Was ist Heimat?

"Heimat ist dort, wo mein Herz ist", schrieb schon Ringelnatz. So hörte ich in vielen meiner Interviews Ähnliches von Ausgewanderten, immer wieder sinngemäß den Satz: "Heimat ist dort wo ich mich wohlfühle".  

So etwa Evelyn Weyhe, die nach Jahren in Afrika 1999 nach Spanien kam, um ihren Sohn auf eine deutsche Schule hier schicken zu können. Ihre Aussage: "Grundsätzlich ist Heimat für mich da, wo ich bin und mich wohlfühle. Ein Stück Heimat war und ist noch heute Kenia für mich. Mein gesamtes, junges Erwachsenenleben habe ich dort verbracht und viele schöne Erinnerungen. Meine neue Heimat ist mir auch nah, Heimat im Sinne von "Wurzeln" ist jedoch nach wie vor München."

Eine andere geborene Münchnerin, Christine G., die im Jahr 2000 ihre Zelte in Deutschland abbrach: "Heimat ist für mich da, wo ich mich wohl fühle. Wo meine Freunde sind, wo ich ein gemütliches Heim habe und wo meine Hunde sind. Im Moment ist Mallorca meine Heimat. Ich könnte mir aber auch vorstellen, an einem anderen schönen Platz auf der Welt zu leben."

 

Über Afrika nach Spanien (Bild: Evelyn Weyhe)

Heimat - das Gegenteil von Fremde?

Die Krimischriftstellerin Fran Ray hat eine interessante Definition:

"Heimat ist für mich einfach das Gegenteil von Fremde. Also, Heimat ist nicht mein Geburtsort mit seinen Traditionen – sondern Heimat kann ich mir selbst schaffen. Damit ist Heimat der Ort, an dem ich mich im Moment identisch, in irgendeiner Form sozial eingebunden fühle. Wenn ich im Flugzeug im Anflug auf Málaga bin, fängt mein Herz schon schneller an zu schlagen, dann weiß ich, gleich bin ich wieder daheim. Wenn ich dann die Palmen sehe und auf der einen Seite das Meer, auf der anderen die Berge, fühle ich mich vertraut, zugehörig und freue mich, wieder zuhause zu sein. Wenn ich nach München komme, empfinde ich zwar eine gewisse Vertrautheit, aber ich fühle mich nicht mehr so zugehörig."

Auswanderungsgrund Wetter

Alle geben erwartungsgemäß als ersten wichtigen Umzugsgrund die Sonne und das milde Klima an, auch die schöne Landschaft im Mittelmeerraum und die vielfältige Pflanzenwelt. Fragt man sie danach, ob sie sich vorstellen könnten, wieder an ihrem Geburtsort zu leben, so möge stellvertretend der Schweizer Enzio Castignoli stehen, der aus Luzern stammt und schon 1973 ein Haus hier erwarb. "Luzern ist zwar für mich die schönste Stadt der Welt, aber Schnee hatte ich genug, das brauche ich nicht mehr!"

Übrigens bedeutet allen das deutsche Weihnachtsfest eine vermisste Tradition, die sie aber versuchen, in die neue Heimat zu transportieren mit Christbaum, besinnlichen Liedern etwa. Evelyn beschrieb die Sehnsucht nach alter Heimat so: "Ich bin nicht oft dort, aber wenn dann mal, dann treiben mir ganz absurde Dinge das Wasser in die Augen, zum Beispiel der Geruch einer Leberknödelsuppe oder schreckliches Gejodel auf einem bayerischen Radiosender."

Wie steht es mit der Integration?

Das ist eine Schlüsselfrage. Obwohl alle Interviewten die fremde Landessprache können, manche sogar etwas den dort üblichen Dialekt, kommen als ehrliche Antworten immer wieder: "Ehrlich gesagt, fühle ich mich nicht so richtig integriert. Obwohl ich Spanisch spreche und man mir auch mit Höflichkeit entgegen kommt, habe ich immer das Gefühl trotz allem eine Ausländerin zu bleiben. Einheimische, nette Bekannte habe ich viele, aber richtige Freunde eigentlich nicht."

Einzig Enzio, der dieses Jahr das Jubiläum 40 Jahre an der Costa del Sol feiert, kann damit aufwarten, dass er mehr einheimische als deutschsprachige Freunde hat: "Ich treffe dann meine alten spanischen Freunde so zwei bis dreimal in der Woche in der Bar und das Hallo ist immer groß!" 

Alle aber sind sich darin einig, dass sie nicht mehr zurück wollen nach Deutschland – mit Einschränkungen. Wieder definiert es Evelyn anschaulich: "Ich kann mir nicht so richtig  vorstellen, wieder an meinem Geburtsort zu wohnen. Ich bin einfach schon zu lange weg. Auch, weil ich das Gefühl habe, nicht mehr in die Enge Deutschlands hineinzupassen. Aber ausschließen will ich es nicht, denn sein Glück nimmt man ja bekanntlich überall hin mit!"

Enzio,seit 40 Jahren im Süden (Bild: Gabriele Hefele)

Arlequina, am 15.06.2013
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