Schwierige Themen und buntes Leben

Diese im Grunde genommen doch recht schwierigen Themen wurden von der Autorin Karin Kalisa wirklich kunstvoll verknüpft, und ihre gelungene Erzählweise, die sich leicht und unbeschwert anfühlen kann, ebenso wie sie in den richtigen Momenten Augenblicke der Verzweiflung nahe bringt… machen diese Veröffentlichung lesenswert.

Krieg, DDR und die Problematik von Migration, vom in einem fremden Land arbeiten (müssen) und dort auf irgendeine Art und Weise letzten Endes hängen bleiben – alles das trifft auf die Geschichte mehrerer Generationen einer Familie, und mehr noch, auf die sie umgebende Welt.

Bunter kann das Leben nicht sein. Wer das kennt, dass er anderswo sein berufliches Glück versuchen muss, wird sich in einigen der Momentaufnahmen wieder erkennen können.

Allerdings gibt es nirgendwo echten Raum für Bitterkeit. Selbst im Scheitern wird aus einem verhinderten Archäologen (Sung) ein doch erfolgreicher Geschäftsmann, der wie davor schon seine Eltern, seiner Lebensplanung, wie sie eigentlich angedacht war, Adieu sagen muss. Und dann eben weitermacht (nach außen hin vermittelt sich dieser Eindruck wohl), als hätte er nie an etwas anderes gedacht gehabt.

Das mag etwas irritierend wirken. Aber es liest sich hervorragend und auch glaubhaft und könnte möglicherweise eines der Erfolgsgeheimnisse der Babyboomers sein, zu denen im Grunde in Bezug auf sein Lebensalter auch Sung noch zählt. In dieser Generation scheint ein recht pragmatisches Weltbild, das richtig tief gehenden Frust offenbar nicht zugelassen hat, eher die Ausnahme gewesen zu sein. Etwas merkwürdig ausgehend von meiner Perspektive auf die Welt heute – aber natürlich eine sehr realistische und wohl auch sehr hilfreiche Eigenschaft, die einem hilft, aus dem Leben, das einem etwas aufdrückt, das man im Grunde genau nicht wollte, irgendwie eine Art Pseudo-Maximum herauszuholen.

Ich persönlich formuliere es mal vorsichtig so: Nicht immer kann ich mich in diesen Lebenswelten in die jeweiligen Sujets ganz einfühlen. Denn Frust bringt einen zwar nicht weiter, er hilft auch nicht, aber er ist verständlich. Insofern finde ich es doch etwas eigenartig, wie Sung vorgeht, und dass auch seine Mutter Thien für ein Familiengeheimnis sorgt, indem sie "einfach weitermacht, als wäre nichts geschehen" – nach außen hin.

Aber eben das macht diesen Roman nochmal so spannend.

In ihrem Debütroman zeigt Karin Kalisa auf, dass Lösungen vielfältig sein können, und dass wohl jeder seinen ganz persönlichen Ansatz fände.

Leichtigkeit ist die Devise

Und nichts erscheint mir schwerer zu bewältigen, wenn ich dann die immer wieder aufflackernden "worst case Szenarios" revue passieren lasse.

Karin Kalisa hat sicher optimal recherchiert: In ihrem Roman lässt sie nichts an historischen Hintergründen missen! Im Gegenteil, es liest sich alles sehr echt, die Charaktere sind gelungen, die Story ebenso. Ob das Schulkind Minh, der Ladenbesitzer Sung, die Großmutter Hien, die Hebamme Dete – alle gezeigten Charaktere sind und wirken echt. Wundervoll gezeichnet!

Es gibt nun nur einen Haken: Den Punkt, an dem sie den Roman beenden hätte sollen – das mag jetzt allerdings ein sehr subjektives Urteil sein, wie ich hier anmerken möchte – hat sie meiner Ansicht nach übersehen. Leider.

Manchmal ist weniger mehr. Und zwar in Beug auf die Seitenanzahl, denn hätte dieser Roman um eine Kleinigkeit früher geendet: Gut wär es gewesen! Oder vielmehr, optimal fände ich, wenn die Geschichte kurz nach dem Highlight der Theateraufführung im Park enden würde…

Aber das Leben ist bekanntlich kein Wunschkonzert, und diesen Roman hat eben Karin Kalisa geschrieben – sie mag ihre Gründe gehabt haben, dass es sich danach noch ewig weiterzieht wie ein Kaugummi…

Denn das Ende mit Erzählsträngen wie der arbeitslosen Architektin wirkt für mich doch sehr an den Haaren herbei gezogen. Und im Übrigen wurde es mir spätestens da dann doch ein wenig zu Sozialismus-geleitet.

Ich muss jetzt aber auch hinzufügen, dass ich nicht über die einzelnen Stationen aus dem Leben der Autorin recherchiert habe – das mache ich persönlich zwar gerne, aber selten, bevor ich das Buch eines Autors gelesen habe und seinen Erzählstil kennen lernen durfte.

Möglicherweise fände sich dann ein Hinweis, warum manche meines Erachtens aus einer bestimmten Zeit stammenden Ideen sich durch dieses Buch ziehen. Es fängt im Grunde ja schon mit dieser "weltoffenen Woche" an. Dieser Einfall ist mit Sicherheit ein sehr schöner.

Aber grundsätzlich wird mit der Geschichte, die Hien – Minhs Großmutter – dort bei der Präsentation mit der Holzpuppe Thuy erzählt, klar, dass sie ihre Zeit in der DDR wohl nicht ohne ideologische Einflüsse des sozialistischen Weltbildes absolviert hat.

Mich persönlich stören diese Einflüsse sicher nicht, abgesehen davon, dass sie zum erzählerischen Wert des Buches und den liebenswerten Charakteren beitragen.

Fazit

Ich möchte hier eigentlich gar nicht allzu viel über die Einzelheiten der Story verraten, nur so viel: Die Handlung ist wirklich hervorragend geglückt! Das Buch ist absolut lesenswert, und diese Sprache möchte ich noch in sehr vielen weiteren Veröffentlichungen von Karin Kalisa wiedertreffen.

Wie gesagt, mein Eindruck in Bezug auf das Ende des Romans ist ein sehr subjektiver Eindruck – und ich kann mir schon vorstellen, dass andere Lesende ihn möglicherweise gar nicht mit mir teilen werden.

Meines Erachtens hätte ein wenig Kürze keinesfalls geschadet, aber ich sehe auch die Veröffentlichungen der meisten anderen Schreibenden immer unter der Perspektive einer Autorin. Und das fließt dann in meine Perspektive als Lesende stets mit ein.

Genial finde ich verschiedene kulturelle Einflüsse in diesem Buch, und auch so Ideen wie die sogenannte "Affenbrücke", die es in dieser Form ja an sich nur in Vietnam gibt. Und auch die Aufteilung des Buches in verschiedene Erzählabschnitte (zusätzlich zur üblichen Unterteilung in Kapitel) finde ich äußerst gelungen.

Dieses Buch möchte ich auf jeden Fall weiter empfehlen! Es saugt einen sofort in seinen Bann, und ich würde mich wundern, wenn es wer schafft, es allzu schnell wieder zur Seite zu legen.

 

 

Auch an dieser Stelle meinen herzlichen Dank an den Verlag C.H. Beck, der mir dieses Buch zur Verfügung gestellt hat.

 

Karin Kalisa (2015): Sungs Laden. München: C.H.Beck

 

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