Blau machen

Der Begriff "blau machen" ist heute als Sprichwort zu einer festen Redensart quer durch alle Berufsgruppen geworden; aber wie ist die mittelalterliche Redewendung tatsächlich zu erklären?

Vor allen Dingen im Mittelalter dienten Flüsse und Bäche in den Städten und Gemeinden vorrangig der Entsorgung von Abfällen und Fäkalien. An Flüssen und Bächen wurde täglich von den Bewohnern Wäsche gewaschen. Ganze Berufsgruppen wie Färber, Gerber und Lederer benötigten täglich viel frisches Wasser für die Fertigung ihrer Waren und entsorgten dann der Einfachheit halber das schmutzige Wasser gleich wieder im Fluss. Die Berufsgruppen der Schlachter und Fleischer gingen ihrem Gewerbe oft auf den Brücken nach, die über die Flüsse führten. Natürlich warfen sie die Abfälle direkt in den Fluss, um die Ausbreitung von üblen Gerüchen und von Seuchen zu verhindern. 

Übrigens durfte an genau festgelegten Tagen des Monats die Bevölkerung keine Fäkalien und Abfälle in den Fluss schütten. Dann nämlich wurde am folgenden Tag aus dem Fluss sauberes Wasser für die Bierherstellung in den Wasserturm gepumpt. 

Der Ursprung des Begriffs "blau machen" kommt aus dem Färbergewerbe. Dort wurden Textilien früher mit Waid gefärbt. Waid (Isatis tinctoria) ist eine Pflanzengattung in der Familie der Kreuzblütengewächse und wird auch Deutscher Indigo genannt. Der Farbstoff wird gewonnen, indem getrocknete Blätter der speziellen Art der Färberwaid zum Gären gebracht werden, dann der Farbstoff gelöst, der Stoff in diese Sud getaucht und dann in der Sonne getrocknet wurde.

Da die Waidfärber die kolorierten Textilien meist montags auf die Wäscheleinen hingen, hatten sie an diesem "blauen Montag” nicht viel zu tun. Sie machten also wortwörtlich "blau”. 

Die Kurve kratzen

Wer die Kurve kratzt, hat es auf seinem Weg eilig. Diese Redensart stammt aus dem Mittelalter und beschreibt den Fahrstil der trotz der engen Gassen schnellen Kutschen. Dabei konnte ein Gefährt auch schon mal eine Kurve kratzen und eine Hausecke beschädigen. Deshalb standen an stark befahrenen engen Kreuzungen in mittelalterlichen Orten mitten auf der Straße – einen Meter von der Hausecke entfernt – "Kratzsteine", die den Kutscher zu ausreichendem Abstand nötigten.

In einer Toreinfahrt oder Einfahrten zu Scheunen und anderen landwirtschaftlichen Gebäuden stehen deshalb auch heute noch alte "Kratzsteine", die die Einfahrt beschützen sollen und den Fahrer mit seinem Fahrzeug in die richtige Spur weisen sollen.

Vom Regen in die Traufe kommen

Wer vom Regen in die Traufe kommt, tauscht seine augenblickliche missliche Lage in eine noch schlechtere. 

Man konnte sprichwörtlich vom Regen in die Traufe kommen, wenn man unter einem Dach Schutz vor Regen und somit eine trockene Zuflucht suchte. Früher waren in Norddeutschland die reetgedeckten Häuser für Mensch und Vieh stark verbreitet. Wenn es regnete, lief der Regen das Dach herunter und tropfte gesammelt vom unteren Ende des Daches, der Traufe, auf den Boden. Diese Tropfen konnten bei der riesigen Fläche des Daches und entsprechend starkem Regen als kleiner Wasserfall zu Boden fließen.

Heute haben die Dachrinne und ein Fallrohr die Traufe zumeist abgelöst.

Vögeln

Heute gilt das Wort als ein vulgärer Ausdruck für den Vollzug des Geschlechtsverkehrs. Aber im Mittelalter hatte das "Vögeln” einen durchaus wörtlichen Sinn. Vor allem betuchte Damen des Mittelalters hielten sich Singvögel in Vogelkäfigen Wenn eine Ehefrau ihrem Liebhaber signalisieren wollte, dass der Ehemann gerade nicht zu Hause war, hängte sie ihren Vogelkäfig ans Fenster.. Sah der Liebhaber dies, neigte er zu dem Ausspruch "ich gehe zu den Vögeln”.

