Grüne Energie verkommt zum Zahlenspiel

Verbraucher, die sich für einen Ökostromtarif entscheiden, erhalten nicht zwangsläufig Energie, die auf Sonne, Wind, Wasser oder Biomasse basiert. Woher genau der Strom stammt, bleibt bei vielen Versorgern ein Geheimnis. Theoretisch wäre es möglich, so das Internationale Wirtschaftsforum Regenerative Energien (IWR), dass Stadtwerke Atomkraft kaufen und dennoch 30 Prozent Strom aus regenerativen Quellen ausweisen. Denn entscheidend ist nur, wie viel Geld die Kunden aus der Region des Versorgers auf das EEG-Konto einzahlen. Anhand der EEG-Umlage wird dann fiktiv die EEG-Strommenge berechnet. Der Ökostrom existiert somit nur auf dem Papier. Denn rein rechtlich ist es nicht relevant, woher der Strom bezogen wird. Wird auf der Rechnung ein Anteil "erneuerbare Energien gefördert nach dem EEG" ausgewiesen, handelt es sich also nur um ein "Zahlenspiel", nicht um konkrete Daten.

Solaranlage

Solaranlage (Bild: PublicDomainPictures / Pixabay)

Woher stammt der Strom?

Selbst wenn es sich um Ökostrom handeln sollte. Woher kommt er? Vom Nachbarn, der Windräder betreibt, vom örtlichen Wasserkraftwerk oder den Solaranlagen der neuen Wohnsiedlung? Eher selten. Oft, das ergaben mehrere Studien, wird Ökostrom aus dem Ausland vermarktet. Etwa aus norwegischen und österreichischen Wasserkraftwerken, die längst abgeschrieben sind. Die Energieversorger erhalten ein entsprechendes Zertifikat. Damit wird bestätigt, dass es sich um grünen Strom handelt. Über andere Tarifmodelle kann dann auch weiterhin Kohle- und Atomstrom geliefert werden. Für Kunden ist es damit nicht nachvollziehbar, wie grün ihr Strom ist, wie er produziert wurde und ob sich der Versorger der Energiewende verschrieben hat. Daran regt sich zunehmend Widerstand. Insbesondere Ökostromanbieter, die ihrem Ruf gerecht werden wollen, pochen auf Änderungen und neue Vermarktungsmodelle.

In Planung: das Grünstrom-Markt-Modell

Gewünscht ist ein Grünstrom-Markt-Modell. Den Anstoß dazu lieferte ein Zusammenschluss von Ökostromanbietern. Ihre Idee: Kunden soll eine nachvollziehbare Versorgung mit grünem Strom garantiert werden. Dazu setzen die Firmen auf direkte Vermarktung. Statt den Ökostrom an der Börse "grau" werden zu lassen, sollen die Produzenten von Wind- und Solarenergie den Strom an die Versorger verkaufen. Damit wäre es für die Unternehmen möglich, den Strom samt Herkunftsnachweis anzubieten. Denn – so die Erfahrung der Firmen: Ökostromkunden wollen wissen, aus welchen Anlagen der Strom stammt. Das geplante Modell bietet also gleich mehrere Vorteile. Versorger können Verbrauchern Brief und Siegel geben, dass es sich um grünen, idealerweise regional erzeugten Strom handelt. Außerdem entfällt die Ökostromumlage.

Zertifikate für Ökostrom

Bis dieses Modell greift – wenn überhaupt –, werden vermutlich noch ein paar Jahre vergehen. Verbraucher, die weitgehend auf Nummer sicher gehen wollen, dass sie mit grünem Strom beliefert werden, müssen sich bis dahin auf Zertifikate verlassen. Davon gibt es mehrere, etwa "Ok-Power" vom Verein Energieversion oder das "Gold-Siegel" vom Verein Grüner Strom Label. Versorger, die ein solches Zertifikat führen wollen, müssen zumindest einen Teil ihrer Einnahmen in den Ausbau der regenerativen Energien investieren. Zudem ist es erforderlich, den Strom aus neueren Anlagen (nicht älter als sechs Jahre) zu beziehen. Neu ist das Label "Wegbereiter der Energiewende" vom TÜV-Süd. Hier gelten vier Haupt-Prinzipien, um die Zertifizierung zu erhalten: "Ein überdurchschnittlicher Status quo bei der Erzeugung und Lieferung von Erneuerbaren Energien", die "Erhöhung des Anteils der Erneuerbaren Energien", die "Senkung des Rohstoff- und Energieverbrauchs" und die "Flexibilisierung des Energieversorgungssystems". Es lohnt sich also, beim Stromvergleich ein wenig genauer hinzuschauen, ob der Versorger nur grünen Strom verspricht, oder sich auch den Regeln eines Zertifikats unterwirft.

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