Sind Onliner Besserwisser?

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht – aber in letzter Zeit beschleicht mich ein Unbehagen, wenn ich mich in einem Gespräch mit jemandem befinde, der das Internet und seine Möglichkeiten kaum oder gar nicht kennt. Es ist manchmal, als müsse ich Informationen, die ich über das Internet bezogen habe, im Gespräch bewusst unterdrücken, um mich nicht als Besserwisser zu fühlen.

Wer suchet, der findet?

Ein erstes Beispiel: ich erkundige mich für einen Angehörigen im Internet nach der renommiertesten Klinik bei Prostatakrebs. Ich finde mehrere Kliniken mit Werdegang der operierenden Chefärzte, kann mir die Klinikberichte herunterladen, die angeben, wie oft diese Operation in der Klinik im letzten Jahr durchgeführt wurde, ich kann mich schon im Vorfeld mit der Operationsmethode vertraut machen, kann mir auf der Website die Zimmer anschauen etc. und entwickle dadurch instinktiv ein Gefühl für das eine oder andere Haus. Wenn ich die Informationen an den betroffenen Offliner weitergebe, ernte ich Verblüffung und Erstaunen. "Was, das steht alles im Internet?" Meist fühle ich mich dann unwohl, denn es ist wirklich keine Kunst oder bedarf keiner besonderen Bildung, diese Inhalte zu recherchieren.

Für mich hat diese Informationsrecherche meist etwas Beruhigendes, sie gibt mir das Gefühl, micht gut informiert und deshalb auch richtig entschieden zu haben. Aber wie oft bin ich auch schon in der Informationsflut ertrunken? Wir oft habe ich im Internet schon nach Abhilfe für ein harmloses Leiden gesucht (sagen wir, Kopfschmerzen) und fand mich in Foren für Gehirntumore wieder?

Was machst du so im Internet?

Ich versuche einem Offliner zu erklären, was ich denn im Internet so mache. Ich suche mehr und mehr nach Vergleichen mit der Offline-Welt, die uns beiden ja vertraut ist. Ich erkläre ihm zum Beispiel, dass ich Texte schreibe, auf einer Autorenplattform (berechtigte Frage zurück: Was ist eine Plattform? Na, eine Community, ein Forum (wie?), eine Gemeinschaft von vielen selbsternannten Autoren, die Artikel zu beliebigen Themen verfassen, die dann jeder im Internet lesen und beurteilen kann. Gut, das war schon deutlicher.

Muss ich mich einbringen und mich mitteilen?

Dann das mit den Klickraten und mit der Selbstvermarktung - ich kann nicht erklären, wieso jeder auf eine hohe Besucherzahl hofft und mit Twitter, Facebook und Bookmarkdiensten darauf hinarbeitet, dass er bekannter wird. Ich versuche, diese "Mitmach-" und "Daranteilhabe-" Gesellschaft im Netz zu beschreiben. Dass man im Internet Dinge suchen kann (Fahrpläne, Kinoprogramme etc.), das ist auch dem Offliner bekannt. Und darin sieht er auch einen praktischen Sinn. Er fragt sich ab und an sogar, wie diese Dinge ins Internet hineingekommen sind. Aber diese Web 2.0-Geschichten – da stoße ich bei ihm doch auf viel Unverständnis. Er meint, wozu man denn bei allem mitmischen müsse. Irgendwie hat er da ja einen wunden Punkt getroffen. Wozu eigentlich? Am besten gelingt mir die Erklärung anhand von Wikipedia. Es ist doch einfach unglaublich, dass jeder am Schreiben dieser Enzyklopädie teilnehmen kann und sein Spezialwissen einbringen kann. Ein riesiges globales Gemeinschaftsprojekt. Hier konnte ich beim Offliner punkten.

Die Fakten: Wer hat in Deutschand Internetzugang bzw. nutzt das Internet?

Im Jahre 2008 starteten ARD und ZDF eine Online/Offline-Studie mit der Fragestellung: Wer hat in Deutschland Internetzugang bzw. nutzt das Internet?

Im Jahr 2008

  • waren es 34,2% der Bevölkerung ab 14 Jahren, Tendenz steigend.
  • waren 73,6 % der über 60-Jährigen nicht im Internet aktiv, Tendenz sinkend.
  • waren 53,3 % der geringer Gebildeten (Hauptschul-/Volksschulabschluss) nicht im Internet aktiv
  • waren 14,2 Prozent der Deutschen mit einem universitären Abschluss nicht im Internet aktiv
  • waren 40,4 Prozent der Frauen sind nicht im Internet aktiv
  • waren 27,6 Prozent der Männer sind nicht im Internet aktiv

(Quelldokument: http://www.daserste.de/service/studie08_5.pdf)

Hauptgründe für das "Offliner-tum"

Als Hauptgründe wurde angegeben

  • man verstehe die Sprache und Begriffe im Internet nicht
  • man könne die Informationsflut des Internetzes nicht bewältigen
  • man habe niemanden, der beim Internetzugang unterstützt
  • man finde die monatlichen Kosten für Anschaffung des PCs bzw. für die Nutzung des Internets zu hoch

Wohin soll die Reise gehen?

Können/Sollen/Müssen alle Deutschen am sozialen Leben im Netz teilnehmen? Tatsache ist, dass viele Dinge bald nur noch elektronisch bewältigt werden müssen. Bürger mit Gewinneinkünften sind verpflichtet, ihre Steuererklärungen elektronisch an das Finanzamt zu übermitteln, viele Stellenangebote werden von Firmen nur noch auf der Firmen-Website oder in einer Online-Stellenbörse ausgeschrieben und nicht mehr in Zeitungen inseriert. Möglicherweise wird auch bald der Gang zur Wahlurne über das Netz möglich sein. Werden dadurch breite Bevölkerungsschichten nicht einfach ausgegrenzt? Werden bildungsreiche Menschen immer bildungsreicher und bildungsarme Menschen immer bildungsärmer?

Und Sie?

Natürlich gibt es immer noch die Medien Print, Rundfunk und Fernsehen. Aber spielen Sie seit Web 2.0 noch die selbe wichtige Rolle?

Wie geht es Ihnen, wenn Sie "Offlinern" begegnen? Welche Erfahrungen haben Sie gemacht? Ich muss zu meinen Beispielen noch erwähnen, dass meine Begegnungen mit Offlinern sich nicht ausschließlich auf Senioren beschränken sondern auch auf berufstätige Menschen, die in ihren Berufen kaum mit der Online-Welt in Berührung kommen und sich auch privat damit nicht beschäftigen.

Unterwegs (Bild: Pixabay)

Autor seit 12 Jahren
104 Seiten
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