Hannibals Pyrrhussiege über Rom

Dermaßen umfassend und gründlich war die Vernichtung Karthagos, dass nur noch wenige Überreste der einst stolzen Metropole zu finden sind. Dabei konnte es das Karthagische Reich zu seiner Blütezeit durchaus mit der Stärke Roms aufnehmen. Die Punier, wie die ursprünglich aus dem Gebiet rund um das heutige Syrien stammenden Phönizier von den Römern genannt wurden, beherrschten Teile Nordafrikas und gründeten weitere Kolonien auf Sizilien, Sardinien, Korsika sowie in Spanien. Damit geriet die See- und Handelsmacht zwangsläufig auf Konfliktkurs mit dem expandierenden Römischen Reich.

Die logische Konsequenz daraus waren insgesamt drei "punische Kriege", deren Auswirkungen die Antike nachhaltig erschüttern sollten. Der erste dieser Kriege fand von 264 bis 241 v. Chr. statt und endete mit einer vergleichsweise glimpflichen Niederlage Karthagos. Sizilien verlor es an Rom, das die Gunst der Stunde nutzte und sich zusätzlich Korsika und Sardinien einverleibte. Die ungeheuren Reparationszahlungen, die Rom forderte, machten den geschäftstüchtigen Karthagern zwar zu schaffen. Doch über weite Teile seines Machtbereiches behielt es die Kontrolle, auch wenn Rom dank dieses Triumphes die uneingeschränkte Supermacht am Mittelmeer wurde.

 

Hannibals Zug über die Alpen

In die Geschichtsbücher ging Zweite punische Krieg zwischen 218 v. Chr. bis 201 v. Chr. ein. Denn in jener Epoche lenkte einer der berühmtesten Feldherrn aller Zeiten die Geschicke der karthagischen Streitmacht: Hannibal Barkas! Über sein taktisches Genie zu schreiben, würde den Umfang dieses Artikels sprengen. Seine Erfolge und gewagten Manöver sind legendär, allen voran natürlich die Überquerung der Alpen mit geschätzten 50.000 Soldaten und 37 Kriegselefanten. Ein von den Römern als unmöglich erachtetes Unternehmen, bei dem Hannibal einen großen Teil seiner Streitmacht verlor.

 

In weiterer Folge verwüstete Hannibals Heer halb Italien und bescherte den Römischen Legionen eine verheerende Niederlage nach der anderen. Alleine bei der Schlacht von Cannae (216 v. Chr.) rieben die Karthager ein 50.000 Mann starkes römisches Heer fast völlig auf. Ein ungeheurer Triumph – und zugleich eine schier unvorstellbare menschliche Katastrophe! Jede Schlacht auf römischem Boden entschied Hannibal für sich. Den Sturm auf die Stadt Rom selbst wagte er nicht. Die Gründe hierfür sind nicht überliefert. Am Wahrscheinlichsten ist jedoch, dass die Karthager nicht über die erforderlichen militärischen Mittel für einen Angriff verfügten und für eine längere Belagerung die hierfür nötigen Lebensmittelvorräte nicht vorhanden gewesen wären. Allerdings war die Vernichtung Roms ohnehin niemals das Kriegsziel der Karthager gewesen. Lediglich der Römische Einflussbereich sollte erheblich eingeschränkt werden.

 

Doch trotz der verheerenden Niederlagen auf den Schlachtfeldern und eines ungehindert in weiten Teilen des Reiches agierenden Feindheeres, dachte Rom gar nicht daran zu verhandeln. Unter Aufbietung sämtlicher Kräfte holte die antike Supermacht zum Gegenschlag aus. Während Hannibal auf heimischem Boden keine Gelegenheit gegeben wurde, weitere römische Legionen zu vernichten, trug Rom den Krieg nach Spanien, das fest in karthagischer Hand war. Innerhalb kürzester Zeit eroberte Rom die iberische Halbinsel, nahm sämtliche karthagische Stützpunkte ein und besiegte ein zur Verstärkung Hannibals vorgesehenes Heer, das von dessen Bruder Hasdrubal angeführt wurde.

 

Hannibals erste und einzige Niederlage

Ausgerechnet der Sohn des im Kampf gegen Hannibal gefallenen Publius Cornelius Scipio sollte das Verderben über Karthago bringen. Der erst 25-jährige Sohn des älteren Scipio wurde zum Konsul erklärt und entschied, den Feind im eigenen Hinterland anzugreifen. Mit einem über 40.000 Mann starken Heer landete der spätere Scipio Africanus Major in Nordafrika, wo er ein karthagisches Heer in der offenen Schlacht besiegte.

 

Auf Grund dessen wurde Hannibal aus Italien zurückbeordert, um die Stadt vor den Invasoren zu beschützen. Im Vertrauen darauf, bislang jede Schlacht gewonnen zu haben, stellte sich der auf einem Auge erblindete Hannibal Barkas um 202 v. Chr. auf der Ebene von Zama dem blutjungen Scipio, der für seinen Feind gleichermaßen Hass, wie auch Respekt empfand und seine Taktiken sorgsam studiert hatte.

 

Ausgerechnet diese alles entscheidende Schlacht sollte Hannibal verlieren. Roms Triumph war nunmehr vollständig und es konnte den geschockten Karthagern harte Bedingungen für einen Waffenstillstand diktieren. Unter anderem mussten die stolzen Punier ihre gesamte Flotte im Seehafen ihrer eigenen Stadt in Brand setzen – eine ungeheure Demütigung und Ausdruck für Roms typischen Hochmut.

