Österreichs Wunderteam der 1930er Jahre

Bis zum Anschluss an Deutschland stellte Österreich ein fast unschlagbares Fußballteam. Die Mannschaft rund um Kapitän Sindelar deklassierte fast sämtliche europäischen Topp-Mannschaften. Zu den bemerkenswertesten Ergebnissen zählen ein 6:0 in Berlin gegen Deutschland (der höchste Sieg, der je gegen den "großen Bruder" gelang) sowie ein 8:2 gegen Ungarn.

Im Londoner Wembley-Stadion verlor Österreich zwar 3:4, doch kassierten die Engländer zum ersten Mal überhaupt bei einem Heimspiel mehr als einen Gegentreffer.

Ansonsten gab es fast durchwegs Siege, was Österreich zum logischen Anwärter auf den Gewinn der Fußballweltmeisterschaft 1934 in Italien machte.

Diesen Ambitionen machte jedoch der italienische Diktator Mussolini einen Strich durch die Rechnung. Mussolini wollte die italienische Mannschaft unter allen Umständen siegen sehen und bestach die Schiedsrichter. Im Semifinale traf Österreichs Auswahl auf Italien und unterlag 0:1. Wenig überraschend, bedenkt man die eklatanten Regelverstöße seitens der Italiener oder einen höchst parteiischen Schiedsrichter, der die Flanke eines österreichischen Spielers persönlich wegköpfte. Nach dieser Enttäuschung ging sogar das Spiel um Platz 3 gegen Deutschland verloren.

Das Fast-Wunder von Bern

Nach dem Anschluss 1938 an Deutschland verschwand der österreichische Fußball von der internationalen Bühne. Doch bereits kurz nach Kriegsende und der Wiederherstellung der Republik Österreich ergriff die alte Fußballbegeisterung die Massen. Im Dezember 1945 bejubelten über 60.000 Zuschauer im Wiener Praterstadion ein 4:1 gegen Frankreich.

Weltklassespieler wie Gerhard Hanappi, Namenspatron der Heimstätte Rapid Wiens, oder Ernst Ocwirk sorgten für eindrucksvolle Resultate. So wurde in der Qualifikation zur Weltmeisterschaft 1954 Portugal mit 9:1 besiegt.

Es nimmt wenig Wunder, dass Österreich als Geheimfavorit zu den Weltmeisterschaften in der Schweiz antrat und dieser Rolle zunächst gerecht wurde. In der Vorrunde wurde unter anderem die Tschechoslowakei mühelos mit 5:0 besiegt

Der erste Härtetest folgte im Viertelfinale gegen den Gastgeber. Nachdem Tormann Kurt Schmied einen Sonnenstich erlitten hatte und auf Grund des damaligen Reglements nicht ausgewechselt werden durfte, hatten die Schweizer anfangs leichtes Spiel und lagen rasch mit 3:0 in Führung. Dennoch konnte das Team mit dem späteren Weltklasse-Trainer Ernst Happel in seinen Reihen das Spiel noch drehen und gewann mit 7:5. Bis heute ist dieses Spiel das trefferreichste der WM-Geschichte.

Diesem Triumph folgte die schmerzlichste Niederlage im Rahmen einer Weltmeisterschaft. Außenseiter Deutschland fertigte die österreichische Equipe mit 6:1 ab.

Der abschließende 3:1-Sieg im "kleinen Finale" gegen den zweifachen Weltmeister Uruguay mag da nur ein kleines Trostpflaster gewesen sein – gleichwohl verbleibt Platz 3 als größter errungener Erfolg überhaupt.

Für Aufsehen im Europapokal der Meister sorgte 1958 das 7:0 des Sportklubs gegen den italienischen Meister Juventus Turin.

Der unaufhaltsame Abstieg

Nach erfolgreicher Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1958 in Schweden, war Österreich in einer Gruppe mit Brasilien, England sowie der Sowjetunion völlig chancenlos und landete mit nur einem Punkt an letzter Stelle.

Die Weltmeisterschaft 1962 in Chile fand ohne österreichische Beteiligung statt. Zwar hatte sich das Team souverän qualifiziert, doch die weite Reise nach Südamerika war dem Verband zu teuer, weshalb er auf die Teilnahme verzichtete.

