Begriffliches

Im Alltag werden die Begriffe Stereotype, Vorurteile und Diskriminierung teilweise synonym verwendet oder zumindest nicht ausreichend voneinander abgegrenzt. Eine solche Abgrenzung ist allerdings notwendig.

Ein Stereotyp ist die gedankliche Verknüpfung von bestimmten Persönlichkeitsmerkmalen und Verhaltensweisen mit einer bestimmten Gruppe von Personen. Mit einem Vorurteil ist die ablehnende Haltung gegenüber einer Personen einer bestimmten Gruppe aufgrund von Merkmalen gemeint, die dieser Gruppe zugeschrieben werden. Diskriminierung schließlich ist die ungleiche Behandlung von anderen Personen allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu unterschiedlichen sozialen Gruppen.

Für eine ausführliche Beschäftigung mit dem Thema empfehle ich das Buch "Stereotype, Vorurteile und soziale Diskriminierung: Theorien, Befunde und Interventionen" von Petersen und Six (2008). Hier finden Sie eine Rezension zu diesem Buch.

Wie kommt es zu Stereotypen, Vorurteilen und Diskriminierung?

Die Bildung und Anwendung von Stereotypen ist zunächst ein völlig normaler Prozess, welcher der menschlichen Informationsverarbeitung innewohnt. Angesichts einer Vielzahl auf uns einströmender Reize ist es nicht möglich, eine soziale Situation und beteiligte Personen hinsichtlich ihrer Einstellungen und Verhaltensweisen bis ins letzte Detail zu analysieren.

Daher neigen wir zur Bildung von Kategorien. Bei dieser Kategorisierung kommt es zu einer stark vereinfachten Betrachtung, wobei Unterschiede zwischen Personen einer Kategorie vernachlässigt und vermeintliche Unterschiede zwischen Kategorien betont werden. Die Zuordnung einer Person zu einer Kategorie erlaubt uns dann gewisse Vorhersagen zu deren Einstellungen und Verhalten. Teilweise haben sich diese Erwartungen in der Vergangenheit bestätigt, teilweise werten wir dem Stereotyp widersprechende Erfahrungen auch ab. Diese Stereotype sind sozial geteilt und werden innerhalb einer Gruppe mehr oder weniger bewusst kultiviert. 

Stereotype dienen also der Vereinfachung. Wenn wir jemanden als Mann oder als Person höheren Alters identifiziert haben, verbinden wir mit dieser Person eine Reihe von Eigenschaften. Dies erlaubt eine sehr schnelle Orientierung in sozialen Situationen. Den individuellen Gegebenheiten einzelner Personen wird man damit freilich nicht gerecht. Stereotypisierung zu überwinden heißt, einen entsprechend höheren Aufwand zu betreiben und jede Person, die wir neu kennenlernen, intensiv kennenzulernen. 

Stereotype sind allerdings in der Gesellschaft auch soweit verankert, dass von Mitgliedern einer bestimmten Gruppe auch ein bestimmtes Verhalten erwartet wird. Es gibt quasi gesellschaftliche Forderungen an die einzelne Person, ein bestimmtes Verhalten zu zeigen, ein anderes Verhalten dagegen zu unterlassen. Von Frauen wird beispielsweise eher erwartet, dass sie einen Rock tragen. Würde ein Mann dies tun, würde man dies zumindest in Deutschland weniger tolerieren. Von Männern wird erwartet, dass sie Probleme eigenständig lösen. Dementsprechend sind sie auch seltener bereit, andere um Hilfe zu bitten oder beispielsweise nach dem Weg zu fragen. Mitglieder einer sozialen Gruppe verhalten sich daher häufig im Sinne einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung entsprechend den Erwartungen des Stereotyps. 

Eine weitere Bedingung für die Kultivierung von Vorurteilen ist das Bestreben, ein möglichst positives Selbstbild aufrechtzuerhalten. Sofern man nicht über herausragende individuelle Eigenschaften verfügt, gelingt dies am besten, indem man sich mit einer Gruppe identifiziert, die in Abgrenzung zu anderen sozialen Gruppen über besondere Merkmale verfügt. Dabei werden der eigenen Gruppe besonders positive Merkmale, allen anderen Gruppen weniger positive Merkmale zugeschrieben.

