Auf ihn mit Gebrüll

Es wird wohl kaum der Wunsch von Mario Götze gewesen sein, dass die Nachricht über seinen Wechsel zu Bayern zu diesem Zeitpunkt die Runde macht. Der Tagesspiegel berichtet von über 7000 Followern, die der 20-Jährige aktuell pro Stunde verliert. Die Bild berichtet, dass der BVB mit Polizeiaufgebot beim Training aufläuft. Wüste Beleidigungen und Beschimpfungen muss Götze im Netz über sich ergehen lassen und wird dann auch noch dafür angegriffen, dass er die Kommentarfunktion bei Facebook sperren lässt.

Die Sport-Medien springen auf den Zug mit auf. Lothar Matthäus sagt gegenüber Sky Sport News HD der Spieler sei "unglaubwürdig" und "Das schadet dem ganzen Fußball". Während der Focus schreibt "Götze schockt den BVB", fasst der Kölner Stadt Anzeiger zusammen: "Die Frage ist eher, ob die Münchner Götze überhaupt in ihrem Luxus-Kader benötigen? Oder wollen sie wieder nur einen direkten Konkurrenten schwächen? Die Antwort: zweimal ja."

Im Moment sieht es so aus, als schmeiße jeder gerne den ersten Stein und nur wenige Dortmunder Fans halten nach wie vor zu ihrem Spieler. Es kann nicht sein, dass ein 20-Jähriger sich von über 50-jährigen Dauerkartenbesitzern beleidigen lassen muss. Dafür reicht dann auch das Verständnis gegenüber Bergbauarbeitern, die noch immer ihr letztes Hemd für eine BVB-Karte hergeben nicht mehr – sorry, Hans Sarpei.

 

Fiktives Interview mit einem BVB-Fan

Wirklich so überraschend?

Mario Götze gilt als deutsches Juwel und mit Pep Guardiola kommt der Trainer, der den FC Barcelona zum Non-Plus-Ultra des europäischen Fußballs formte. Schon lange galt Götze als Guardiolas Wunschspieler und wenn ein 20-jähriger die Chance bekommt der "deutsche Messi" zu werden zögert er nicht lange. Das hätte keiner getan. Vor zwei Jahren schlug Götze ein Angebot von Arsenal aus mit dem Nachsatz noch zwei Jahre beim BVB spielen zu wollen. Jetzt, zwei Jahre später ist das also eine Überraschung? Und: Wenn es Götze nur auf das Geld ankommt – warum dann nicht zu Arsenal oder dem Scheich-Klub Manchester City, die ebenfalls Interesse hatten? So haben es schließlich andere Juwele wie Nasri, Aguero und Co auch getan?!

Die Wahrheit ist doch: Wer sich eine Ausstiegsklausel in den Vertrag schreiben lässt, der hat auch den Hang zum Wechsel. Wer zwischen den Zeilen lesen kann anstatt nur auf eindeutige Statements zu warten, der weiß das.

Phoenix aus der Asche again!

Jetzt erhält Dortmund wenigstens noch eine prächtige Summe Euros. Abgesehen davon hinterlässt Mario Götze auch sportlich keine große Lücke bei den Borussen. Nach Nuri Sahin ging es weiter, nach Shinji Kagawa ging es weiter und es wird auch jetzt weiter gehen.In den eigenen Reihen lauern bereits neue Juwele, von außerhalb werden junge Talente wie Isco oder Herrmann mit der Borussia in Verbindung gebracht. Der Götze-Transfer, die direkte Qualifikation zur nächsten Champions League und der aktuelle Lauf in der Königsklasse spült genug Geld in die Kassen der Dortmunder, dass auch der Ruhrpott-Klub finanziell die Muskeln spielen lassen kann - und wird. Noch dazu haben die Schwarz-Gelben mit Jürgen Klopp einen der besten Trainer Deutschlands in ihren Reihen.