Nun folgte eine lange Durststrecke für den österreichischen Fußball. Erstmals überhaupt scheiterte man 1966 an einer WM-Qualifikation.

Auch die Weltmeisterschaft 1970 ging ohne Österreich über die Bühne.

Besonders schmerzlich war die verpasste Qualifikation für die WM im Nachbarland Deutschland 1974. Das Entscheidungsspiel gegen Schweden ging trotz drückender Überlegenheit verloren.

Cordoba – der Beginn einer Legende

Umso größer der Jubel, als nach zwanzigjähriger Absenz endlich wieder eine Weltmeisterschaft mit österreichischer Beteiligung stattfand. Die mit nur wenigen Legionären angetretene Mannschaft gewann als vermeintlicher "Jausengegner" die enorm stark gespickte Gruppe mit Brasilien, Spanien und Schweden, und zog somit in die Zwischenrunde ein.

Dort ging es gegen Holland, Italien und Deutschland um den Einzug ins Finale. Erwartungsgemäß chancenlos war man im Spiel gegen die vom Österreicher Ernst Happel trainierten Holländer. Das 1:5 zerstörte jede Hoffnung auf eine weitere Sensation.

Gegen Italien setzte es ein unglückliches 0:1 und somit die Gewissheit des Ausscheidens.

Aus österreichischer Sicht war das letzte Gruppenspiel gegen Deutschland nur noch ein Prestigeduell, während der amtierende, bis dato ungeschlagene Weltmeister sogar noch theoretische Chancen aufs Finale hatte. Doch zwei Tore von Hans Krankl und ein Eigentor Berti Vogts ermöglichten in Cordoba ein sensationelles 3:2, das Deutschland aus allen Titelträumen riss.

Obgleich Platz 7 in der Endabrechnung bei weitem nicht das beste Abschneiden Österreichs bei einer Fußball-Weltmeisterschaft darstellte, ist es vor allem der Sieg gegen Deutschland, der einen heimischen Fußball-Mythos begründete.

Außerdem legten die spektakulären Erfolge den Grundstein großer Karrieren einiger noch sehr junger Spieler. So wechselte etwa Hans Krankl von Rapid Wien zum FC Barcelona, wo er auf Anhieb zum Torschützenkönig der spanischen Liga avancierte. Aber auch Herbert Prohaska oder Walter Schachner legten eindrucksvolle Karrieren in Italien hin.

Auf Klubebene gelang der Wiener Austria im gleichen Jahr der Einzug ins Finale des Europacups der Cupsieger, das jedoch klar mit 0:4 gegen Anderlecht verloren ging.

Die Schande von Gijón

Die Vorgruppe der Weltmeisterschaft in Spanien brachte ein Wiedersehen mit Deutschland, das bereits die Qualifikationsgruppe gegen Österreich bestritten und souverän gewonnen hatte. Nach zwei Siegen gegen Chile und Algerien war Österreich auf dem besten Weg in die zweite Runde, während Deutschland nach einer sensationellen Niederlage gegen Algerien unbedingt einen Sieg brauchte. Dem raschen Führungstor für Deutschland folgte das, was als "Nichtangriffspakt" in die Fußballgeschichte einging, da dieses 1:0 beiden Mannschaften das Weiterkommen sicherte.

Während sich Deutschland immerhin ins Finale kämpfte, war für Österreich in der zweiten Runde Schluss.

Durchwachsene 1980er Jahre

Viele ehemalige Stammspieler und Stützen der Nationalmannschaft waren in die Jahre gekommen oder hatten ihre Karrieren beendet. Das Scheitern in der Qualifikation für die WM 1986 war somit wenig überraschend.

Erfreulicher war das Auftreten Rapid Wiens im Europapokal der Pokalsieger 1985: Zwar ging das Finale gegen Everton klar 1:3 verloren, dennoch war der Finaleinzug ein großer Erfolg.

Blamable Auftritte in Italien …

Nicht nur die souverän gewonnene Qualifikationsgruppe gegen Schottland und Schweden, sondern auch aufsehenerregende Resultate in Freundschaftsspielen – ein Auswärtssieg in Spanien, ein Sieg gegen Europameister Holland – sorgten für letztendlich übertriebene Erwartungen. Anstatt sich in der Gruppe mit Veranstalter Italien, der Tschechoslowakei und den USA zumindest Platz 2 zu sichern, schied die Mannschaft rund um Stars wie Andreas Herzog, Torschützenkönig Toni Polster oder Wolfgang Feiersinger sang- und klanglos aus.