Ein geringer eigener Status und erlebte Bedrohung (z.B. Angst vor Arbeitslosigkeit) verstärken Vorurteile und Tendenzen zur Diskriminierung. Allerdings sind Vorurteile nicht auf Personen mit geringem sozialem Status beschränkt. Beispielsweise finden sich in besser situierten Kreisen häufig Vorurteile gegenüber Arbeitslosen und Hartz4-Betroffenen. Auch hier spielt eine Rolle, dass man es sich häufig einfach macht und simple Erklärungen für komplexe Sachverhalte sucht. Dem Vorurteil entsprechend werden Arbeitslose für ihr Schicksal selbst verantwortlich gemacht und Gründe dafür in Persönlichkeitseigenschaften gesucht. 

Rassismus - Vorurteile und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft

Rassismus ist ein extremes Vorurteil als Abwertung von Menschen nach vermeintlich biologischen und naturwissenschaftlichen Kriterien. Es gibt keine andere Form von Vorurteil und Diskriminierung, die in der Geschichte so viele Opfer bis hin zum Genozid gefordert hat.

Der Begriff der Rasse wird zwar mittlerweile von Humangenetikern als sinnlos eingestuft, da zwischen Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft biologisch betrachtet keine Rasseunterschiede festzustellen sind, dennoch spielt Rassismus weiterhin eine große Rolle, wenngleich in subtilerer Form als es etwa zu Zeiten der Sklaverei oder im Dritten Reich der Fall war.

In der Sozialpsychologie werden unterschiedliche Arten von Rassismus unterschieden: Beim klassischen Rassismus wird ganz offen die Meinung vertreten, dass bestimmte Gruppen minderbegabte Rassen sind. Moderner Rassismus ist subtiler, führt aber unter bestimmten Rahmenbedingungen ebenfalls zu einer deutlichen Diskriminierung. Rassismus bezieht sich meist auf das Verhalten gegenüber Vertretern einer ethnischen Minderheit. Prinzipiell können auch Menschen weißer Hautfarbe Opfer von Rassismus sein.

Sexismus - Vorurteile und Ungleichbehandlung aufgrund des Geschlechts

Frauen und Männer unterscheiden sich in biologischer Hinsicht. Unterschiede im Verhalten resultieren allerdings in hohem Maße nicht aus biologischen Unterschieden, sondern Erziehung und gesellschaftlichen Erwartungen. Die Unterschiede sind quasi sozial konstruiert. 
Im allgemeinen ist mit Sexismus eine Benachteiligung von Frauen gemeint. Eine solche Benachteiligung ist auch heute zumindest bei der Besetzung von Top-Positionen in der Wirtschaft festzustellen. 

Dem Stereotyp zufolge gelten Frauen als passiv, schwach, emotional, unterwürfig, einfühlsam, Männer dagegen als aktiv, stark, ehrgeizig, durchsetzungsfähig, aggressiv und rational. 
Interessanterweise werden berufstätigen Frauen im Vergleich zu Hausfrauen mehr maskuline und weniger feminine Eigenschaften zugeschrieben. Man sieht daran, dass Merkmale der sozialen Rolle als Persönlichkeitseigenschaften wahrgenommen werden.

Vorurteile und Diskriminierung können sich aber auch gegen Männer richten. Dies wird beispielsweise daran deutlich, wenn jemand meint, dass Männer keine Opfer sexueller Gewalt sein können, oder wenn im Zuge von Verdachtsfällen sexueller Gewalt gegen Frauen eine Vorverurteilung der Verdächtigen erfolgt.

Altersvorurteile - Vorurteile und Diskriminierung vor allem von Älteren

Mit Altersvorurteilen ist im allgemeinen eine abwertende Haltung gegenüber älteren Menschen gemeint. Altersvorurteile können sich aber prinzipiell auch auf jüngere Altersgruppen beziehen. 

Ältere gelten dabei im allgemeinen als weniger attraktiv und kompetent und werden stereotyper und negativer beurteilt. Interessanterweise haben Personen mittleren Alters (die kurz vor dem Erreichen des gefürchteten höheren Alters stehen) die größte Ausprägung von Altersvorurteilen. Im beruflichen Kontext gelten Ältere als weniger flexibel, weniger leistungsfähig und weniger lernbereit, aber auch als zuverlässiger und loyaler.

