Der Paragraf 219a StGB - Was beinhaltet er im Detail?

Im Strafgesetzbuch heisst es:

"§ 219 Beratung der Schwangeren in einer Not- und Konfliktlage

(1) 1Die Beratung dient dem Schutz des ungeborenen Lebens. Sie hat sich von dem Bemühen leiten zu lassen, die Frau zur Fortsetzung der Schwangerschaft zu ermutigen und ihr Perspektiven für ein Leben mit dem Kind zu eröffnen; sie soll ihr helfen, eine verantwortliche und gewissenhafte Entscheidung zu treffen. Dabei muß der Frau bewußt sein, daß das Ungeborene in jedem Stadium der Schwangerschaft auch ihr gegenüber ein eigenes Recht auf Leben hat und daß deshalb nach der Rechtsordnung ein Schwangerschaftsabbruch nur in Ausnahmesituationen in Betracht kommen kann, wenn der Frau durch das Austragen des Kindes eine Belastung erwächst, die so schwer und außergewöhnlich ist, daß sie die zumutbare Opfergrenze übersteigt. Die Beratung soll durch Rat und Hilfe dazu beitragen, die in Zusammenhang mit der Schwangerschaft bestehende Konfliktlage zu bewältigen und einer Notlage abzuhelfen. Das Nähere regelt das Schwangerschaftskonfliktgesetz.

(2) Die Beratung hat nach dem Schwangerschaftskonfliktgesetz durch eine anerkannte Schwangerschaftskonfliktberatungsstelle zu erfolgen. Die Beratungsstelle hat der Schwangeren nach Abschluß der Beratung hierüber eine mit dem Datum des letzten Beratungsgesprächs und dem Namen der Schwangeren versehene Bescheinigung nach Maßgabe des Schwangerschaftskonfliktgesetzes auszustellen. Der Arzt, der den Abbruch der Schwangerschaft vornimmt, ist als Berater ausgeschlossen."

Der Paragraf stammt aus dem Jahr 1933. Zur Zeit des Nationalsozialismus waren es mehr bevölkerungspolitische Interessen, die im Vordergrund standen. Es ist darum nicht verwunderlich, dass der damalige Gesetzgeber die Strafbestimmungen gegen die Abtreibung ausdehnte. Er vertrat den Standpunkt, dass durch zu lockere Abtreibungsgesetze und öffentliches Bewerben des Schwangerschaftsabruchs bei den Frauen oftmals erst der Entschluss zur Abtreibung geweckt oder doch zumindest erheblich gefördert würde. Aus diesem Grund wurde auch das öffentliche Anbieten von Abtreibungen unter Strafe gestellt.

Kurzinformation zu Paragraf 219a StGB

Wie ist der Ablauf bei einem Schwangerschaftabbruch, welche Fristen gibt es und unter welchen Umständen ist er möglich?

Es ist eine Tatsache, dass es zu allen Zeiten und überall auf der Welt Frauen gab und gibt, die Schwangerschaften abgebrochen haben oder abbrechen werden. Finden Frauen in ihrer Not keine Ärztin oder einen Arzt, die/der den Abbruch sachgemäß und einwandfrei durchführt, werden Schwangerschaften oftmals unsachgemäß beendet. Das hat schon unendlich viele Frauen das Leben gekostet oder sie behielten körperliche Schäden, wie Unfruchtbarkeit, zurück.

In Westdeutschland war die Lage ungewollt schwangerer Frauen noch bis vor wenigen Jahrzehnten dramatisch. Seit 1995 ist in Deutschland ein Schwangerschaftsabbruch verboten, unter bestimmten Umständen bleibt er jedoch straffrei: Bei Gefahr für das Leben der Frau, nach einer Vergewaltigung und bei einer schweren Schädigung des Fötus.
Ein Abbruch ist ebenfalls straffrei, wenn sich eine Frau in den ersten drei Monaten an ein genau vorgegebenes Prozedere hält. Sie muss sich zu Schwangerschaft und Abbruch neutral beraten lassen, auch wenn sie sich sicher ist, dass sie einen Abbruch will und nicht unter einem "Schwangerschaftskonflikt" leidet.

In der DDR gab es ab 1972 die "Fristenlösung", das heisst, jede Frau konnte bis zur zwölften Schwangerschaftswoche einen Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassen. Es gab keine Beratungspflicht und der Abbruch war kostenlos. Im Wende-Jahr 1989/90 wurde das DDR-Gesetz sofort unter Beschuss genommen. Es waren die Kirchenvertreter in allen Fraktionen und in den Ausschüssen, die das so nicht weiter erlauben wollten und eine strengere Lösung beziehungsweise eine neutrale Vorab-Beratung forderten. Ärzten wurde die Beratung fortan untersagt, wenn sie einen Abbruch selbst durchführen. Ansonsten können auch Ärzte mit entsprechender Zulassung eine Beratung durchführen.Foto: Eva Waldschhütz

Krankenkassen zahlen für Schwangerschaftsabbrüche nicht, es sei denn, das Leben der Frau ist in Gefahr oder nach einer Vergewaltigung. Frauen mit geringem Einkommen erhalten finanzielle Unterstützung aus einem Fonds, das heißt die Kosten des Abbruchs werden vollständig übernommen

Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes wurden im Jahr 2017 etwas mehr als 100.000 Frauen ungewollt schwanger und ließen einen Abbruch durchführen.

