Die Schneiderin soll zahlen oder fliegen!

Ich bin es schon wieder, Ihre Orsola von der Leine. Und wo, wenn nicht hier, finde ich so viel Gehör?

Also ich beginne mal mit dem Ursprung meines Artikels hier. Es geht um eine sehr nette Dame, die in meiner Ortschaft wohnt. Rosa Zwirn hat sich vor 5 Jahren mit einer kleinen Änderungsschneiderei selbstständig gemacht. Nun ja, viel mehr betrieb sie diese immer in ihrem Wohnzimmer, welches gleichermaßen ihr Schlafzimmer war. Das andere Zimmer der 2-Raum-Wohnung bewohnte ihr Sohn.

Der jedoch ist kürzlich ausgezogen, weil er einen Job im Ausland angenommen hat. Ja, ja - die einen kommen nach Deutschland, weil sie meinen, hier Arbeit zu finden und die anderen ziehen aus, um in der Ferne ihr Glück zu suchen.

Recht so, denn schließlich sieht es auf dem deutschen Arbeitsmarkt sehr traurig aus. Aber auch die Menschen, die Arbeit haben, müssen sich mitunter ganz schön ARGE schikanieren lassen. Jedenfalls dann, wenn mit dem wenigen monatlichen Einkommen kein Auskommen ist.

 

Die Schneiderin Rosa Zwirn ist eine sehr arbeitsame Frau. Aber stellen Sie sich einmal diese Unverschämtheit vor, während Rosa Zwirn fleißig Hosen, Röcke oder Kleider kürzt, und somit ihren Verdienst in die Höhe treibt, kürzt die ARGE - heute Jobcenter- Rosa Zwirn die Beihilfe. Sicherlich meinen Sie, das geschieht ihr Recht. Warum sollte die Frau für ihre Arbeit auch doppelt bezahlt werden oder so.

Denken Sie mal um die Ecke!

Rosa Zwirn schuftet nicht nur 8 Stunden am Tag, manchmal sitzt sie bis mitten in die Nacht hinein an ihrer Nähmaschine. Logischerweise, um die Kundenaufträge ordentlich aber auch termingerecht abzuarbeiten. Allerdings interessiert das die ARGE nicht, es zählt stattdesse nur das monatliche Einkommen aus der Selbstständigkeit von Rosa Zwirn und zieht davon natürlich ab, was abgezogen werden darf. Egal, wie viele Stunden die rechtschaffene Schneiderin im Monat dafür gearbeitet hat.

Bevor hier einer auf den bescheuerten Gedanken kommt, und sich fragt, weshalb die gute Frau überhaupt ergänzendes ALG II bezieht, dem sei gesagt - weil Rosa Zwirn nicht jeden Monat ein einheitliches Einkommen hat, sondern dieses von ihren Aufträgen abhängig ist.

Gut - soweit sicherlich klar!

Hinzu kommt noch, dass die Rosa einen Zwirn, nein - einen Sohn hat, der bis vor Kurzem bei ihr lebte und dieser somit in der Bedarfsgemeinschaft, wie es sich so schön nennt, gelebt hat. Auch sein Einkommen - sprich, sein einstiges Lehrlingsgeld - wurde demzufolge mit einbezogen.

Aber heute sehen die Dinge ganz anders aus. Denn Rosas Sohn ist nicht mehr Mitglied der Bedarfsgemeinschaft. Jetzt hat Rosa ein anderes Problem.

Ihr Einkommen reicht für sie als Einzelperson unterdessen fast aus. Jedoch muss Rosa Zwirn außerdem noch Miete zahlen und diesbezüglich muss sie notgedrungen auf die finanzielle Unterstützung des Jobcenters hoffen.

Die fleißige Schneiderin war ganz froh, ihre Kunden nicht mehr im Wohn- und Schlafzimmer empfangen zu müssen, denn seit dem Auszug ihres Sohnes nutzt sie dessen ehemaliges Kinderzimmer nunmehr als Wohn- und Arbeitszimmer, während das vormalige Wohnzimmer ihr als Schlafzimmer dient. Die Miete jedoch ist der springende Punkt - oder das Übel an sich. Denn die Miete ihrer Zweiraumwohnung ist zu teuer. Besser gesagt, die ARGE meint, die Wohnung ist zu groß für eine einzelne Person. Damit Rosa Zwirn weiterhin Anspruch auf ergänzendes ALG II hat, soll sie sich eine kleinere Wohnung suchen oder aber, die 40,00 Euro, mit denen ihre derzeitige Wohnung über den aktuellen Wohnraumtabellenstand für Harzt Vier Empfänger liegt, aus eigener Tasche zahlen.

Hier beginnt der Teufelskreis. Denn wenn die liebe Rosa Zwirn die 40,00 Euro für die Miete selbst aufbringt, damit die Rechnung wieder aufgeht, fehlen ihr diese allerdings, um andere Kosten zu decken. Dann nämlich liegt sie zwangsläufig mit ihrem Einkommen wieder unter der Grenze. Also müsste Rosa Zwirn tatsächlich in eine kleinere Wohnung ziehen.

Fazit: Die kleineren Wohnungen sind nicht unbedingt billiger. Zudem hätte die Schneiderin dann wieder das Problem, ihre Kunden in ihrem Wohn- und Schlafzimmer empfangen zu müssen.

Was tat Rosa Zwirn? Sie legte natürlich vorerst Einspruch ein!

Doch was sagte das Jobcenter?

Rosa Zwirn muss entweder aus der viel zu großen und teuren Wohnung ausziehen oder aber die 40,00 Euro selbst aufbringen, da beißt die Maus keinen Faden ab.

Und nun? Was soll Rosa Zwirn tun?

Ich habe ihr gesagt, sie soll sich einen Anwalt nehmen, der die ARGE mal gewaltig auseinandernimmt.

Eine bodenlose Frechheit ist es auf jeden Fall, dass Geringverdiener und Selbstständige, die hart arbeiten, um ein Einkommen zu haben, sich schikanieren lassen müssen und im Endeffekt gar noch schlechter gestellt sind als manch ein ALG II Empfänger. Darüber sollten sich die Politiker mal ihren Kopf zerbrechen und nachdenken, ob das noch NORMAL ist.

Da zahlen die Arbeitnehmer und Selbstständigen brav ihre Steuergelder und werden dann noch doppelt bestraft, damit sie das Geld, was sie praktisch einzahlen, wieder auf Umwegen zurückbekommen können, weil sie kein Auskommen mit dem Einkommen haben und daher zum Bittsteller werden müssen.

Verrückt ist das schon, und da sag mir mal einer, die Würde des Menschen ist unantastbar! Wo ist das bitteschön noch würdevoll?

So, jetzt habe ich mich tatsächlich wieder verplappert und heute war es mal kein lustiges Thema, womit ich Sie unterhalten konnte. Dennoch hoffe ich sehr, Sie werden mir weiterhin die Stange halten bzw. mir auch demnächst wieder Gehör schenken.

Vorerst genug für heute, in Kürze melde ich mich wieder.

Bis dahin,

viele Grüße Ihre Frau von der Leine

 

KreativeSchreibfee, am 02.04.2011
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Bildquelle:
a.sansone (Living Coral - Modefarbe 2019)

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