Früher oder später (meistens früher) laufen sie uns entweder auf Celluloid oder Papierseiten über den Weg: Winnetou und Old "Scharlie" Shatterhand. Und wir können nicht anders, als uns von soviel Edelmut und gelebter Freundschaft angezogen zu fühlen. Irgendwie ist das etwas Besonderes; etwas, das über "gewöhnliche" Beziehungen weit hinaus geht. Seelenverwandtschaft trotz der kulturellen Unterschiede. Vielleicht macht das die Faszination in dieser Verbindung aus, doch was mich betrifft, so hatte Karl May mit dieser fiktionalen, ein wenig romantisierten Vorstellung einer Männerfreundschaft einen nachhaltigen Effekt: Ich lese bevorzugt Bücher, in denen es genau darum geht.

Tief beeindruckt hat mich dabei "Zeit der Nähe" von William Maxwell.

Diese Geschichte von zwei ungleichen Freunden ist ein Klassiker der modernen amerikanischen Literatur. Tief anrührend erzählt Maxwell von Glück und Leid einer Freundschaft im Chicago der 1920er Jahre und den Schwierigkeiten, erwachsen zu werden.

Charles "Spud" Latham ist ein athletischer Typ, ein ehrgeiziger Boxer. Aber er ist nicht so intelligent wie Lymie Peters, dem er beim Schwimmen das Leben rettet und der daraufhin auf schüchterne Art Anschluss sucht, den er findet, als Spud ihn zu sich nach Hause einlädt. Es entsteht eine Freundschaft, bei der der Starke dem Schwachen hilft, der Intelligente dem weniger Klugen. Die Freundschaft bekommt Risse, als sich Sally, die hübsche Tochter des Professors, um Lymie kümmert. Ausgerechnet Spud, der vom Erfolg verwöhnte Sportler, dem alles gelingt, verzehrt die Eifersucht... der hin und hergerissene, harmoniebedürftige Lymie ergreift eine für ihn untypische Maßnahme, diesem Zustand ein Ende zu setzen.

Selten war ich so bewegt von einer Geschichte, die eigentlich wenig spektakulär erzählt wird und darum gerade eine wirkliche Entdeckung für mich war und vielleicht auch meinen persönlichen Schreibstil und die Wahl meines Genres beeinflusst hat.

Literarische Schmankeln über Männerfreundschaften
Zeit der NäheAbgebrannt in Mississippi: RomanVom Ernst des Lebens

Ebenfalls lesenswert ist Mark Childress' "Abgebrannt in Mississippi". Mir fiel auf, dass er sich bei diesem Roman William Maxwell zumindest teilweise zum Vorbild genommen zu haben scheint. Eine Jungenfreundschaft zweier Außenseiter wird durch einen Dritten im Bunde empfindlich gestört.

Eine spannende, humorvolle Geschichte über eine Highschool-Freundschaft zweier Jungs Anfang der 1970er Jahre. Daniel - aufgrund unzähliger beruflicher Umzüge des Vaters mit der Familie eher ein Außenseiter - lernt auf seiner neuen Schule den ebenso einzelgängerischen wie rätselhaften Tim kennen. Gemeinsam treten sie einer Hippie-Kirchencombo bei, besuchen Sonny & Cher-Konzerte und stellen allerlei pubertären Unsinn an. Die schwarze "Schönheitskönigin" Arnita trübt aber bald die Freundschaft, als Daniel als Weißer sich in sie verliebt - ein Skandal! Erstaunlicherweise ist niemand darüber erboster als Tim selbst, besonders als Arnita nach einem folgenschweren Unfall - in den Daniel und Tim verwickelt sind - das Gedächtnis verliert und sich für eine Weiße hält. Es kommt zu Reibereien, denn sowohl Arnita als auch Daniel haben mehr Verehrer auf der Schule als geahnt.

Besonders der Schluss hat es in sich und kommt sehr überraschend. Ein Buch, über das ich noch lange nachdenken musste und bei mir die Frage aufwarf: kommen beide Autoren der Realität nahe? Gibt es tatsächlich so etwas wie rasende Eifersucht in einer gleichgeschlechtlichen Freundschaft, aus der auf den ersten Blick nicht mehr werden kann? Wäre so etwas auch unter Frauen möglich und haben Winnetou und Old Shatterhand und Franz Leitmayr und Ivo Batic aus dem bayerischen Tatort möglicherweise deshalb nie (eine Frau) geheiratet?

Was meint ihr zu dem Thema? Sehr willkommen sind auch Kommentare und persönliche Beobachtungen.


Sind Männer in einer Freundschaft besitzergreifender als Frauen? Wenn ja, weshalb?
Autor seit 13 Jahren
77 Seiten
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