Sebastian Fitzek: "P.S.: Ich töte dich"Anthologien ist im deutschsprachigen Raum leider immer noch nicht jener Stellenwert beschieden, der ihnen eigentlich gebührte. Schier unverrückbar gilt das Dogma des Romans als Königsform der Literatur, während Kurzgeschichten offenbar als höchstens für lesefaule Schüler geeignet betrachtet werden.

Diesem Stigma treten mutig Anthologien wie diese entgegen. "P.S.: Ich töte dich" umfasst 13 Beiträge deutscher sowie international bekannter Thrillerautoren, darunter Sebastian Fitzek, Markus Heitz und Jilliane Hoffman.

Die titelgebende Vorgabe "Zehn-Minuten-Thriller" übersteigen zwar die meisten Beiträge. Doch angesichts der teils großartigen Qualität der Texte verzeiht man dies nur allzu gerne, wenngleich nicht alles Gold ist, was glänzt - und nicht alles "Thriller", was sich in einer Genre-Anthologie tummelt.

Die 13 Kurzgeschichten in "P.S.: Ich töte dich"

Sebastian Fitzek: "Nicht einschlafen"

Val McDermid: " Schöne Bescherung"

Thomas Thiemeyer: "Fehler im System"

Torkil Damhaug: "Der fast Perfekte"

Petra Busch: "Vita Reducta"

Michael Connelly: "Späte Abrechnung"

Markus Heitz: "Ein ehrenwertes Haus"

Michael Koryta: "Der Winter nimmt alles"

Steve Mosby: Wünsche für Alison"

Judith Merchant: "Monopoly"

Jens Lapidus: "Pulver"

Markus Stromiedel: "Das Haus auf dem Hügel"

Jilliane Hoffman: "Letzte Bergfahrt"

Beste Thrillerkost: Sebastian Fitzek Markus Heitz, Judith Merchant

Die Kurzgeschichtensammlung "P.S.: Ich töte dich" legt genretypisch mit einem Knaller los. In diesem Fall Sebastian Fitzeks Beitrag "Nicht einschlafen", dessen Protagonist vom Schicksal hart geprüft und an den Rande des Wahnsinns getrieben wurde. Oder vielleicht sogar darüber hinaus? Wie sonst könnte man die Zettelchen mit Botschaften wie: "Nicht einschlafen!", oder akustische Aufforderungen, seine Frau zu ermorden, deuten?

Sicher: Eben jenes Thema wurde bereits unzählige Male aufgegriffen und variiert. Erstaunlicherweise findet Sebastian Fitzek trotzdem einen ganz speziellen Dreh, der die Erwartungen des Lesers urplötzlich radikal auf den Kopf stellt. Wer - zu recht - die vielen Zeilenschindereien in seinem Bestseller "Die Therapie" kritisierte, wird von dieser Kurzgeschichte angenehm überrascht. In knackiger Kürze schildert Fitzek ein scheinbar vertrautes Thriller-Szenario und zwingt den Leser, bis zum letzten, erhellenden Satz zu lesen.

 

Der vielleicht beste Beitrag wurde aber von Fantasy-Spezialist Markus Heitz verfasst, aus dessen Kurzgeschichte "Ein ehrenwertes Haus" der fesselnde Anthologien-Titel stammt. Bei der Testamentseröffnung seiner Frau erlebt der Protagonist eine unangenehme Überraschung: Noch über ihren Tod hinaus verspottet sie ihn und teilt ihm mit: "P.S.: Ich töte dich". Eine tödlich ernstgemeinte Drohung...

Nicht zufälligerweise gemahnt "Ein ehrenwertes Haus" an Udo Jürgens ironischen Schlager aus 1975. Heuchelei, Boshaftigkeit, Lügen und Intrigen sind in dem auf Hochglanz polierten Mietshaus für ehrenwerte Mitglieder der Gesellschaft an der Tagensordnung. Als Leser kann man sich eine gewisse Schadenfreude nicht verkneifen, wenn die hehren Damen und Herren plötzlich äußerst seltsame Verhaltensweisen an den Tag zu legen scheinen.

Eine nicht nur spannende, sondern auch sozialkritisch angehauchte Kurzgeschichte mit viel Pepp und schwarzem Humor.

 

In Punkto Qualität und überraschender Handlung steht die dem Rezensenten bis dahin unbekannte deutsche Autorin Judith Merchant Bestsellerautoren wie Fitzek und Heitz um nichts nach. "Monopoly" ist nämlich ein wahres Kleinod von Kurzthriller. Die Erzählerin wird vom Leben ein ums andere Mal enttäuscht, etwa wenn ein attraktiver Mann, für den sie nach einer leidenschaftlichen Liebesnacht Gefühle zu empfinden begann, sie offenbar als Hure zu betrachten scheint. Oder schätzt ihn die Protagonistin etwa doch falsch ein und verirrt sich in einem Labyrinth der Ausweglosigkeit ihrer Situation?

Judith Merchant bietet spannende, in manchen Passagen süffisant-ironische Thrillerkost der ungewöhnlichen Art.

Juliane Hoffman enttäuscht

Naturgemäß vermögen nicht alle Geschichten in der Anthologie "P.S.: Ich töte dich" zu überzeugen. Zu den weniger gelungenen Beiträgen zählt Jens Lapidus' "Pulver": Ein junger Mann wird des Drogendealens verdächtigt. Falls die Kurzgeschichte eine Pointe haben sollte, blieb sie dem Rezensenten jedenfalls versteckt.

Während dieser Totalausfall noch problemlos verschmerzbar ist, enttäuscht ausgerechnet Bestsellerautorin Juliane Hoffman ("Mädchenfänger", "Cupido") restlos. Ihre Kurzgeschichte "Letzte Bergfahrt" ist ebenso vorhersehbar, wie klischeehaft und wirkt wie eine lustlose Fingerübung der Thriller-Spezialistin.

 

Empfehlenswerte Anthologie "P.S.: Ich töte dich"

Trotzdem trübt dieser literarische Totalausfall den positiven Gesameindruck nicht entscheiden. Vielmehr liefert die Anthologie "P.S.: Ich töte dich" spannende Lektüre für mehrere Stunden ab. Mit Sicherheit ist für jeden Leser - Interesse am Thriller-Genre natürlich vorausgesetzt die eine oder andere passende Geschichte dabei, die sich nachhaltig im Gedächtnis festsitzt.

Höchst originell an dem Band ist die Idee, Handschriften der Autoren graphologisch deuten zu lassen, was zu interessanten Interpretationen führt. Letztendlich sprechen aber natürlich nicht die Schriftproben, sondern die Thriller für sich.

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