Vorab gesagt: Ich bin keine Tiermedizinerin, keine Hundetrainerin oder Expertin für Hunde. Ich bin einfach nur eine Hundefreundin, die lernt, wie sie mit ihrem Hund besser umgehen kann.

Verblüffend finde ich, wie sich die Erkenntnisse des positiven Hundetrainings auch auf den Menschen anwenden lassen.

1) Stress erkennen und wahrnehmen.

Bei Hunden kann sich Stress durch viele unterschiedliche Symptome äußern, u.a. durch Ruhelosigkeit und Nervosität, durch Überreaktionen und übertriebene Lautäußerungen, durch Hautprobleme, verändertes Essverhalten, allergische Reaktionen, Veränderungen im Zyklus oder übertriebene Fellpflege.

Auch für uns Menschen kann es ein sinnvoller erster Schritt sein, den Stress in unserem Leben zuerst einmal zu erkennen und wahrzunehmen. So banal das klingt: Nicht immer ist uns automatisch bewusst, was uns tatsächlich jeden Tag wieder aufs Neue Stress verursacht.

Psychologen empfehlen, den eigenen Tagesablauf mal ganz genau unter die Lupe zu nehmen:

  • Gibt es wiederkehrende Aktivitäten und Aufgaben, die ich als besonders unangenehm und belastend empfinde?

  • Wäre es möglich, auf diese Aktivitäten zu verzichten, weniger Zeit auf sie zu verwenden?

  • Oder sie so zu verändern, dass sie positiver auf mich wirken?

Nicht jede Begegnung mit Artgenossen macht Spaß ...

2) Erholung ist wichtig

Wer unter Stress leidet – ob Hund oder Mensch – der braucht auf jeden Fall regelmäßige Erholungsphasen, denn körperliche Reaktionen auf Stress erschöpfen und laugen aus. Wer dem Körper keine regelmäßige Erholung als Ausgleich bieten kann, der muss mit sogenannten Anpassungskrankheiten rechnen, man reagiert also mit körperlichen oder psychischen Beschwerden. Auch der Widerstand gegenüber neuen Reizen, die wieder Stress auslösen können, sinkt.

Für Hunde ist ausreichender Schlaf wichtig, ebenso wie ein sicherer Ort, an den sie sich zurückziehen können. Für uns Menschen gibt es viele Wege, um sich kleine Ruhepausen im Alltag zu verschaffen. Gezieltes Entspannungstraining, Sport oder Meditation sind nur einige Beispiele. Schon bewusstes Ausatmen hilft!

3) "Positivspeicher" mit angenehmen Erfahrungen füllen

Hundetrainer empfehlen, für den gestressten Hund eine Art "Positivspeicher" mit angenehmen Erfahrungen zu füllen: Möglichst oft soll der Hund etwas erleben, das ihm wirklich Freude macht.

Ähnliches gilt für den Menschen: Achtsamkeitstrainerin und Buddhismus-Expertin Marie Mannschatz gibt in ihrem Buch zum Thema Glücklichsein (siehe unten) den Tipp, sich eine Liste mit 10 Aktivitäten anzulegen, die Kraft spenden. An diese sollte man sich besonders dann erinnern, wenn man sich im stressigen Alltag erschöpft, träge, unsicher oder unruhig fühlt.

4) Kleine Schritte gehen

Für das Hundetraining gilt: Den Hund auf keinen Fall mit zu hohen oder gar überzogenen Erwartungen überfordern! Jeder – ob Mensch oder Tier – hat sein eigenes Lerntempo und es ist sinnvoll, in kleinen Schritten vorzugehen.

Wie klug diese Theorie der kleinen Schritte auch für Menschen ist, das belegt Robert Maurer in seinem sehr empfehlungswerten Buch "Kleine Schritte, die Ihr Leben verändern: KAIZEN für die persönliche Entwicklung" (siehe unten). Kleine – ja, sogar winzige – Schritte in die richtige Richtung können unglaublich viel bewirken!

Der Psychologe und Entdecker des Flow-Prinzips, Mihaly Csikszentmihalyi, bestätigt das: Der sogenannte Flow, das Glücksgefühl, das man bei einer anregenden Aktivität empfindet, stellt sich nur dann ein, wenn die gestellte Aufgabe in etwa den eigenen Fähigkeiten entspricht – zwar noch Raum für kleine Herausforderungen bietet, aber keinesfalls überfordert bzw. frustriert.

5) Lernen soll Spaß machen

Das Lernen sollte dem Hund Spaß machen und mit positiven Erfahrungen verknüpft werden.

Dasselbe gilt auch für Menschen: Mit Freude und Spaß lernt es sich viel besser! Das ist sogar wissenschaftlich bewiesen. Humor und Lachen helfen dabei, sich neue Lerninhalte besser merken zu können.

6) Statt Hektik und Zeitdruck: "Konzentrierte Langsamkeit"

Für gestresste Gemüter gilt: Weniger Hektik und Eile, mehr "konzentrierte Langsamkeit". Wer mit einem gestressten Hund arbeitet, dem werden eher gemächliche Spaziergänge in reizarmer Umgebung empfohlen. Konzentrationsspiele und Nasenarbeit sind besser als Ball- und Rennspiele. Gerätetraining oder Geschicklichkeitsübungen tun dem aufgeregten Hund eher gut als schnelle Sportarten wie Agility oder Dog-Dancing.

