Der Bosporus

Die Meerenge von Istanbul als Garant für Wohlstand und Macht

Die schmalste Meerenge zwischen den beiden Kontinenten Europa und Asien bildet der Bosporus an dessen Ufer diesseits und jenseits das heutige Istanbul liegt, und der schon in prähistorischer Zeit ein außerordentlich bedeutender Seehandelsweg war. Unzählige Völkerscharen, nutzten die Stelle über Jahrtausende hinweg, um vom einem Kontinent auf den anderen zu gelangen. Spätestens ab der Bronzezeit, also schon lange bevor die ersten Römer diesen Erdteil betraten, bedeutete die Kontrolle des Bosporus ganz offensichtlich Wohlstand und Macht. So verwundert es letzen Endes auch nicht, dass wir ausgerechnet an dieser Naht- und Übergangsstelle jene Stadt finden, welche nicht zuletzt aufgrund der geopolitisch vorteilhaften Lage von zentraler Bedeutung für einen ganzen Staat, sowie dessen historischer Entwicklung wurde, nämlich Konstantinopel, die Hauptstadt des Reiches, das wir seit dem 16. Jh. gemäß des deutschen Humanisten Hieronymus Wolf als das Byzantinisches Reich bezeichnen.

Der Bosporus – Garant für Wohlstand und Macht

Bosporus - Wasserstraße mitten durch Istanbul
Der Bosporus spielt eine wichtige ...

Der Bosporus spielt eine wichtige Rolle als Seeweg zwischen Mittelmeer und Schwarzem Meer

Das alte Byzantion / Byzanz

Handelsniederlassung und Militärstützpunkt

Um das Jahr 660 v. Chr. siedelten sich zunächst griechische Bürger von Megara am Goldenen Horn, an der heutigen Serailspitze, an und gründeten, die nach dem legendären König Byzas benannte Kolonie »Byzantion« (Byzanz) als einen Handels- und Militärstützpunkt. Schon bald scheint die Polis als Umschlagsort für Waren wie etwa Pökelfleisch, Fisch und Getreide von der Krim, das insbesondere für die Versorgung der Großstadt Athen von enormer Bedeutung war, zu prosperieren. Doch sollte es auch dieser Stadt im Grunde nicht viel anders ergehen, als vielen anderen vermögenden Städten ihrer Zeit, die sich allesamt gezwungen sahen, Hab und Gut mittels massiver Befestigungsanlagen gegenüber Angreifern zu schützen und zu verteidigen. Im Laufe seines Bestehens war Byzanz entsprechend gefordert, um zahlreichen Belagerungen vor den Toren standzuhalten aber auch Zerstörungen über sich ergehen zu lassen und letztendlich manche Eroberungen hinzunehmen. Abwechselnd fanden sich Perser, Athener, hellenistische Herrscher und Römer ein, um vor den mächtigen Stadtmauern ihrem Verlangen gewaltsam Ausdruck zu verleihen. Ab dem Jahre 193 n. Chr. tobte ein Bürgerkrieg der folgenschwer für die Stadt sein sollte. Byzantion, das sich beim Thronstreit auf die Seite des damaligen Thronprätendenten Pescennius Niger stellte, wehrte dessen Gegenspieler Septimus Severus zwar einige Zeit ab, wurde jedoch 195 n. Chr. ausgehungert, geplündert und am Ende schließlich seiner Selbständigkeit vollends beraubt. Dies wog umso schwerer, als es sich bei Byzanz um eine Stadt des Reiches handelte, dessen Thron er doch besteigen wollte. Doch das Ende für Byzantion bedeutete auch das nicht. Schon bald begann der gezielte Wiederaufbau und es zog neues Leben ein. Nach einer inneren Umkehr des Septimus Severus und angeblich auf Bitten seines Sohnes Caracalla hin, erhielt die Stadt eine neue Befestigungsmauer und wurde zu neuer Pracht geführt. In den Folgejahren entstand eine systematisch geplante Neustadt mit neuen Straßensystem und Hippodrom im Zentrum, also nach jenen Kriterien, die einer zeitgemäßen urbanen Planung entsprachen. Für die Errichtung des Hippodroms musste das Gelände mit großem Aufwand erst terrassiert werden – die mächtigen und eindrucksvollen Bögen der Substruktion sind noch heute am abschüssigen Gelände gut zu sehen. Aber schon bald sah sich die Stadt, die nicht nur unter großer Kraftanstrengung sondern auch mit einem hohen finanziellen Einsatz wiederhergestellt wurde, wiederholten Bedrohungen ausgesetzt, wie etwa den Bürgerkriegen, unter denen schließlich das gesamte Römische Reich zu leiden hatte.

Byzanz wird Konstantinopel

Entwicklung zum Reichszentrum

Trotz aller Widrigkeiten mit denen die Stadt zu kämpfen hatte, sollten erneut glanzvolle, ja vermutlich sogar die glanzvollsten Zeiten der Stadt am Bosporus anbrechen. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte entfaltete sich Konstantinopel zu einem politischen, wirtschaftlichen, geistigen und nicht zuletzt kulturellen Zentrum des Oströmischen Reiches.

