Hanna Schygulla in "Die Geschichte ...

Hanna Schygulla in "Die Geschichte der Piera", Marco Ferreri (Bild: © Verlagsarchiv Schirmer/Mosel)

Viel aus dem privaten Bereich

Dieses Buch hat vor allem zwei Mängel. Hanna Schygulla schreibt zu viel über ihre Kindheit, die Eltern und über jenen Privatbereich, der für den Leser nicht von hohem Interesse ist. Wen interessieren Personen – Freunde und Freundinnen, Wegbegleiter und Partner -, die der Öffentlichkeit weitgehend unbekannt sind? Der zweite Mangel resultiert aus dem ersten. Der Theater- und Filmbetrieb kommt viel zu kurz, man erfährt kaum etwas über langjährige Kollegen, Fassbinder ausgenommen. Sie hat beispielsweise in Wim Wenders' "Falsche Bewegung", in Schlöndorffs "Die Fälschung" oder Godards "Passion" mitgewirkt. Gerade "Die Fälschung" wäre sehr interessant gewesen, denn nach dem Lesen des Buchs stellt man sich eine andere Darstellerin der Figur Ariane vor. Dennoch hat Hanna Schygulla die Rolle mit Bravour bewerkstelligt, als habe sie ein wenig improvisiert und gezaubert. Mit einem Satz: Das Buch ist zu wenig verklatscht, und es gibt auch einen Klatsch im positiven Sinne, der nicht den Intimitätsbereich berührt.

 

A German star ist born

Hanna Schygulla will hauptsächlich eine Sache vermeiden: Die Denunziation. Verletzen möchte sie nie, eine nachträgliche Abrechnung mit Ungeliebten gibt es nicht, sie bewahrt äußerste Diskretion. Auch Fassbinder gegenüber, der nun wahrlich einige schlechte Seiten hatte. Immerhin, er hat seine Hanna mit Samthandschuhen angefasst und sie nie psychisch gequält wie etwa Irm Hermann, die einiges aushalten musste. Schygulla ist Fassbinder trotz Gagenstreitereien, die Anfang der 80er-Jahren zum endgültigen Bruch führen, stets in Dankbarkeit verbunden: "...er war mein Regisseur von der ersten Probe an." Nur nach "Effie Briest" braucht sie eine Atempause, sie kommt sich vor wie eine wandelnde Filmpuppe, die neben sich steht und von sich abgefallen ist. "Der Traum wird zum Albtraum". Für "Die Ehe der Maria Braun" holt er sie wieder vor die Kamera – und sie erblüht mit ihrer verführerischen Spielkunst, ihrer leisen Frivolität, ihrer Fragilität. Sogar in den USA ist man begeistert – a german star is born.

In "Die Ehe der Maria Braun"

In "Die Ehe der Maria Braun" (Bild: © Verlagsarchiv Schirmer/Mosel)

Zwischen Weltruhm und Aussteigertum

Trotz ihrer Schlichtheit entfaltet Schygullas Sprache mitunter eine eigenwillige poetische Kraft. Selbst Nichtigkeiten leuchten auf, und das bei einer Frau, die immer an den Zufall glaubt. Ans Unverhoffte, plötzlich Hereinbrechende. In Paris lebend, beobachtet sie am Place des Vosges das Sandkastenspiel der Kinder und ist entrückt vor Begeisterung, innerlich beflügelt vom Mann ihres Lebens: Die Rede ist vom Drehbuchautor Jean-Claude Carrière. Hanna Schygulla balanciert in einem Leben zwischen Weltruhm und Aussteigertum, sie möchte ihrem Bekanntheitsgrad manchmal entfliehen. Doch das gelingt ihr nicht, stattdessen wird sie zum Globetrotter, den es nicht lange an einem Ort festhält. Und immer werden neue Projekte gestartet. Hanna Schygullas Autobiographie liefert keine Angriffsflächen, sie zeigt keine charakterlichen Defizite. Fast wirkt das Buch beschönigend, sie macht einen halben Kotau vor ihren beruflichen und privaten Wegbegleitern. Ein Buch also ohne Hasstiraden. Aber lesenswert ist es allemal.

Hanna Schygulla: Wach auf und Träume. Die Autobiographie. München: Schirmer Mosel Verlag 2013, 200 Seiten, 63 Abbildungen.

Schirmer Mosel Verlag

Bildnachweis: alle Abbildungen © Verlagsarchiv Schirmer/Mosel

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