Auch hektische Menschen können lernen, zu einem ausgeglichenen Lebenstempo zurückzufinden. Das erfordert Geduld und Übung – Achtsamkeitstraining z.B. kann dabei eine große Hilfe sein.

7) Mehr Miteinander als Gegeneinander

Wettkampfsportarten wie z.B. Agility können sich auf gestresste Hunde eher ungünstig auswirken. Deshalb lautet die Devise: Mehr Miteinander als Gegeneinander. Einem unruhigen Hund tut es gut, angenehme und positive Aufgaben in Zusammenarbeit mit Frauchen oder Herrchen zu bewältigen – ohne Zeitdruck, ohne Hektik, ohne Ansprüche, der Beste oder Schnellste sein zu müssen. Das konzentrierte Miteinander fördert Selbstbewusstsein und gute Gefühle.

Und hilft auch Menschen: Im Buddhismus werden die Entwicklung von Mitgefühl und das großzügige Geben als effektive Gegenmittel zu Wettkampfdenken oder Neid empfohlen. Ein guter Anfang kann die Metta- oder (für Fortgeschrittene) auch die Mudita-Meditation sein.

8) Kleine Belohungen sind wichtig

Hunde werden belohnt, wenn sie etwas gelernt haben oder Fortschritte machen. Eine Belohnung kann ein besonderer Leckerbissen sein, aber auch ein aufrichtiges Lob von Frauchen oder Herrchen. Eine Belohnung kann es sein, den geliebten Ball tragen oder einer interessanten Spur "nachschnüffeln" zu dürfen.

Auch für uns Menschen kann die Frage – so simpel sie klingt – sehr sinnvoll sein: Was motiviert uns eigentlich? Auf welche kleine Belohnung könnten wir uns freuen, wenn wir eine Aufgabe erledigt haben? Den Hund, aber auch sich selbst für Fortschritte zu loben, ist sehr wichtig. Ein Trainingstagebuch zu führen kann eine große Hilfe sein. Oft erkennt man erst im Rückblick, wenn man es Schwarz auf Weiß vor sich sieht, welche Fortschritte Hund oder Mensch eigentlich gemacht haben. Auch ein Dankbarkeitstagebuch kann eine wertvolle Unterstützung sein!

Neues lernen? - Mach ich doch gerne!

9) Nicht zu viel erwarten - vom Hund und von sich selbst

Oft wird behauptet: Jeder bekommt den Hund, den er verdient. Oder anders formuliert: Mein Hund spiegelt mich - mein Hund ist Spiegelbild meines eigenen Verhaltens. Stimmt das wirklich? Es lohnt sich, immerhin mal darüber nachzudenken:

  • Stören mich die Verhaltensweisen, die mir an meinem Hund negativ auffallen, vielleicht auch an mir selbst?
  • Werde ich gleich laut, wenn mir etwas nicht gefällt?
  • Reagiere ich hektisch oder sprunghaft?
  • Lasse ich mich von Kleinigkeiten nerven?
  • Lasse ich mich von Fremden oder Fremdem zu schnell einschüchtern und verunsichern?

...

Hunde-Experten betonen immer wieder: Ein Hundebesitzer muss für seinen Hund Vorbild sein. Wer einen souveränen, ausgeglichenen und ruhigen Hund möchte, der sollte sich auch selbst so verhalten. Per Stimmungsübertragung bekommt der Hund viel vom eigenen Verhalten mit. Sinnvoll ist es, vom eigenen Hund nur das zu erwarten, was man auch selbst zu geben bereit ist.

10) Toleranz und Verständnis

Jeder hat – geprägt durch sehr individuelle Erfahrungen – sein ganz eigenes Bild von der Welt. Jeder sieht die Dinge auf seine eigene Weise, das gilt für jeden Hund ebenso wie für jeden Menschen. Dass der eigene Hund die Welt vielleicht mit ganz anderen Augen betrachtet als man selbst, das liegt eigentlich auf der Hand. Trotzdem vergessen wir es vor allem dann, wenn wir gestresst oder ärgerlich sind. Es gibt viele gute Hunderatgeber, die uns die Welt unserer Vierbeiner - ihre Sprache, ihre Gefühle und ihr Verhalten - näher bringen können.

Auch im menschlichen Miteinander tut es gut, sich diese Tatsache öfter vor Augen zu halten: Jeder lebt in seiner ganz individuellen Realität. Warum nicht mit Neugier und Interesse entdecken, wie der andere "tickt", anstatt sich über Gegensätze und Unterschiede zu ärgern?

Bitte locker bleiben!

Stresfrei lernen und leben kann nur gelingen, wenn man sich auch hin und wieder mal selbst "von der Leine lässt": Also bitte – alles nicht so ernst nehmen, locker bleiben, über Fehler lachen. Keiner von uns ist perfekt, weder Mensch noch Hund!

Hundebücher, die ich gerne gelesen habe:

Michaela, am 28.10.2013
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Bildquelle:
Claudia Steininger (Hunde besser verstehen und richtig behandeln - Etikette und "Benimm...)
Claudia Steininger (20 überzeugende Gründe, warum ein Hund das Leben gesünder und glück...)

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