Die Vernichtung Karthagos

Catos Brandreden wider Karthago

"Ceterum censeo Carthaginem esse delendam" – "Im Übrigen bin ich der Meinung, dass Karthago zerstört werden sollte". So beendete der Staatsmann Cato angeblich jede seiner Reden im Senat. Der Grund für seine seltsam anmutenden Worte war das Wiedererstarken Karthagos nach der katastrophalen Niederlage im Zweiten Punischen Krieg. Eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit: Vom einst großen karthagischen Reich war kaum noch etwas übrig, die gesamte Kriegsflotte war vernichtet worden und die wahnwitzigen Reparationszahlungen an Rom hätten jeden anderen Gegner zermürbt.

 

Aber die Karthager schafften eben jenes Unmögliche, führten die Stadt zu neuer Blüte und boten den Römern sogar an, sämtliche auf mehrere Jahre aufgeteilten Reparationszahlungen auf einen Schlag zu begleichen. Rom begann sich zu fragen, ob der als endgültig besiegt angesehene Erzfeind um die Vorherrschaft am Mittelmeer nicht zu alter Stärke zurückfinden und eine neue Bedrohung darstellen könnte.

 

Massinissa mobilisiert Rom

Wenig überraschend entschieden die pragmatischen Römer im Jahr 150 v. Chr., Catos Forderungen in die Tat umzusetzen. Nicht nur heute, auch in antiken Tagen wollten "gute" Gründe gefunden werden, um einen Krieg vom Zaun zu brechen. Diesen lieferte der einst mit Karthago verbündete Massinissa, König der Numiden. Dieser nutzte die Tücken des Friedensvertrags zwischen Karthago und Rom aus, der jegliche Kriegshandlungen der Punier ohne ausdrückliche Zustimmung Roms verbot. Immer wieder fielen seine Streitkräfte in karthagische Herrschaftsgebiete ein, wohlwissend, dass sie sich indirekt unter römischer Schutzherrschaft befanden.

 

In besagtem Jahr 150 v. Chr. lief Karthago den Römern ins offene Messer: Massinissas Provokationen zeigten Wirkungen, als Karthago zum bewaffneten Gegenschlag ausholte und somit Rom einen offiziellen Grund für einen Kriegseintritt auf Seiten der Numiden lieferten. Eine riesige römische Kriegsflotte setzte Richtung Karthago Segel. Die Stadt suchte verzweifelt nach einer Möglichkeit, die Römer zum Abzug zu bewegen und akzeptierte jede Forderung Roms. Zunächst stellte Karthago dreihundert adelige Geiseln, dann lieferte es sämtliche Waffen an das römische Heer ab.

 

Doch schlussendlich stellten die Römer eine unmöglich zu erfüllende Forderung: Die Karthager sollten ihre Stadt räumen und sich fünfzehn Kilometer vom Meerzugang entfernt neu ansiedeln! Dieser Forderung konnte Karthago nicht stattgeben und es kam erneut zum Krieg mit Rom, der im Jahr 149 v. Chr. begann. Trotz erdrückender Überlegenheit und obwohl die Karthager ihre Waffen abgeliefert hatten, schaffte es Rom zunächst nicht, die Stadt zu erobern. Dreizehn Meter hoch sollen die Mauern der Stadt gewesen sein und eine vierzig Kilometer weite Fläche umschlossen haben. Daran bissen sich die Invasoren die Zähne aus.

 

Heldenhafter, aber erfolgloser Widerstand

Daran, und am Mute der Verzweiflung Karthagos. Tag und Nacht arbeiteten die Bewohner an der Produktion von Waffen, Frauen opferten ihre langen Haare, um sie für Schießbögen zu verwenden, die Tempel wurden geplündert, um alles verwertbare Material zu Waffen machen zu können. Jene Verhandlungsführer, die den römischen Forderungen stattgegeben hatten, wurden vom wütenden Mob gelyncht.

 

Bis ins Jahr 146 v. Chr. leistete Karthago heroischen Widerstand, der erst unter dem neuen Befehlshaber Scipio Aemilianus gebrochen werden konnte. Selbst als die römischen Truppen die Mauern durchbrochen hatten, kämpften die Bewohner in einer Häuserschlacht um jeden Handbreit Raum. Als die Kämpfe endlich zu Ende waren, lebten von rund 500.000 Karthagern nur noch etwa 50.000. Von diesen richteten sich viele samt ihrer Kinder, um der Versklavung zu entgehen. Die wenigen Überlebenden wurden in die Sklaverei verkauft, die Stadt komplett geschliffen.

 

Salz auf den Ruinen Karthagos?

Heute ist Karthago einer der nobelsten Vororte der tunesischen Hauptstadt Tunis. Die wertvollsten archäologischen Kostbarkeiten des Landes befinden sich eben dort, wo einst das stolze Karthago herrschte. Übrigens: Die Anekdote, wonach die Ruinen Karthagos mit Salz bestreut wurden, damit dort nie wieder etwas wachse, ist lediglich eine gut erfundene Legende.

 

Wahr ist hingegen, dass vor zweitausend Jahren die Geschichte des Abendlandes, wie wir es kennen, an der Kippe stand. Hätte Hannibal die Römer bezwungen, woran angesichts seiner militärischen Erfolge wohl selbst viele Römer kaum Zweifel hatten, würde unser Europa vermutlich ganz anders aussehen. Vielleicht wären es heute wir, die mit den Folgen der Kolonisationszeit afrikanischer Mächte zu kämpfen hätten …

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