Umgang Jugendlicher mit ihrer Homosexualität - Homophobes Umfeld verhindert offenen Umgang mit der eigenen Sexualität

Von vielen wird es als eine Phase innerhalb der Pubertät bezeichnet, manche Eltern glauben, es sei eine krankhafte Neigung, die man therapieren kann: Die Homosexualität, also die sexuelle und gefühlsmäßige Hinordnung auf das eigene Geschlecht. Von der Gesellschaft bis in unsere Zeit missbilligt, haben viele homosexuell veranlagte Jugendliche nicht den Mut, vor der Gesellschaft und sich selbst einzugestehen, dass sie schwul oder lesbisch sind.

Die Angst vor sich selbst kann zerstörerisch sein

Wenn ein Jugendlicher merkt, dass er homosexuelle Neigungen hat, ist die erste Reaktion zumeist der Versuch, diese Neigungen vor sich selbst zu verharmlosen, sich einzureden, dass das nicht sein kann und darf und sie vor der Außenwelt zu verbergen. Ein Grund dafür liegt sicherlich in unserer Gesellschaft und ihrem Umgang mit diesem Thema. Bedingt durch ihre christliche Prägung war Homosexualität in der Gesellschaft über Jahrhunderte ein Tabu-Thema und galt als ein zu ahndendes und nicht zu duldendes sexuelles Fehlverhalten. Spuren dieser gesellschaftlichen Konvention sind noch heute in den Köpfen vieler Bevölkerungsschichten lebendig und machen eine offene Diskussion noch immer problematisch. Erstaunlich viele Eltern stehen einer eventuell homosexuellen Neigung ihres Kindes ablehnend gegenüber.

So ist es nicht verwunderlich, dass homosexuelle Jugendliche oft in großer Angst vor Entdeckung und den sich daraus ergebenden Konsequenzen leben. Sie bleiben mit ihren Sehnsüchten und Wünschen in der Anonymität. Leider blenden sie auf diese Weise einen existentiellen, weil prägenden Aspekt ihres Lebens aus und versuchen, ihn zu unterdrücken, was einen immer stärker werdenden Leidensdruck nach sich zieht. Sie glauben, eine Rolle spielen zu müssen, die ihnen und ihrem Wesen aber in keiner Weise entspricht. Lediglich im Verborgenen leben sie ihre Homosexualität aus und tragen nicht selten seelische Schäden davon.

Der Leidensdruck homosexueller Jugendlicher

Viele Homosexuelle berichten von seelischen Qualen, die sie durch dieses "Sich-verstecken-müssen" erleiden. Häufig gibt es nur wenige Personen, denen sie sich offenbaren können und nicht selten fühlen sie sich völlig alleingelassen und isoliert. Diese immer unerträglicher werdende Situation lässt bei den Betroffenen irgendwann die Erkenntnis reifen, dass es Zeit ist, vor sich selbst und vor anderen zu bekennen, was und wie man ist. Dies geschieht im Coming-out. Hier durchlebt der Betroffene in der Regel zwei Formen.

Das innere Coming-out ist der manchmal sehr schmerzhafte Prozess, in dessen Verlauf der Betroffene vor sich selbst eingestehen muss, dass er homosexuell ist. Dieser erste Schritt kann sich mitunter über Jahre hinziehen.

Das äußere Coming-out ist der Schritt in die Öffentlichkeit und vollzieht sich entweder in kleineren Schritten, bei denen man die Menschen in seinem Umfeld in abtastenden Gesprächen langsam und behutsam mit der eigenen Neigung konfrontiert oder es kommt zu einem "Rundumschlag", der im Familien- und Freundeskreis durch rigorose Selbst-Offenbarung für Klarheit sorgt.

Das Coming-out vollzieht sich nicht in oder ab einem bestimmten Alter. Allerdings ist es erwiesen, dass die jüngere Generation sich mit diesem Schritt leichter tut, als ältere Homosexuelle. Das mag daran liegen, dass man in fortgeschrittenem Alter stärker eingebunden ist in gesellschaftliche Zwänge und der dadurch gegebene Rahmen schwieriger aufzubrechen ist.

Für die eigene Familie ist das Coming-out eines homosexuellen Jugendlichen am schwersten

In Berichten von jugendlichen Homosexuellen ist immer wieder herauszuhören, dass vor allem das familiäre Umfeld sich mit dem Coming-out schwertut. Das ist aufgrund der eigenen Prägung und Erziehung der Eltern verständlich, denn diese stellen sich nach einem solchen Ereignis mitunter die quälende Frage, ob sie in der Erziehung Fehler gemacht haben, die zur Homosexualität ihres Kindes beigetragen haben könnten. Ein nicht zu unterschätzender Grund für viele negative Reaktionen des Elternhauses ist der bei vielen vorhandene Wunsch nach Enkelkindern, der durch das Coming-out im Normalfall nicht mehr erfüllbar ist, zumindest, wenn das einzige Kind sich als homosexuell outet. Ein wichtiger Aspekt bei scheinbar negativen Reaktionen im engeren Umfeld ist Sprachlosigkeit bzw. das zuerst einmal vorherrschende Unvermögen, mit der neuen Situation adäquat umzugehen. Vor allem Väter tun sich anfänglich oft schwer, mit ihrem plötzlich "schwulen" Kind in Kontakt zu treten.

Beim Coming-out geht es um das eigene Leben

Auch, wenn die in Kenntnis gesetzte Umwelt ablehnend reagiert, ist es für homosexuelle Jugendliche wichtig, ihren eigenen Weg möglichst konsequent zu gehen. Die Sexualität ist ein existentieller Bereich des Lebens und ihn einzig aus Rücksicht auf andere zu beschneiden, zu unterdrücken oder gänzlich zu begraben, ist kontraproduktiv für die eigene Entwicklung. Natürlich gehört zu einem Coming-out viel Mut, aber letztlich ist es das eigene Leben, das es zu gestalten gilt.

Neue Münchner Studie zur Situation homosexueller Jugendlicher

Die Landeshauptstadt München hat im Jahr 2011 eine Studie zur Situation homosexueller Jugendlicher mit dem Titel: "Da bleibt noch viel zu tun..." durchgeführt. Diese Befragung städtischer Angestellter in Einrichtungen der Jugendhilfe machte deutlich, in welch schwieriger Situation betroffene Jugendliche auch heute noch sind. Vor allem die Schule ist immer noch der schwulenfeindlichste Ort für betroffene Jugendliche, denn nirgendwo sonst begegnen sie so vielen Vorurteilen und Anfeindungen, wie in den Schulklassen. Selbst in unserer aufgeklärten Gesellschaft leben sie also in einem Umfeld, das für ein Coming-out alles andere als hilfreich ist.

Laden ...
Fehler!