Den Löffel abgeben

Dieser Begriff wird heute oft als Synonym für Tod verwendet, hat aber einen anderen realen Hintergrund aus dem bäuerlichen Alltag und städtischen Kleingewerbe. Im Mittelalter hatte jedes Mitglied einer bäuerlichen Wohngemeinschaft seinen eigenen Löffel, der am Wandbrett seinen besonderen Platz fand. Wer den Löffel daran aufhängte, hatte seine Mahlzeit beendet.

So bekam beispielsweise in einigen Regionen das Gesinde vom Bauern und die Arbeiter von ihrem Prinzipal für die Dauer ihres Dienstes einen Löffel geliehen. Diesen mussten sie wieder abgeben, wenn sie zur weiteren Ausbildung weiter wandern wollten.

Wollte sich die Bäuerin als Altbäuerin zur Ruhe setzen, übergab sie ihren Löffel an die jüngere Bäuerin der nächsten Generation.

Wissen Sie eigentlich, was es mit dem "Alten Knacker und seinem Verhaspeln" auf sich hat?

Eine Milchmädchenrechnung aufmachen

Diese auch heute noch oft gebräuchliche Redensart soll fehlerhaftes und unlogisches Denken beschreiben. Wer eine Milchmädchenrechnung aufmacht, hat nicht zu Ende gedacht und Unwägbarkeiten nicht berücksichtigt. Besonders Politiker bemühen gern die "Milchmädchenrechnung", wenn sie den Sachverstand anderer anzweifeln.

Zurückzuführen ist diese Redensart vermutlich auf die Fabel "La laitière et le pot au lait" (Das Milchmädchen und der Milchtopf) des französischen Dichters Jean de la Fontaine, der von 1621 bis 1695 in seinem Geburtsort Château-Thierry an der Marne und später bis zu seinem Tod in Paris lebte. "Vermutlich" deshalb, weil seine Fabel später von mehreren französischen und deutschen Dichtern aufgegriffen und unter "Der Milchtopf" oder "Das Milchmädchen" veröffentlicht wurde. Johann Wilhelm Ludwig Gleim nannte die von ihm bearbeitete Fabel "Die Milchfrau".

Die Geschichte des Milchmädchens Perrette kann an mehreren Fundstellen nachgelesen werden. Deshalb hier der Inhalt in Kurzform:

Perrette trug auf ihrem Kopf einen Topf mit frischer Milch, um sie auf dem Markt zu verkaufen. Sie ging schnell und ließ ihren Gedanken freien Lauf. Sie dachte an das erlöste Geld, wollte 100 Eier kaufen und sie ausbrüten lassen. Aus diesem Erlös wollte sie ein Schwein kaufen und es fett füttern. Aus diesem Erlös wollte sie eine Kuh kaufen, die bestimmt ein Kälbchen bekommen werde. Die Vorfreude ließ sie tanzend weiter zum Markt eilen. Der Milchtopf fiel zu Boden und zersprang. Ade, Ihr schönen Träume!

Besonders Politiker bemühen gern die "Milchmädchenrechnung", wenn sie den Sachverstand anderer anzweifeln. Dabei würden sie ihre Mitbewerber viel drastischer als "Armleuchter" bezeichnen.

Jemanden einen Armleuchter nennen

Nennt man jemanden einen Armleuchter, will man diesen Blödian als dumm bezeichnen.

Wenn auch eine Kerzenleuchter (Kandelaber, Armleuchter usw.) im Gegensatz zu einer einzelnen Kerze mindestens zwei Arme besitzt, leuchtet auch sein Licht nicht sehr weit. Ein Armleuchter lässt nur in einem sehr eng begrenzten Raum Helligkeit zu, nämlich nur entsprechend der Armlänge und der Kerze. Seine Reichweite lässt nur ein stark begrenztes Sichtfeld zu, und alles andere bleibt im Dunkeln. Er trägt nicht viel zur Erleuchtung bei. 

Der Armleuchter wird manchmal auch zum Umgehen eines Fäkalausdrucks benutzt, der auf eine auf halber Höhe befindliche Körperöffnung des Menschen abzielt. Will man sich aber noch weniger festlegen und keine Beleidigung vornehmen, nennt man den anderen auch "Handlampe".

Autor seit 10 Jahren
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