Rassismus aus einer anderen Perspektive - Wenn man plötzlich zur Minderheit gehört

Was ist Rassismus? Die meisten denken jetzt an weiße, kahl rasierte Bomberjackenträger mit Springerstiefeln, die auf einen Schwarzen losgehen. Was aber, wenn du, als Weißer, plötzlich Opfer von Rassismus wirst? Geht nicht?

 

Leben in Afrika - Die erste Euphorie

 

Wer den Versuch macht, in einem afrikanischen Land zu leben, macht leider häufig Erfahrungen mit Rassismus. Ich habe zwei Jahre Afrika hinter mir und weiß, wovon ich spreche. Es ist ein leiser Rasissmus, doch er ist da. Es gibt keine schwarzen Neonazis, doch als Weißer, der nicht nur Geld bringender Tourist ist, sondern in Afrika leben möchte, wird man früher oder später mit der Problematik in Berührung kommen.

 

Zuerst ist alles einfach nur schön und natürlich sehr aufregend. Überall laufen Scharen von Kindern auf einen zu und rufen "Toubob! Toubob!", das ist der Name für Weiße in Westafrika. Man schenkt ihnen Bonbons und freut sich über ihre lachenden Gesichter. Die Erwachsenen sprechen einen mit "Boss" oder "Bosslady" an, lächeln freundlich und verkaufen einem alles zehn Mal teurer, als normal. Wildfremde, meist junge Männer, die sogenannten "Bumster", sprechen einen an, wollen einem helfen, sich zurechtzufinden. Man denkt, endlich irgendwo angekommen zu sein, wo die Menschen einfach freundlich sind.

 

Gambia MapDie Ernüchterung

 

Jeder Afrikaner merkt sehr schnell ob man ein Tourist oder Neuling ist oder ob man in Afrika lebt. Nicht nur ist man braun gebrannter, man bewegt sich einfach sicher durch das bunte Leben, spricht vielleicht ein wenig Wolof oder Mandinka, handelt auf dem Markt den korrekten Preis aus, weil man sich nicht länger veräppeln lässt. Statt die teuren Touristentaxis zu nutzen, fährt man mit den billigen, lokalen Vans oder Gelegele. Man ist nun ein "African". Den ersten Schock bei dem Emigration Office hat man verwunden und zähneknirschend den hohen Preis für seine ID-Card und seine Permittion gezahlt. Hier hat man das erste Mal erfahren, dass seine Hautfarbe einfach teurer ist und den ersten Beweis erlebt, dass der Rassismus schon von der Politik vorgegeben ist.

 

Auch hat man sich irgendwo ein Häuschen gemietet und weiß nun auch, dass ein weißer Afrikaner locker ein Zwanzigfaches für seine vier Wände zahlen darf und auch nicht in jedem Viertel willkommen ist. Wenn man aus seiner Tür tritt, schallen einem die ersten Toubob-Rufe entgegen und begleiten einen etwa alle fünf Schritt, bis man wieder irgendwo in einem "sicheren" Gebäude (Supermarkt, Restaurant, Freunde etc.) einkehrt. Was einst als Freundlichkeit der Leute empfunden wurde, wird nun zur nervtötenden Last.

 

Doch wenn man nicht mehr freundlich zurückgrüßt und lächelt, schlägt einem urplötzlich das wahre Gesicht entgegen. Der eigentliche Hass auf den Weißen, der bedingt durch jahrhundertelange Ausbeutung und Versklavung geprägt wurde und noch tief drinnen sitzt. Plötzlich hört man "Fuck you Toubob" oder "Go Toubob" und endlich wird einem klar: man ist ein Teil einer Minderheit, ein unerwünschtes Subjekt in einem fremden Land.

 

Frauen kochenAuf dem Land ist alles besser

 

Die wenigsten Weißen wagen den totalen Ausstieg und ziehen in den Busch. Mein Fazit nach sechs Monaten Buschleben ist jedoch positiv. Die Menschen in den kleinen Dörfern sind viel offener und freundlicher. Sie sehen den weißen Neuankömmling nicht nur als potenziellen Geldspender, wie dies in den von Tourismus geprägten Städten der Fall ist.

 

Die Dörfler sind hilfsbereit und neugierig, die Kinder fast ein wenig schüchtern. Zwar bleibt man immer ein Weißer, jedoch ist die Integration in die Dorfgemeinschaft und ein "normales" Leben weitaus einfacher, als in der Stadt. Von den zwei Jahren in Gambia sind mir die sechs Monate im Busch am besten in Erinnerung und wenn ich nochmal die Wahl hätte zwischen einer Villa an der Küste, inmitten all der anderen Weißen oder einer Hütte im Busch, ich bräuchte nicht lange überlegen.

Ab in den Busch!

Autor seit 12 Jahren
14 Seiten
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