Altersvorurteile stellen eine gewisse Besonderheit dar. Während die Einordnung einer Person in die Kategorien Geschlecht und ethnische Herkunft stabil ist, bewegen wir uns im Laufe unseres Lebens über die Altersgruppen hinweg. D.h. wir sind im Verlauf unseres Lebens sowohl Träger als auch Betroffene von Altersvorurteilen und daraus resultierender Altersdiskriminierung. Im Gegensatz zu Vorurteilen im Hinblick auf Geschlecht und ethnische Herkunft werden Vorurteile gegenüber Älteren weitgehend sozial toleriert. Es wird quasi als natürlich angesehen und gar nicht als Vorurteil wahrgenommen, wenn Ältere als weniger leistungsfähig eingestuft werden – wenngleich wissenschaftliche Studien belegen, dass die berufliche Leistungsfähigkeit keineswegs mit zunehmendem Alter abnimmt!

Wie lassen sich Vorurteile und Diskriminierung abbauen?

Es gibt nicht nur ethische, sondern auch praktische Gründe, warum man gegen Vorurteile und Diskriminierung vorgehen sollte. Ein praktischer Anlass ist beispielsweise die bessere Integration von Menschen unterschiedlichen Geschlechts, Alters und ethnischer Herkunft in einem Unternehmen. Der Abbau von Stereotypen und Vorurteilen ist daher auch ein wichtiges Thema demografieorientierter Personalarbeit.

Eine einfache Idee zum Abbau von Vorurteilen und Diskriminierung besteht darin, Menschen unterschiedlicher Gruppen einfach in Kontakt zu bringen (die sogenannte Kontakt-Hypothese). Es hat sich allerdings gezeigt, dass dies keine hinreichende Bedingung hierfür ist. Der sehr enge Kontakt kann u.U. die Vorurteile sogar verstärken. Treffen Menschen aufeinander, die sich in wesentlichen Bereichen stark unterscheiden, so kann daraus auch erhebliche Konflikte resultieren. Man denke z.B. an Nachbarn, die sehr unterschiedliche Vorstellungen davon haben, was gute Musik ist und zu welcher Zeit man diese Musik wie laut hören darf. Dazu müssen diese Nachbarn nicht einmal unterschiedlichen Altersgruppen oder Ethnien angehören.

In wissenschaftlichen Studien konnte ermittelt werden, dass ein Kontakt mit Mitglieder einer anderen sozialen Gruppe vor allem dann zum Abbau von Vorurteilen führt, wenn die Vorurteile nicht zu tief in der Persönlichkeit verwurzelt sind, wenn der Kontakt mit der anderen Gruppe auf gleichberechtigter Basis erfolgt, wenn gemeinsame Ziele verfolgt werden bzw. ein bestimmtes Problem nur in Kooperation gelöst werden kann und wenn diese Kooperation erfolgreich ist.

Um einer Diskriminierung im Arbeitsleben entgegenzutreten, trat im Jahr 2006 in Deutschland das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz AGG in Kraft. Dieses Gesetz verbietet eine Benachteiligung aufgrund ethnischer Herkunft, Geschlecht, Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexueller Identität. Sprechen gewisse Indizien dafür, dass eine Diskriminierung von Bewerbern oder Mitarbeitern vorliegt, so trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, das Gegenteil nachzuweisen. 

Im beruflichen Kontext geht es vermutlich nicht anders, als zunächst einmal durch klare Regeln und transparente Entscheidungsprozesse zu garantieren, dass Bewerber und Mitarbeiter nicht im Hinblick auf Geschlecht, Alter und Herkunft diskriminiert werden. Dazu gehört die Verwendung fundierter Personalauswahlverfahren, bei denen klare Bewertungskriterien vorgegeben werden und keine über den Daumen gepeilte Bauchentscheidung über das Schicksal des Bewerbers entscheidet. Eine Möglichkeit besteht auch in der Verwendung sogenannter anonymisierter Bewerbungen, wobei Informationen zum Alter, Geschlecht, Herkunft usw. entfernt werden. Allerdings wird der Personalentscheider spätestens beim Vorstellungsgespräch dann doch Kenntnis von diesen Merkmalen erhält.

Kurzfristig können auch eher restriktive Maßnahmen wie etwa Frauenquoten für Führungspositionen hilfreich sein. 

Langfristig geht es allerdings darum, Prozesse der Bildung von Stereotypen und Vorurteilen sowie daraus resultierende Diskriminierung bewusst zu machen, von denen wir alle betroffen sind!

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