"Music was my first love, and it will be my last", sang der großartige John Miles 1976, ziemlich genau ein Vierteljahrhundert, bevor Apple seinen ersten iPod präsentierte. Ein kühner Gedankensprung, meinen Sie, von einem musikalischen Welthit zu einem technischen Produkt?

Lassen Sie mich meinen Gedankengang kurz ausführen: 1976 waren Vinylplatten noch unangefochtenes Musikmedium Nr. 1. Bereits wenige Jahre später sollten sie aber von der CD an den Rand des Aussterbens gedrängt werden. Ein Problem blieb Musikbegeisterten freilich: So handlich und vor allem relativ unempfindlich gegenüber Staub oder versehentliches zu Boden fallen die Silberscheiben auch sein mochten, mussten Audiophile ihre HiFi-Anlage kostspielige aufrüsten.

Ich weiß, wovon ich spreche: Mein erster (und letzter) CD-Player verschlang umgerechnet 400 Euro, was 1990 noch ein kleines Vermögen darstellte. Allerdings konnte sich zu jener Zeit niemand vorstellen, dass die CD in absehbarer Zukunft obsolet werden sollte. 

Schon gar nicht von Computerdaten. Und doch: Ende der 1990er Jahre geriet die Musikindustrie in ihre schwerste Krise. Von Rekordverkäufen verwöhnt, verschlief sie das Internetzeitalter komplett und sah sich plötzlich kostenlosen Alternativen zu CDs gegenüber. Musiktauschbörsen wie Napster, Kazaa oder LimeWire ermöglichten es, beliebig viele im MP3-Format gespeicherte Musiktitel übers Internet zu tauschen.

Und mehr noch: CD-Brenner speicherten die Musikstücke dauerhaft. Wer einen Farbdrucker sein Eigen nannte, konnte sogar Cover und Booklets drucken, und somit die Illusion eines Originals nahezu perfekt erzeugen. CD-Verkäufe stürzten in den Keller und ungeschickte Kampagnen der Musikindustrie gegen "Raubkopierer" verrieten Panik – dass Leute wie ich, die hunderte CDs legal erworben hatten, unter Generalverdacht gestellt wurden, hätte einen Shitstorm ausgelöst, so dieser Begriff damals bereits existiert hätte. Damals, das war um die Jahrtausendwende, als sich die harten Jungs von "Metallica" von ihrer weinerlichsten Seite zeigten und Napster verklagten.

Im Bild: Die erste Boygroup der ...

Im Bild: Die erste Boygroup der Geschichte, die "Backsteinstraßen-Jungs" (Bild: http://pixabay.com)

Während die Musikindustrie vergeblich gegen eine längst etablierte neue Technologie wetterte, tüftelte der legendäre Apple-Boss Steve Jobs an einem spektakulären Coup. Zwar existierten bereits MP3-Player, doch boten diese mit oftmals nur 32 Megabyte viel zu wenig Speicher, waren extrem teuer, unhandlich und schlichtweg hässlich. Jobs wusste aber, dass er den MP3-Hype zu seinen Gunsten nutzen könnte, so er ein hippes, technisch ausgereiftes, leistbares Gerät entwickelte.

Ende 2001 war es soweit: Der erste iPod wurde vorgestellt, mit einer 5-GB-Festplatte noch bescheiden dimensioniert, allerdings schon mit dem typischen iPod-Classic-Design samt Scrollrad versehen. Die Speicherkapazitäten wuchsen ebenso wie meine Begehrlichkeit, einen solchen MP3-Player zu besitzen.

Als Apple-Verweigerer stellte alleine das Verlangen eine enorme Überwindung dar: Wollte ich mit Anfang 30 plötzlich zu den Hipstern zählen? Dummerweise – oder glücklicherweise, je nach Sichtweise – umfasste meine Musiksammlung jedoch zahlreiche GB an Daten, die zwar bequem auf eine Computer-Festplatte passten, aber nicht auf die handelsüblichen MP3-Player, deren Soundqualität noch dazu dem musikalischen Vermögen der meisten DSDS-Kandidaten entsprach: Danke, aber nein!

Der erste Todfeind der Musikindustrie: Die Audiokassette, mit der Raubradiokopien angefertigt werden konnten (Bild: http://pixabay.com)

Schweren Herzens erwarb ich mit dem iPod Classic erstmals ein Apple-Produkt – und verliebte mich augenblicklich in dieses! Schicke Verpackung, selbsterklärende Menüführung, formvollendetes Design – warum, genau, hatte ich Apple eigentlich jahrelang boykottiert und nur unter Protest ("Die Maus hat ja nicht einmal zwei Tasten!") ein Jahr lang grafische Arbeiten an einem Mac statt dem gewohnten Windows-PC verrichtet?