Noch immer hat der BVB den Ruf der Talentförderung und des gemeinschaftlichen Miteinanders. Des Spaß-Fußballs, der sich mit großem Erfolg paart. Leider tritt ein Großteil der Fans diesen Ruf öffentlich immer wieder mit Füßen. Schon vor ein paar Wochen, als nur ein sinnlose Bild-Gerücht über Felipe Santanas Wechsel zum Erzrivalen Schalke ausreichte. Schnell waren Santanas Verdienste vergessen. Er war nur noch der "Judas". Obwohl der Brasilianer seit Jahren ohne zu Meckern auf der Bank saß und sich den Ruf des besten Ersatzspielers der Liga erarbeitete.

 

Fan-Reaktionen auf Götzes Facebook-Seite

Blind vor Wut - Bayern kauft alles kaputt? Nein.

Und Marco Reus? Borussia Dortmund angelte sich den Youngster ebenfalls für eine festgeschriebene Summe, ebenfalls von einem direkten Konkurrenten (Gladbach wurde in der Saison Vierter). Ist Reus ein "Judas", von Borussia zu Borussia? Die BVB-Fans haben schnell ihr Argument parat. Reus ist Dortmunder. Der darf das. Und Mario Götze? Der ist im Bundesland Bayern geboren. Er darf das aber nicht. Und die Bayern? Die kaufen die Konkurrenz kaputt. Wirklich?

Neuer (Schalke), Starke (Hoffenheim), Dante (Gladbach), van Buyten (Hamburg), Gustavo (Hoffenheim), Pizarro (Bremen), Mandzukic (Wolfsburg), Gomez (Stuttgart) – sie alle wurden tatsächlich von deutschen Klubs nach München gelotst. Und der BVB? Subotic (Mainz), Hummels (Bayern), Owomoyela (Bremen), Kirch (Kaiserslautern), Piszczek (Berlin), Kehl (Freiburg), Bender und Leitner (beide 1860 München), Gündogan (Nürnberg), Reus (Gladbach), Bittencourt (Cottbus), Großkreutz (Ahlen) und Schieber (Stuttgart). Aktuell haben die Dortmunder im Inland deutlich stärker gewildert.

Fake-Bild - Götze im Bayerntrikot

Haltet ein, ihr Romantiker - Er ist nur ein Mensch!

Natürlich kann man die Fans verstehen, schließlich geht mit Mario Götze ein Gesicht des Vereins. Selbst der neutrale Fußballfan fand Gefallen daran, dass mit Götze und Dortmund etwas wuchs, das den Bayern Einhalt gebieten konnte. Neue Zeiten sollten anbrechen. Nun wechselt Götze die Seiten. Enttäuschung ist verständlich. Nur darf dabei einfach nicht vergessen werden, dass Emotionen zwar erlaubt sind, aber nicht eskalieren dürfen. Für ein einzelnen Fans ist es ein Post, vielleicht sogar mit einem Augenzwinkern. Für den Spieler sind es weit über tausend Posts mit Drohungen, Beleidigungen und Hassparolen. Und – und das kann gar nicht oft genug betont werden – er ist erst 20 Jahre alt.

Vielleicht ist der Vergleich zu den Depressions-Problemen Robert Enkes oder Sebastian Deislers noch weit hergeholt, aber, die öffentliche Medienhetze und der Shitstorm im Netz werden auch nicht spurlos an Mario Götze vorbeigehen.

Schon jetzt hat er 74 Torbeteiligungen in 114 Einsätzen für den BVB auf seinem Konto. Warum nicht einfach dankbar sein, auch wenn er zum fragwürdigen FC Bayern München geht? Auspfeifen gerne. Alles darüber hinaus ist aber zuviel. Was sollen die jungen BVB-Neulinge denken? Die Bittencourts und Leitners? Die BVB-Fans hätten die Chance gehabt, hier Größe zu zeigen. Leider haben viele das nicht getan.

Mario Götze - Daten

20 Jahre alt
Geboren in Memmingen
Marktwert bei tm auf 42 Millionen Euro geschätzt
114 Spiele für Dortmund
22 Spiele für Deutschland
Position: Offensives Mittelfeld

Bayern-Transfers - Kommende Saison

Mario Götze: 37 Millionen Euro
(von Borussia Dortmund)
Jan Kirchhoff: ablösefrei
(von Mainz 05)

Gerüchte: u.a. Julian Draxler (Schalke), Sebastian Rode (Frankfurt)

Autor seit 11 Jahren
41 Seiten
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