… und auf den Färöer-Inseln

Zur Lachnummer geriet der erste Auftritt der österreichischen Nationalmannschaft zur Europameisterschafts-Qualifikation 1992: Auf den erstmal in einem Bewerb spielberechtigten Färöer-Inseln setzte es nach überheblicher Spielweise ein 0:1. Teamchef Hickersberger nahm nach dieser peinlichen Blamage den Hut.

Starke Klubmannschaften

Zwar misslang die Qualifikation für die WM 1994 in den USA, doch auf Klubebene wussten die österreichischen Vereine zu überzeugen. Es war vor allem Austria Salzburg zu verdanken, dass das Image des heimischen Fußballs enorm aufpoliert wurde. Auf dem Weg zum ersten Meistertitel überhaupt, spielte Austria Salzburg als amtierender Vizemeister im UEFA-Cup groß auf. Mit Siegen unter anderem gegen Eintracht Frankfurt und dem Karlsruher SC erreichte Salzburg das Finale.

Nach einer 0:1-Heimniederlage gegen Inter Mailand musste ein Sieg im Retourspiel her. Trotz zahlreicher Chancen (unter anderem pendelte der Ball nach einem Schuss aufs Tor der Mailänder zwischen den Stangen umher und sprang schließlich in den Strafraum zurück) ging auch das Rückspiel 0:1 verloren.

Ein Jahr später qualifizierte sich Salzburg für die erstmals ausgetragene Champions League, erreichte gegen die damals überragende Ajax-Amsterdam-Mannschaft zwei Remis, scheiterte jedoch auf Grund des schlechteren Torverhältnisses am AC Mailand.

Im nächsten Jahr stand Rapid Wien erneut im Finale des Europapokals der Pokalsieger, und wieder ging dieses verloren, diesmal mit 0:1 gegen Paris St. Germain.

Kurzes Aufflackern alter Stärke

Mit 8 Siegen in 10 Spielen gewann Österreich die Qualifikationsgruppe für die WM in Frankreich überlegen und rechnete sich berechtigte Chancen in der Vorgruppe mit Italien, Chile und Kamerun aus. Bereits das erste Spiel gegen Kamerun endete mit einem enttäuschenden Unentschieden, und auch das Spiel gegen Chile konnte nicht gewonnen werden. Italien erwies sich im dritten Gruppenspiel zwar nicht als übermächtiger, aber abgebrühter Gegner und gewann.

Es sollte das (vorläufig) letzte Spiel Österreichs bei einer Weltmeisterschaft sein.

1999 brachte in der Qualifikation zur EM 2000 eine historische Niederlage: Spanien deklassierte Österreich in Valencia mit 9:0. Legendär das Pauseninterview des Verteidigers Anton Pfeffer beim Stand von 0:5: "Hoch gwinna werd ma heut nimma" ("Hoch werden wir heute nicht mehr gewinnen").

Toni Pfeffers legendäres Halbzeitinterview beim 0:9 gegen Spanien

Stürmische Champions League und tiefer Fall

Für die letzten positiven Schlaglichter sorgte Sturm Graz. Ebenso wie Austria Salzburg wenige Jahre zuvor, erfolgte der Aufstieg des bis dato wenig erfolgreichen Vereins rasch und spektakulär: Als einziger österreichischer Verein gewannen die Steiermärker eine Champions-League-Gruppe und stiegen in die zweite Gruppenphase auf, wo dann allerdings Schluss war.

Seither blieben österreichische Erfolge sowohl auf Klubebene, als auch mit der Nationalmannschaft völlig aus. Die Gründe hierfür sind mannigfaltig und, wie dies meist der Fall ist, nicht bei einem Faktor allein zu suchen.

Deshalb bleibt österreichischen Fußballfans bis auf weiteres nur der verklärte Blick zurück, um angesichts der derzeitigen Situation nicht völlig zu verzweifeln.

Autor seit 13 Jahren
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