Die Herkunft der Kirchenglocken

Die religiöse Verwendung von Glocken (wenngleich auch in kleinerer Form) ist wesentlich älter als das Christentum. Archäologische Funde in Mesopotamien, Ägypten und Südeuropa belegen ihre mythische Verwendung bereits mehrere Jahrhunderte vor unserer Zeitrechnung. Iranische Reitervölker verwendeten sie ebenso wie Griechen oder Etrusker. Oftmals handelte es sich bei diesen Schellen oder Glöckchen um eine Art Abwehrzauber, welcher in mehreren Gräberkulten sowie im mittelasiatischen Schamanismus seinen Niederschlag fand. Die unter Verfolgung stehende Frühkirche grenzte sich gegen den Einfluss solch anderer Religionen weitgehend ab. Als das Christentum jedoch im Jahr 380 zur Staatsreligion des Römischen Weltreichs wurde, hielten Liberalismus und dogmatische Richtungskämpfe Einzug, in deren Ergebnis so manche "heidnische" Tradition integriert wurde und eine christliche Umdeutung erfuhr.

So fand schließlich auch die Glocke Verwendung in der kirchlichen Praxis. Entsprechend ihrer kultisch-mystischen Herkunft symbolisierte sie im Frühmittelalter zunächst weiterhin vor allem Todesnähe. Ihre Metamorphose vom heidnischen Kult zum christlichen Symbol verdankt die Glocke vermutlich einem gewissen Paulinus von Nola (circa 353/54 bis 431 nach Christus). Dieser gallisch-römische Adelsmann brach eine steile politische Karriere ab, um sich der Religion zu widmen. Als Asket, Priester und schließlich Bischof stand er mit großen Theologen seiner Zeit (Augustinus, Hieronymus) in brieflicher Verbindung und wirkte so an der Entstehung kirchlicher Lehrsätze mit.

Kirchenglocken im Laufe der Geschichte

Mit unseren heutigen Geläuten hatten die ersten Kirchenglocken dennoch nicht viel gemein. Bis ins neunte Jahrhundert hinein wurden die Glockenkörper genietet, was entsprechend klangliche Abstriche mit sich brachte. Auch die ersten Generationen der gegossenen Glocken sollen noch recht blechern geklungen haben. Es handelte sich dabei um korbähnliche Gebilde. Später wandelte sich ihr Aussehen über die Zuckerhutform und birnenartige Glocken bis hin zu den vollendeten Designs "Gotische Rippe" und "Französische Rippe", welche heute am weitesten verbreitet sind. Ende des 15. Jahrhunderts erklang schließlich in Erfurt erstmalig eine Glocke namens Maria Gloriosa, welche hinsichtlich der erreichbaren Klangparameter bis heute Standards setzt.

Kirchenglocken vor Gericht

Doch auch der schönste Glockenklang wird nicht nur Freunde finden. Wie die eingangs beschriebene Szene zeigt, können die Reaktionen auf das kirchliche Geläut recht unterschiedlich ausfallen. Wenn jemand über entsprechende Lärmbelästigung klagt, dann muss dies keineswegs nur das subjektive Empfinden eines notorischen Querulanten sein. Die deutsche Rechtssprechung bis hin zum Bundesverwaltungsgericht musste sich bereits mehrfach mit diesem Thema auseinandersetzen. Im Prinzip stehen sich dabei stets zwei Rechtsansprüche gegenüber:

  1. Die freie Religionsausübung: Je nach konfessioneller Ausrichtung hat das Glockengeläut rufenden, liturgischen sowie symbolischen Charakter und steht als religiöse Handlung daher unter dem Schutz des Grundgesetzes.
  2. Andererseits hat jeder Bürger ein Recht auf Schutz vor unzumutbarer Belästigung. Im konkreten Fall greifen unter anderem die "Technische Anweisung Lärm" sowie das Bundes-Immissionsschutzgesetz.

Oftmals legen jedoch bereits die kommunalen Verwaltungsbehörden fest, was wann wie oft und wie lange vom Kirchturm herab bimmeln darf und erreichen damit einen allgemein akzeptierten Kompromiss. Allen dennoch mehr oder weniger genervten Zeitgenossen sei gesagt: Wer schon einmal in unmittelbarer Nähe einer orientalischen Moschee übernachtet hat und gegen 5.00 Uhr morgens (!) vom Ruf des Muezzin geweckt wurde, wird deutsche Kirchenglocken vermutlich nicht mehr ganz so schlimm finden...

Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel generell keine juristische Auskunft, zum Beispiel durch einen Rechtsanwalt, ersetzen kann.

Quellen:

Bertelsmann Lexikon Geschichte, Bertelsmann Lexikon-Verlag GmbH, Gütersloh 1996

Das große Lexikon in Farbe, Quelle International 1992

Lexikon der Alten Welt, Band1 und 2, Patmos-Verlag, 2001

Info-Website zu Geschichte, Technik und Rechtstellung der Kirchenglocken

Juraforum.de

Donky, am 10.06.2019
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