Cover "Iron Sky"Der Nazi-Mann im Mond

2018: Zum 50. Jahrestag der ersten bemannten Mondlandung, statten US-Astronauten dem Erdtrabanten erneut einen Besuch ab. Zu ihrer Verblüffung entdecken sie eine riesige Mondbasis, die allerdings nicht von Aliens, sondern waschechten Nazis bewohnt wird. Ohne viel Federlesens wird einer der beiden Astronauten sofort exekutiert, während der andere, ein Schwarzer namens James Washington (Christopher Kirby), verhört wird. Sein Smartphone verblüfft Nazi-Wissenschaftler Doktor Richter (Tilo Prückner) über alle Maßen und weckt Hoffnungen, das gigantische, aber fluguntüchtige Raumschiff "Götterdämmerung" mit der nötigen Computerleistung ausstatten zu können. Ziel der Mond-Nazis ist nämlich die Rückkehr auf die Erde und Errichtung eines Vierten Reiches unter der Führung von Wolfgang Kortzfleisch (Udo Kier).

 

Dummerweise versagt das Smartphone aber schon bald den Dienst. Deshalb werden Klaus Adler (Götz Otto) und seine Verlobte, Doktor Richters Tochter Renate (Julia Dietze), auf die Erde entsandt, um ein neues zu besorgen. Begleitet werden sie dabei vom dank überlegener Nazi-Rassentechnologie in einen Weißen verwandelten Washington, der beim Verhör noch vollmundig erklärt hatte, ein guter Freund der US-Präsidentin (Stephanie Paul) zu sein. Um Kontakt zu ihr herzustellen, entführen die Nazis ihre Wahlkampfleiterin Vivian Wagner (Peta Sergeant), die vom hohlen Pathos der Nazi-Ideologie begeistert ist und die Präsidentin davon überzeugt, ihren Wahlkampf entsprechend zu führen. Derweil entdeckt Klaus Adler eine Möglichkeit, die Herrschaft über die Mondbasis an sich zu reißen, während Washington der naiven Renate die Augen für den Unsinn der Nazi-Ideologie öffnet...

Deutscher Trailer "Iron Sky"

Godwin's Law im Kinoformat

Wohl jeder, der mit dem Internet halbwegs vertraut ist, kennt das nervige Phänomen, das als "Godwin's Law" bekannt ist: Selbst eine völlig harmlose Diskussion über Bonsai-Bäumchen oder ein Fußballspiel, wird irgendwann mit einem Nazi-Vergleich in ungewünschte Bahnen gelenkt. Der Finne Timo Vuorensola rollt dieses ungeschriebene Gesetz von hinten auf und konterkariert es mit seinem parodistischen Science-Fiction-Film "Iron Sky". Was, so die Prämisse der deutsch-finnisch-australischen Gemeinschaftsproduktion, wenn all die haarsträubenden Nazi-Legenden wahr sind und eine Gruppe flüchtiger Reichsdeutscher eine streng geheime Basis errichtet haben, wo sie darüber nachsinnen, wie sie das Vierte Reich errichten können? Für gewöhnlich wurde diese Basis in Neuschwabenland vermutet. Aber hierfür würde sich doch der Mond weitaus besser eignen, um in Ruhe konspirieren zu können.

 

Klingt bescheuert? Ist es auch, und zwar voll beabsichtigt. "Iron Sky" ist keine ernsthafte Auseinandersetzung mit Nazismus, sondern eine schonungslose Persiflage auf Invasionsfilme der Marke "Independence Day", knallharte Abrechnung mit abstrusem Nazi-Pathos sowie eine Rundum-Ohrfeige wider den guten Geschmack in Einem. Über die Entstehungsgeschichte des am 11. Februar 2012 auf der Berlinale erstmals der Öffentlichkeit gezeigten Filmes wurde bereits hinreichend berichtet. Dennoch muss auf eine Besonderheit bei der Produktion von "Iron Sky" kurz eingegangen werden: Die in groben Zügen vorliegende Handlung wurde durch detaillierte Vorschläge von Internetusern erst zum fertigen Drehbuch ausgefeilt. Dadurch wirkt der Streifen stellenweise etwas überfrachtet mit Anspielungen und Parodien, während andererseits der eindeutig erkennbare Rote Faden fehlt.