Mutige Ärztinnen als Vorreiter für eine Gesetzesänderung

Einige Ärztinnen und Ärzte haben sich in den letzten Jahren für eine Änderung des Paragrafen 291a beziehungsweise für eine Abschaffung besonders stark gemacht, wie zum Beispiel Kristina Hänel, niedergelassene Allgemeinärztin aus Giessen, die im Jahr 2017 zu einer Geldstrafe verurteilt wurde, weil sie auf ihrer Homepage - neben anderen Leistungen - auch den Schwangerschaftsabbruch anbot.
Angezeigt hatte sie ein selbsternannter 'Verfechter für das Leben" aus Kleve, der es sich seit Jahren zum Hobby macht, Ärzte anzuzeigen, die auf ihrer Homepage für den Schwangerschaftsabbruch werben. Laut eigener Aussage in einem Interview müßten das etwa 60-70 Anzeigen gewesen sein.


Auch Nora Szász, niedergelassene Frauenärztin aus Kassel, wurde angezeigt, ihr Prozess findet im August 2018 in Kassel statt.

Schwangerschaftsabbruch - so die Wuppertaler Gynäkologin, Frau Dr. Eva Waldschütz, die mit dem Thema auch mehrfach an die Öffentlichkeit gegangen ist ( "SternTV" und zuletzt "FrauTV" - siehe WDR-Mediathek, Sendung vom 12.7.18 ab Min.15) - sei im Grunde ein alltägliches Thema in der Frauenheilkunde, würde aber nicht konsequent gelehrt. Ob angehende Gynäkologinnen und Gynäkologen lernen, wie man einen Abbruch vornimmt, hinge vom Zufall ab - nämlich davon, an welchem Krankenhaus sie ihre Facharztausbildung machen. Später, bei der ärztlichen Fortbildung, sähe es nicht besser aus.

Die meisten Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten werden ambulant vorgenommen. Der Eingriff zählt, so Dr. Waldschütz, zu den unkompliziertesten Operationen und dauert höchstens 15 Minutenn (inklusiv Narkose). Für sie sind Schwangerschaftsabbrüche selbstverständlicher Teil ihrer gynäkologischen Arbeit. Deshalb stand diese Leistung auch auf der Homepage ihrer Praxis in einer PDF-Datei, die sich interessierte Patientinnen herunterladen konnten.

Die erfahrene Ärztin wurde 2015 angezeigt und zu 6.400 Euro Strafe verurteilt. Seither darf sie diese Leistung auf ihrer Homepage nicht mehr erscheinen lassen. Im Jahr 2008 wurde sie schon einmal wegen einer gleichartigen Tat verurteilt. Das Urteil wurde jedoch nicht vollstreckt, es war gewissermaßen zur Bewährung ausgesetzt.

Diese drei genannten Ärztinnen sind nur einige Beispile von zahlreichen Ärztinnen und Ärzten, die angezeigt und zu einer hohen Geldstrafe verurteilt wurden.

Was plant die Bundesregierung in Sachen Abschaffung oder Neuregelung des § 219a?

Ärzte sollen straffrei über Schwangerschaftsabbrüche informieren dürfen, das ist mittlerweile Mehrheitsmeinung im Bundestag. SPD, Linke, und Grüne sind für die Streichung, die FDP für eine Reform, nur die Die Union und AfD sind gegen eine Änderung.

Begründung der Befürworter: Eine Bevölkerung, die sich im Internet über jede Art medizinischer Behandlung informiert - von der professionellen Zahnreinigung bis zur Herzoperation - erwartet, dass Ärztinnen und Ärzte auch veröffentlichen dürfen, wenn sie Schwangerschaftsabbrüche vornehmen.

Auf dem Bundesparteitag der SPD in Wiesbaden wurde eine Vertagung der Gespräche auf Herbst 2018 beschlossen. Justizministerin Katarina Barley von der SPD soll nun einen neuen Gesetzentwurf erarbeiten.

Weiterführende Informationen

Neben Politik, Ärzten und vielen Frauen, engagieren sich auch diverse Vereine für die Abschaffung des Paragrafen 219a, unter anderem der Frauenverband Courage.

Weitere bereits erschienene Artikel zu diesem Thema finden Sie auf "Solidarität mit Kristina Hänel"

Die Seite Museum für Verhütung und Schwangerschaftsabbruch/DDr. Fiala

informiert zu Themen wie Familienplanung, Betreuung von Frauen mit einer ungewollten Schwangerschaft sowie Müttersterblichkeit.

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