierungen: Manch Arbeitnehmer "führte die Arbeiten, die ihm übertragen wurden zur Zufriedenheit aus". Schön, aber was mit den Arbeiten, die ihm nicht übertragen wurden? Sprich man musste ihm alles antragen und sagen was zu tun war, Eigeninitiative scheint dieser Mitarbeiter keine an den Tag gelegt zu haben.

Umschweifende Ausweichmanöver

Wenn Nichtssagendes in den Vordergrund gestellt wird: Gibt es eine wirklich Wichtigen Dinge über den Mitarbeiter zu berichten, werden umschweifend Banalitäten und Selbstverständlichkeiten beschrieben, so dass am Ende nur auf den ersten Blick Nettes, auf den zweiten Blick Nichtssagendes und auf den dritten Blick vernichtendes im Arbeitszeugnis steht. Wenn etwa von der vorbildlichen Pünktlichkeit die Rede ist, spätestens dann sollte klar sein, dass die Steigerung nur noch wäre, es würde sich bei dem Mitarbeiter um einen Menschen handeln, dem es gelungen ist schon seit Jahren auf dieser Erde zu leben…

Nicht bekräftigtes Lob

Einmaliges Lob ist kein Lob: In manchen Fällen gibt es in der Beurteilung des Mitarbeiters durchaus Lob, das einem Nichtfachmann positiv erscheinen mag, wenn z.B. sehr gute Leistungen den Mitarbeiter auszeichnen. Fehlt bei der Schlussbeurteilung in diesem Fall jedoch eine persönliche Stellungnahme bei der etwa das Ausscheiden sehr bedauert wird, oder der Arbeitgeber im für seinen weiteren beruflichem Wege von ganzem herzen alle Gute wünscht, dass hat das Lob seine Bedeutung als Lob weitestgehend verloren.

Fazit

Bevor man ein Arbeitszeugnis seiner Bewerbung beilegt, sollte man dieses sehr genau auch zwischen den Zeilen lesen. Fallen einem Stellen auf, die beim genaueren Betrachten nicht wirklich schmeichelhaft sind, empfiehlt es sich evtl. nochmals mit dem Verfasser zu sprechen oder sich einen guten Grund überlegen, weshalb man dem potenziellen neuen Arbeitgeber kein Arbeitszeugnis vorlegt.

 

Arbeitszeugnisse entschlüsseln - Literatur zum einfachen Verstehen verschlüsselter Formulierungen
Arbeitszeugnisse formulieren und entschlüsseln:...
Arbeitszeugnisse: Entschlüsseln und mitgestalten
Das Arbeitszeugnis: Schreiben, prüfen, Geheimco...
Autor seit 13 Jahren
251 Seiten
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