 

Insbesondere zu Beginn zündet der Film ein Feuerwerk an abstrusen Ideen und politisch unkorrekten Geschmacklosigkeiten. Beispielsweise gelten auf der Nazi-Mondbasis Ausschnitte aus Charlie Chaplins "Der große Diktator" den indoktrinierten Kindern als wertvoller Lehrstoff. Und dass der gefangengenommene US-Astronaut - Jahrzehnte nach Ende der Jim-Crow-Gesetze - ein Schwarzer ist, schmeckt den Nazis natürlich gar nicht. Aus diesem möglichen Konfliktstoff schlägt der Film aber kein Potenzial heraus. Bekamen die Produzenten am Ende doch kalte Füße und trauten ihrer eigenen Unbekümmertheit nicht? Schließlich vermisst man die schier unausweichlichen Zusammenstöße mit Juden - man bedenke, dass der Film in den USA spielt, wo Millionen Einwohner Juden oder jüdischer Abstammung sind - oder gar dem Holocaust an sich. Diese gefährlichen Untiefen umschifft Regisseur Timo Vuorensola aber, was einerseits in einer jedes Wort auf die Goldschale legenden Gesellschaft verständlich, andererseits jedoch bedauerlich ist.

 

Stattdessen konzentriert sich "Iron Sky" mit fortschreitender Laufzeit auf parodistische Anspielungen weitaus unverfänglicherer zeitgenössischer Themen, als da wären die US-Außenpolitik mit ihrem Streben nach der Sicherung wichtiger Rohstoffe, Nordkorea und natürlich die US-Republikaner. Konsequenterweise wurde die Präsidentin der Vereinigten Staaten der kurze Zeit als Kandidatin gehandelten Sarah Palin nachempfunden. Leider nervt der von Stephanie Paul verkörperte Palin-Klon von Beginn weg und neutralisiert somit jegliches parodistische Streben. Dafür wissen die Witze über die abenteuerlichen Pseudo-Biographien nordkoreanischer Führer zu überzeugen.

 

Weniger zu überzeugen versteht der viel zu konfuse Plot. Dieser wirkt wie die Aneinanderreihung mal mehr, mal weniger gelungener Nazi- oder zeitgeistiger Parodien. Sein enormes Potenzial an zynischen Witzen reizt "Iron Sky" an keiner Stelle aus. Stattdessen gleitet der Streifen am Schluss in reinen Klamauk ab und zieht sich somit selbst den Boden unter den Füßen weg. Den Einwurf, eine Prämisse wie diese böte einfach nicht genug Stoff für einen Spielfilm, teilt der Rezensent nicht. Gerade die auf der Erde spielenden Szenen hätten genügend Raum für ironische Abrechnungen etwa mit dem nach wie vor grassierenden Patriotismus gerade in den USA geboten. Vermutlich wollten die Produzenten aber zeigen, was man in Europa mit einem Budget von knapp 8 Millionen Euro an Spezialeffekten herausholen kann. Mehr als ordentlicher Schießbudenzauber kommt dabei jedoch nicht heraus. Schade, denn der trashige Charme der Anfangsszenen und die düstere Inszenierung im Stile propagandistischer Filme der 1940er- und 1950er-Jahren, verheißen mehr, als "Iron Sky" am Ende bietet.

 

Keinesfalls soll der Unterhaltungswert dieses Streifens geschmälert werden. Angesichts der Trailer und des Hypes bleibt schlussendlich aber ein enttäuschender Nachgeschmack zurück. Einige Gags sitzen durchaus und die düstere Optik böte den perfekten Hintergrund für eine rabenschwarze Brachial-Komödie. Der Witzkrieg der Mond-Nazis läuft sich aber nach rund einer Stunde an der Unentschlossenheit der Regie fest, wie die Wehrmacht dereinst in Russland. Mit konsequenter Fortführung der großartigen, einleitenden Sequenzen hätte "Iron Sky" tatsächlich zum Kultfilm werden können. Die zugegebenermaßen hohen Erwartungen erfüllen sich nach rund 90 Minuten freilich nicht. Der sich totlaufende Witz, die schablonenhaften und im Falle von Renate Richter (die sich auf Grund eines Filmes von der glühenden Nazi-Anhängerin zur Antifaschistin wandelt) teils widersprüchlichen Charakterisierungen sowie der unnötig auf Action und Effektezauber getrimmte Showdown ziehen "Iron Sky" ins cineastische Mittelmaß hinunter. Die originelle Prämisse, schnieke Kameraführung und einige treffsichere Gags alleine machen keinen rundum gelungenen Film aus. Aber wer weiß: Vielleicht landet ja in einer durchaus möglichen Fortsetzung eine Marssonde in der dortigen Nazi-Basis, wo sich Hitler, Mengele & Co. dank der Mars-Atmosphäre bester Gesundheit erfreuen und düstere Pläne schmieden...

Originaltitel: Iron Sky

Regie: Timo Vuorensola

Produktionsland und -jahr: D/SF/Aus, 2012

Filmlänge: ca. 92 Minuten

Verleih: Splendid Film/WVG

Deutscher Kinostart: 5.4.2012

FSK: Freigegeben ab 12 Jahren

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