Wenngleich es sicherlich nicht notwendig gewesen wäre, innerhalb des Römischen Reichs eine weitere Metropole entstehen zu lassen (schließlich gab es bereits verschiedene "Zentren"), so entschied sich Kaiser Konstantin dennoch, ein neues Reichszentrum zu erschaffen. Einer der Gründe dafür dürften wohl vor allem die militärischen Probleme im östlichen Teil des Herrschaftsgebiets gewesen sein, die durch eindringende Barbarenvölker aus dem Westen, sowie den Persern als Bedrohung Kleinasiens aus dem Osten, verursacht wurden. Im November des Jahres 323 begannen die Bauarbeiten an einer zweiten Hauptstadt des Imperium Romanum, die am 11. Mai 330 feierlich als Nova Roma – als Neues Rom – eingeweiht wurde und schließlich den Namen "Stadt des Konstantin", Konstantinopel, erhielt.

 Doch fiel die Wahl des Kaisers beileibe nicht sofort auf das alte Byzanz, vielmehr wurde von ihm zunächst die Zweckmäßigkeit von Orten wie Chalkedon, Thessalonike, Sofia und Troia/Ilion geprüft. Gerade letztgenanntes erschien in gewisser Weise interessant, da von hier, so will es zumindest der Mythos, die Gründerfamilie Roms stammte. Die Residenz seines Vorgängers Diokletian, Nikomedeia, erschien ihm am Ende ebenso ungeeignet wie all die anderen, und so entschied er sich für den Ort, der auf einer Landzunge an drei Seiten vom Wasser umgeben war – dem Marmarameer, dem Bosporus und dem Goldenen Horn.

Romulus

Gründervater Roms und Vorbild Konstantins

Auf den ersten Blick mag es abwegig erscheinen, weshalb Konstantin als erster römische Kaiser der sich zum Christentum bekannte, zumindest gemäß der Überlieferung, bei der Stadtgründung ein rein heidnisches Zeremoniell vollzog: Mit einem Pflug soll er die neuen Stadtgrenzen abgeschritten haben, um diese durch eine Ackerfurche zu kennzeichnen. Begleitet wurde das Zeremoniell zudem von Auguren und heidnische Philosophen. Bedenkt man aber, dass der Plan Konstantins darin bestand, ein "Nova Roma" zu schaffen, wird dieses Vorgehen schon verständlicher, da damit eindeutig die Bezüge zu Rom deutlich wurden; schließlich sollte der Überlieferung nach Romulus auf dieselbe Weise seine Stadtgrenze markiert haben. Weiterhin respektierte Konstantin die religiösen Traditionen der ansässigen Heiden, doch dürfte es sich dabei nicht zuletzt auch um rein taktische Erwägungen gehandelt haben, zumal ein Großteil der höheren Gesellschaft noch dem Heidentum anhing.

Konstantinopel – ein Vielfaches von Byzanz

Neugründung oder Ausbau?

 Die Neugründung Konstantinopels kann nicht als eine komplette architektonische Neuordnung betrachtet werden, sondern baute auf die "Vorarbeiten" des Septimus Severus auf und führte zum Teil auch Projekte, die unter diesem begonnen aber nicht vollendete wurden, zu Ende. Bestehende Tempelbauten ließ Konstantin offensichtlich teilweise sogar restaurieren. Plastiken und bildnerische Monumente wurden aus allen Teilen des Römischen Reiches in das neue Zentrum herangeschafft. Von einer Neugründung zu sprechen erscheint dennoch als gerechtfertigt, da er die Stadt, die wie das Vorbild Rom auf sieben Hügeln lag, um ein Vielfaches vergrößerte. Diese Ausweitung war keinesfalls durch einen enormen Bevölkerungszuwachs notwendig geworden; im Gegenteil, Konstantin verwendete einige Mittel und Anreize, um etwa alteingesessene und angesehene römische Familien nach Konstantinopel zu locken. Unter ihm entstand ein durchgeplantes Straßennetz, eine umfangreiche Wasserversorgung mit Zisternen und Wasserleitungen, Hafenanlagen und Speicherbauten. Profanbauten wie Verwaltungsgebäude oder der prunkvolle Kaiserpalast gehörten zu den vorrangigen Bautätigkeiten, doch tat es dem Ansehen eines Herrschers gut, wenn man außerdem Sakralbauten errichtete. Und so ließ Konstantin neben der Erhaltung bestehender heidnischer Stätten, den wohl wichtigsten Bau, die Kirche der heiligen Eirene, ausbauen. Als älteste Kirche von Byzanz soll sie bereits dort gestanden haben, noch bevor Konstantin in Erscheinung trat. Besondere Beachtung scheint Konstantin dem Hippodrom als einem Ort der Unterhaltung und nicht zuletzt auch der Begegnung zwischen Kaiser und Volk geschenkt zu haben. Hierher ließ er zahlreiche, insbesondere aus Griechenland stammende Kunstwerke schaffen und demonstrativ aufstellen. Ein imposantes Bauwerk ist der Valens-Aquädukt (Bozdoğan Kemeri), der sich heute noch über die İstanbuler Stadtteile Sarachane und Zeyrek erstreckt, und unter Konstantin begonnen und 378 unter Kaiser Valens fertig gestellt wurde. Als Mausoleum für Konstantin diente Endes der von ihm begonnene und unter seinem Sohn vollendete Bau der Apostelkirche.

Wie die Jahrhunderte zuvor, blieb Konstantinopel nach dem Tod Konstantins weiterhin zahlreichen Angriffen ausgesetzt und war keineswegs unverwundbar. Aufgrund zahlreicher Zerstörungen und der Errichtung neuer Gebäude ist heute nur noch wenig bauliche Substanz aus der Zeit Konstantins vorhanden.

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