Monsterkrake vor Florida?

Zunächst werden Unfälle oder vertuschte Morde hinter dem Verschwinden zahlreicher Taucher, aber auch Strandbesucher vermutet. Als ein kubanisches Kindermädchen angibt, ein in ihrer Obhut befindliches zweijähriges Mädchen wäre von einem Kraken ins Meer gezogen worden, glaubt ihr natürlich niemand.

Auch die mit dem Fall betraute Officer Jessica Sanchez ist skeptisch, wendet sich aber an den Meeresbiologen Professor Schuster um abzuklären, ob das Szenario eines an Land gehenden, Menschen als Beute betrachtenden Kraken theoretisch möglich wäre.

Dieser zieht eine solche Überlegung zwar nicht in Erwägung, wird aber vom Journalisten eines Schundblattes falsch zitiert und plötzlich macht die Kunde vom "Monsterkraken" vor Florida die mediale Runde. Da die unheimliche Serie des spurlosen Verschwindens von Menschen weitergeht, bleibt Officer Sanchez hartnäckig an dem Fall dran.

Tatsächlich scheint es Spuren zu geben, die auf einen ebenso intelligenten, wie hinterhältigen Kraken hindeuten. Konkrete Beweise fehlen aber, die der an der hübschen Polizistin interessierte Professor Schuster mit ihr gemeinsam in Südamerika suchen will. Was sie im Amazonas finden, übersteigt ihrer beider wildesten Vorstellungen …

Bennemann-Thriller im Fahrwasser von "Der weiße Hai"

Markus Bennemann war bislang als Sachbuchautor bekannt und wagt mit seinem Thriller "Phantom - Gefahr aus der Tiefe" den Sprung ins kalte Wasser. Dabei kommt ihm sein Wissen rund um ungewöhnliche Verhaltensweisen von Meerestieren natürlich zupass. Denn der geheimnisvolle Killer seines Thrillers entstammt dem Tierreich und ist, dies sei vorab verraten, trotz einiger künstlerischer und spekulativer Freiheiten kein völlig an den Haaren herbeigezogenes Klischee-Monster.

Unverständlicherweise lüftet Bennemann das Geheimnis rund um das Monster gleich zu Beginn und nimmt somit etwas Spannung heraus. Denn bei einem Roman bzw. Film mit dem Titel "Der weiße Hai" bleibt keine Frage über die Natur des Ungetüms offen, während "Phantom - Gefahr aus der Tiefe" zunächst sehr reizvoll klingt und die Phantasie des Lesers anregt. Diese wird aber sogleich mit dem ersten Satz wieder abgewürgt.

Die Vergleiche zu "Der weiße Hai" drängen sich unwillkürlich auf: Hier wie dort sorgt ein Tiermonster für Panik an den Stränden und die Behörden stellen sich taub für Warnungen, was weitere Menschenleben kostet. Zudem handelt es sich bei den Ungetümen und real existierende Tiere, deren Verhaltensweisen lediglich etwas verfremdet wurden und Bennemann "seiner" Kreatur einige in ihrer Natur nicht vorhandene Fähigkeiten hinzudichtet. Dennoch hebt sich sein Thriller angenehm von der Masse ähnlich gestrickter, um Sensation heischende Blutorgien ab.

Eher bei Frank Schätzing, als bei Michael Crichton

Die Charakterisierung der weiblichen Protagonistin, einer hispanischen Polizistin, folgt üblichen Konventionen: Sie trägt eine sichtbare (Gesichtsnarbe) sowie eine unsichtbare Wunde, was den Leser kaum überraschen wird. Der eigentliche Protagonist, Professor Schuster, ist hingegen etwas vielschichtiger angelegt. Ihm unterlaufen allerlei Irrtümer, sodass er sich angenehm vom oftmals in Thrillern vorherrschenden unfehlbaren Wissenschafter abhebt.

Seine großen Probleme hat der Thriller "Phantom - Gefahr aus der Tiefe" beim Spannungsaufbau: Viele Szenen, in denen die unheimliche Kreatur zuschlägt, werden unnötig in die Breite gezogen und Figuren, die später nie wieder in Erscheinung treten, wird zu viel Aufmerksamkeit entgegengebracht. Insbesondere zu Beginn des Romans wird die Geduld des Lesers auf die Probe gestellt, wenn  Bennemann seitenlang über die Kunststückchen eines Labortieres berichtet. Überhaupt erwecken zahlreiche Passagen den Eindruck, der Autor wollte - analog zu Frank Schätzings "Der Schwarm" - mit seinem Fachwissen glänzen.

Wie man den schwierigen Spagat zwischen Voranbringen der Handlung und Wissensvermittlung flüssiger schafft, zeigen die meisten Romane des schmerzlich vermissten Michael Crichton. Dem berüchtigten "info dumping" erliegt auch Markus Bennemann, was andererseits bei einem Debütroman entschuldbar ist.

Meiner Ansicht nach hätte dem Werk eine gehörige Straffung gut getan. Bis die Natur des Ungetüms enthüllt wird, dauert es einfach zu lange, eingedenk dessen, dass der Leser ohnehin bereits ahnt/weiß, um welche Spezies es sich handelt.

„Phantom - Gefahr aus der Tiefe“: Gefälliger Thriller für Zwischendurch

Erwartungsgemäß säumen zahlreiche Klischees und vorhersehbare Szenen, inklusive einer "King Kong"-Referenz, den Weg des Thrillers bis zu einem überraschend düsteren Ende. Insbesondere eine Forschungsreise in Südamerika hangelt sich von einem sattsam bekannten Klischee zum nächsten und wirkt wie ein Fremdkörper innerhalb der Story.

Trotzdem weiß "Phantom - Gefahr aus der Tiefe" durch den noch relativ unverbrauchten "Bösewicht" zu überzeugen und einige der vermittelten Fachbegriffe und Informationen erzeugen das angenehme Gefühl, beim Lesen ein Stückchen weit schlauer geworden zu sein. An die Eleganz, den flüssigen Stil und den Thrill eines Michael-Crichton-Romans reicht Bennemann natürlich nicht heran. Diese Schuhe wären aber fast jedem Autor viel zu groß, weshalb sich ein bescheidenerer Vergleich anbietet. Mit Frank Schätzing kann Markus Bennemann locker mithalten, und angesichts einiger interessanter Plotentwicklungen sehe ich seinem Folgeroman durchaus wohlgesonnen entgegen.

Fazit: Als Thriller weiß "Phantom - Gefahr aus der Tiefe" nicht vollends zu überzeugen. Für das schnelle Lesevergnügen zwischendurch gefällt Bennemanns Debütroman und gibt ein Versprechen für die Zukunft ab.

Originaltitel: Phantom - Gefahr aus der Tiefe

Autor: Markus Bennemann

Veröffentlichungsjahr: 2011

Seitenanzahl: 512 Seiten (Taschenbuchausgabe)

Verlag: Knaur

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