Das Schöne an Vorurteilen ist, dass sie oftmals gar nicht zutreffen. Genauso verhielt es sich mit dem iPod Classic.

Was mich in meiner Vorstellung genervt hatte, erwies sich in der Realität als unsinniges Festhalten an alten Denkmustern. Ja, der MP3-Player war enorm teuer, bot aber zahlreiche Vorteile, angefangen von der üppigen Festplatte, auf die meine gesamte gerippte Musiksammlung passte, über das stimmige Design (muss ich mich oberflächlich schimpfen, da ich elegantes Design bewundere?) bis hin zur simplen Bedienung und selbstverständlich der überraschend guten Soundqualität.

Zugegeben: Die mitgelieferten Kopfhörer waren schon damals für die Mülltonne, nicht für halbwegs anspruchsvolle Ohren bestimmt, aber als Musikfan besitzt man ohnehin einen qualitativ hochwertigen Kopfhörer.

Mein persönlicher Favorit: Nicht ganz billig, aber überragende Qualität!

Später erschien im Gefolge des iPhones der iPod touch. Obwohl mit weniger Speicher ausgestattet als der jüngste iPod Classic mit 160 GB, überzeugten mich erneut Form und Funktion: Flach genug, um in die Hosentasche zu passen, aber stark genug, um über 200 Alben problemlos speichern zu können. Seit der Veröffentlichung Ende 2012 leistet mir ein gelber iPod touch der fünften Generation treueste Dienste, offenbart aber auch ein grundlegendes Problem: Was ließe sich noch großartig an ihm verbessern? Abgesehen von der Akku-Laufzeit. Der Speicher ist mit 64 GB selbst für Musikfans wie mich großzügig genug bemessen.

Vielleicht ist es ja gar nicht so, dass Apple seit Steve Jobs endgültigem Abtritt das Interesse am einstigen Zugpferd verloren hat, sondern die schlauen Techniker und Entwickler schlichtweg kein Verbesserungspotenzial mehr im iPod finden. Sollte Apple die iPod-Reihe tatsächlich in aller Stille auslaufen lassen, fände ich das schade. Aber solange mein iPod touch funktioniert, kann ich damit leben. Selbst die mitunter fummelige Bedienung von iTunes – Motto: Drag&Drop? Nicht mit uns! - ist mir ans Herz gewachsen.

Worüber in diesem Artikel geschwärmt wird: Der iPod touch mit 64 GB

Manche Zeit(geist)genossen spitzfinden sich gar mit Aussagen in den Vordergrund, wonach lokale Musikbibliotheken ohnedies out seien und die Gegenwart Streams bzw. der Archivierung in Clouds gehöre. Danke, aber nein! Ich will meine Titel immer zur Hand haben, auch offline. Ein iPod touch ermöglicht dies problemlos. Um die – abzüglich Betriebssystem – gut 60 GB an freiem Speicherplatz mit Musik zu bespielen, muss man über eine enorme Sammlung verfügen. Mein iPod touch gehört zu mir, wie mein Name an der Tür.

"Music was my first love, and it will be my last", sang ein gewisser John Mlles vor rund 40 Jahren als Liebeserklärung an die populärste Kunstform der Gegenwart. Was das nun mit dem iPod zu tun hat? Der einstige Welthit wurde auf Vinyl gepresst, das mit dem Aufkommen der CD als obsolet erschien. Es wirkt wie ein anachronistischer Treppenwitz der Technikgeschichte, dass eben jenes Vinyl entgegen sämtlicher Unkenrufe unverwüstlich sein dürfte. Schallplatten haben den Triumphzug der CD und den Riesenflop MiniDisc – können Sie sich daran noch erinnern? Dann sind Sie alt! – überlebt.

Ich wünschte, ich wäre diese Gitarre ... (Bild: http://pixabay.com)

Ja, sogar die Entmaterialisierung und Virtualisierung der Musik ins MP3-Format überstand die Schallplatte! Nicht etwa deshalb, weil sie der neueste Schrei der Technik wäre – wie auch, hat sie doch in ihrer Urform weit über ein Jahrhundert auf dem faltenfreien Buckel -, sondern weil Erinnerungen mit ihr verbunden sind. Und es mag töricht klingen, doch auch mit meinem iPod touch verbinde ich Erinnerungen. Vor allem aber ist er bis dato unschlagbar in Punkto Archivierung sowie Funktionalität. 

Gerne lasse ich mich von einem neuen Wundergerät eines Besseren belehren. Bis dahin gilt freilich: Auf meinem Nachtkästchen liegt kein Buch, wie man es bei einer Leseratte vermuten möchte, sondern ein iPod.

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