Mit müden Beinen

Gespielt wird im Foyer des Studios, auf und mit der Bar. Zur Revitalisierung der Kindheit wird ein Playmobil per Video auf die Wand geworfen, das in eine Miniaturwelt versetzt. Dominiert hier das Leichte, Unbeschwerte, Spielerische? Wohl kaum, zu verbissen und verkrampft sind die Gespräche, die mitunter eine seltsame Richtung einschlagen. Der Ort der Handlung könnte überall sein, allerdings ist Deutschland zu vermuten. Einmal sagt Buchs (Mehmet Ateşci): "Wenn ich bei Steineschmeißen erwischt werde, werde ich aus dem Land geschmissen und du kriegst eine Seite in der Zeitung mit deinem Portrait abgedruckt. Für dich ist das bestimmt aufregend." Er ist ein Fremder in diesem Land, ein Migrant, der sich über die schmalen Rechte im Vergleich zu den Einheimischen beschwert. Ali (Lina Krüger), eine Angestellte der Bahn, manchmal müde in den Beinen, sieht alles viel gelassener, schließlich ist alles nur ein "Kopfding".

 

Reaktionäre Gesellschaft

Farbe in Spiel bringt der rothaarige Aram Tafreshian, der ständig auf die Probleme in Ungarn aufmerksam macht. In Deutschland getauft, weiß er nicht, ob eine Demokratie oder eine Diktatur am Walten ist. Die Figur vergisst nicht, den ungarischen Literaturnobelpreisträger Imre Kertész zu erwähnen, doch seit 2002 ist viel Wasser die Donau entlanggeflossen. Mittlerweile gebe es einen reaktionären Theaterintendanten in Budapest und die Gesellschaft sei genauso reaktionär. "Wir leben in uns verschlossen." Sprach's und setzt sich auf die Couch, ohne die innere Balance zu verlieren. Letztlich wird der Darsteller Ungar in Berlin, obwohl er die Geschichte nicht verändern kann. Er bleibt eine erratische Randfigur, die nicht in das Geschehen eingreift. Ein Anhängsel mit massiver Gesellschaftskritik, leider ohne Bindung zum Rest des Personals. Deshalb auch die Notizen im Titel.

 

Erotische Spielereien und der Drang nach draußen

Stattdessen haben es die drei umso mehr miteinander. Man verheddert sich ein bisschen, es kommt zu einem Abtasten und Grapschen, zu einem halben Genital-Gefummel. Ali legt sich zu Tschech (Till Wonka) und Buchs mischt begierig mit. Tschech, der wie ein Dichter der geistigen Revolution aussieht, mokiert sich über seine geringe Schwanzlänge, denkt dabei nicht an die Wonnen einer gewollten oder ungewollten Erektion. Sexistische Sätze fallen: "Man muss Ali einmal übers Knie knacken wie ein Insekt." Unerträglich ist's manchmal in diesem Wg-Mief, deswegen will Ali raus, aber nicht in die weite Welt, sondern in den Park, zu den Protestlern. Der Drang zur Rebellion scheint für sie nur ein Spiel zu sein, ein Ausbrechen, ein Aktionismus aus Überdruss – und Buchs schließt sich an. Es ist etwas wenig, was unterm Strich herauskommt. Diese Inszenierung ist eine ins Theatralische gewendete szenische Lesung, zumal die Schauspieler teilweise vom Blatt ablesen. Das Ganze wirkt wie eine rasche Improvisation ohne größere Impulse.

Notizen zu Hurenkinder Schusterjungen

Von Marianna Salzmann, András Dömötör, Ádám Fekete

Regie: András Dömötör, Regieassistenz: Chantal Kohler, Bühne: Moira Gilliéron.

Es spielen: Lina Krüger, Till Wonka, Aram Tafreshian, Mehmet Ateşci.

Gorki Studio Я Berlin

Aufführung vom 7. März 2014

Dauer: ca. 1 Stunde

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