Glatze und Potenz: Die Wurzeln des Gerüchts

Die weitaus häufigste Ursache des Haarausfalls bei Männern ist die sogenannte "androgenetische Alopezie". Frei übersetzt bedeutet dies "Haarausfall durch Hormone" und Schuld am übermäßigen Haarausfall sind die Hormone der Klasse "Androgene", das sind die männlichen Geschlechtshormone (die übrigens auch bei Frauen im geringen Maß vorhanden sind). Das bekannteste dieser Hormone ist das Testosteron.

Glatze

Testosteron: Das ist vielen Leuten ein Begriff. "Er hat zuviel Testosteron", sagt man, wenn jemand besonders machohaftes Gehabe an den Tag legt. Testosteron gilt als Schlüssel zur Männlichkeit und tatsächlich ist es für viele männliche Attribute verantwortlich: Testosteron bewirkt in der Pubertät die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale, darunter den typisch männlichen Haarwuchs. Es besitzt eine muskelaufbauende Wirkung, weshalb wir Androgene auch als illegale Dopingsubstanzen kennen. Es beeinflusst das Verhalten und ja, es ist tatsächlich auch verantwortlich für männliche Lust.

"Männer mit Glatze haben besonders viel Testosteron und sind deshalb besonders potent", ist die einfache Gleichung, die den Mythen um die besondere Manneskraft glatzköpfiger Männer zugrunde liegt. Doch stimmt das?

Wissenschaftlich gesehen, ist diese Gleichung aus zwei Gründen falsch: Einerseits ist es keineswegs so, dass die Potenz mit dem Testosteronspiegel gleichmäßig zunimmt. Testosteron ist für die männliche Libido verantwortlich und zu wenig Testosteron führt zu Lustlosigkeit in intimen Angelegenheiten. Wer genug hat, hat aber genug, und wird durch ein Mehr nicht zwangsläufig potenter. Zweitens ist für den Haarausfall bei Männern nicht ein Übermaß an Testosteron verantwortlich, sondern eine Überempfindlichkeit der Haarwurzeln: Die Hormone verkleinern die Haarwurzeln und das Wachstum der Haare wird gestört.

Bruce Willis: Erfolgreich mit Glatze (Bild: Gage Skidmore, Creative Commons)

Männer mit Glatze: Die soziale Wahrnehmung

Ob jemand erfolgreich bei Frauen ist, hängt nun aber nicht mit seiner tatsächlichen Potenz zusammen, sondern damit, wie er wahrgenommen wird.

Mit dem Eindruck, den kahle Männer hinterlassen, hat sich sogar die Wissenschaft beschäftigt: Der Wissenschaftler Albert E. Mannes litt schon mit 30 Jahren unter starkem Haarausfall und griff kurzerhand zum Rasierer, um zu vollenden, was die Natur begonnen hat. Er stellte fest, dass das Umfeld nun anders auf ihn reagierte.

So untersuchte er, wie Männer mit kahlgeschorenem Haupt wahrgenommen werden: Er zeigte 59 Versuchspersonen Fotos von Männern mit voller Haartracht. Später zeigte er ihnen die manipulierten Fotos derselben Personen ohne Haare.

Die Versuchspersonen hielten Männer mit Glatze nicht nur für dominanter und maskuliner als Personen mit Haaren, sie hielten sie auch für größer und stärker. Zudem wurde ihnen mehr Führungspotenzial zugetraut. 

Sie sind aber ein ganz Netter und möchten keinesfalls ein Macho-Image ausstrahlen? Eine Frau, die das sucht, wäre auch falsch für Sie? Und keinesfalls wollen Sie in einer rechten Ecke landen? Dazu möchte ich sagen: "Auf das Gesamtbild kommt es an!" Wer kein Macho ist, wird auch mit Glatze keiner. Wer Glatze trägt, sollte sich aber vielleicht in seinem Stil deutlich von sozialen Gruppen abgrenzen, mit denen er nichts zu tun haben will. 

Sind Männer mit Glatze jetzt aber wirklich erfolgreicher bei Frauen?

Darüber habe ich leider keine wissenschaftliche Studie gefunden und so gehe ich davon aus, dass es sich so verhält wie mit allen anderen menschlichen Eigenheiten: Es ist unterschiedlich. Die eine steht auf einen Wuschelkopf, die andere auf Glatze. Mit anderen Worten: Für jeden Topf gibt es einen Deckel. Wer es nicht glaubt, möge einmal bei der Facebookgruppe "Männer mit Glatze und Frauen, die drauf stehen", hineinschauen. 

Das Glatzenbuch
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Festhalten kann man aber, dass Männern mit Glatze Eigenschaften zugeschrieben werden, denen viele Frauen durchaus nicht abgeneigt sind und wenn Männer mit Glatze denken, bei Frauen keine Chance zu haben, dürfte das eher am Leidensdruck, der Scham und der Selbstwahrnehmung liegen. Wer seine letzten drei Haare quer über das kahle Haupt kämmt wie Homer Simpson, dürfte weniger Selbstbewusstsein ausstrahlen als jemand, der sagt: "Was soll's!"

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