Bahia ist ein Bundesstaat in Brasilien und flächenmäßig etwas größer als Frankreich. Und es ist heiß dort - furchtbar heiß und schwül, wie ich auf einer Reise vor einigen Jahren feststellen durfte. Kaum vorstellbar wie die aus Afrika verschleppten Millionen Menschen auf Tabak-Plantagen und Zuckerrohrfelden in dieser Hitze unter erbärmlichen Bedingungen schuften mussten. Die Kolonialherrn waren Portugiesen, die enorme Reichtümer ansammelten nachdem sie im Jahr 1500 mit einer Flotte in Südbahia gelandet waren. - Ihr Erbe ist überall noch sichtbar.

Siebzig Meter mit dem Lift ...

An der Stelle des Palácio Rio Branco residierte und regierte einst der erste Gouverneur Brasiliens. Das Gebäude fasziniert mit seinem reinweißen Anstrich, den Stuckadlern und einem riesigen Rundkuppelturm. Salvador de Bahia weist ein starkes Höhengefälle zwischen Ober- und Unterstadt auf. Zu Kolonialzeiten ließen sich die Portugiesen von Sklaven in die Oberstadt tragen. 1930 wurde schließlich ein Lift fertiggestellt.

Elevador Lacerda (Bild: Pixabay - Masteroblima)

Der sogenannte Elevador Lacerda, den man von fünf Uhr morgens bis Mitternacht benutzen kann, überwindet einen Höhenunterschied von rund siebzig Metern. Eine Fahrt kostet nur wenige Cent und ein absolutes Muss auf der Touristen-Agenda. In der Oberstadt angelangt hat man einen wunderschönen Blich auf die Unterstadt, die Bucht und den Hafen und die vorgelagerten Inseln.

Der Platz ist ein beliebter Treffpunkt für Verliebte, die den Sonnenuntergang genießen. Allerdings dauert dieser selten lange. Denn Tag schlägt in diesen Breitengraden immer schnell in Nacht um. Touristen sollten das bedenken und sich nicht knapp vor Sonnenuntergang in unbekannten Gefilden tummeln. Salvador ist zwar in den letzten Jahren sicherer geworden, doch die Armut der Bevölkerung treibt die Kriminalität in manchen Gegenden an.

Zwischen Faszination und Kulturschock - persönliche Erfahrungen

Brasilien bedeutet für uns weiße Westler oft einen Kulturschock. Auch ich musste mich auf meiner Reise erst auf die Mentalität einstellen. Die Menschen - insbesondere die Mehrheit der Afro-Brasilianer - habe ich als unheimlich offen empfunden. Wenn man sich unterhält (selbst mit gebrochenem Portugiesisch und etwas Italienisch kommt man gut durch), berühren sie einen häufig und sie umarmen einander. Das gehört irgendwie dazu. Körperkontakt scheint sehr wichtig zu sein, für mich war das allerdings gewöhnungsbedürftig. Deutsche und Österreicher haben im Vergleich zu anderen Völkern ein starkes Abgrenzungsbedürfnis. Das wird erst in Ländern wie Brasilien so richtig bewusst. Auch die Emotionalität der Einheimischen ist uns eher fremd.

 

Typisch Bahia ... freundliche und offene Menschen

Bahianer bewegen sich in Gruppen. Es gibt kaum ein Restaurant in dem Gerichte für einzelne Personen angeboten werden. Man bestellt eine "Piatta" und das Gericht kommt automatisch für zwei Personen. Aiuf Touristen reagieren die Menschen unterschiedlich. Ich habe sehr viele positive Erfahrungen gemacht. Als allein reisende Frau hat man es aber manchmal mit jungen hübschen Burschen zu tun, die einem die Dienste als "Guide" anbieten und körperlich gleich viel mehr Körperlichkeit offerieren. Einer dieser Herren war furchtbar beleidigt, als ich das Angebot ablehnte und ich hatte Mühe ihn wieder abzuschütteln. Ähnliches berichtete mir auch eine allein reisende Touristin aus Dänemark. Sie meinte, das Problem hätte auch mit westlichen Touristinnen zu tun, die durchaus "mehr" von den Guides erwarten. Fortaleza – der zweite Spielort Deutschlands – wiederum gilt als Hochburg für "Liebe"-suchende männliche Touristen. Prostitution ist für arme Brasilianer leider eine "Einnahme-Quelle". 

Das Pelourinho - schmale Gassen, tolle Musik

So weit zu den Schattenseiten. Doch zurück zu den schönen Seiten Bahias. In Zentrum Salvadors eröffnet sich eine Traumwelt. Bis zu Beginn der 1990er-Jahre war das Pelourinho speziel das Maciel-Viertel als heruntergekommene Ecke, in der nur ärmere Menschen lebten. Erst dann wurden die wunderschönen historischen Häuser restauriert. Inzwischen ist der Maciel ein beliebtes Ausgehviertel. Eine Bar reiht sich an die nächsten. An den meisten Abenden gibt es Live-Musik und man kann dabei herrlich Caipirinha schlürfen. 

Michael Jackson "They don't care about us" - mit Olodum

Meist wird das Viertel gegen Abend von der städtischen Polizei abgeriegelt und man muss Kontrollen passieren. Damit soll verhindert werden, dass Waffen, Messer oder sonstige gefährliche Gegenstände mitgenommen werden. Wer weiß und Tourist ist, gilt automatisch als "reich". Tatsächlich sind alle, die sich ein Flugticket nach Brasilien leisten können im Vergleich zur Mehrheit der Einheimischen reich. Ich hatte deshalb auch immer ein paar Give-aways eingesteckt. Nachdem ich im Pelourihno einmal ziemlich ausführlich abgeklopft worden war, hatte ich mir einen Vorrat an Lippenstiften zugelegt und großzügig verteilt. Die Polizei-Damen waren entzückt:-) und dem abendlichen Spaß stand nichts mehr Wege ... Verlässt man des Abends die Zone, so sollte man unbedingt ein Taxi nehmen. Selbst bei kleinen Strecken kann doch einiges passieren. Deshalb mein Tipp für Brasilien-Reisende: Fragen Sie bei Ihren Unterkunft-Gebern nach einem vertrauenswürdigen Taxi-Fahrer und vereinbaren Sie Abholtermine. Die Hotel- und Pensionsbesitzer kennen "ihre" Leute. Da ist man gut aufgehoben. 

Tipps für Brasilien-Reisende:

Die meisten Einheimischen auf die ich traf, waren sehr freundlich, großzügig und offen. Dennoch ist es günstig einige Sicherheitstipps zu beachten:

  • Tragen Sie einfache Kleidung (vermeiden Sie offene Sandalen mit weißen Socken)
  • Vermeiden Sie Goldschmuck
  • Nehmen Sie nur kleine Geldbeträge für unterwegs mit
  • Geben Sie auch den Ärmeren und der Polizei kleine Geschenke (Bestechung hin oder her, die paar Euro tun einem westlichen Touristen nicht weh)
  • Gehen Sie nicht im Dunklen alleine auf der Straße
  • Fragen Sie Ihren Unterkunft-Geber nach einem vertrauenswürdigen Taxi-Fahrer und vereinbaren Sie Abholtermine

 

Dann können Sie die schönen Momente im Pelourinho entspannt nachwirken lassen. Meist ist zumindest jeden Sonntag ab etwa 19 Uhr High-Life in dem Viertel angesagt. Dann tritt Olodum auf. Die aus dem Viertel stammende Truppe trommelt und bringt tausende Menschen dazu auf dem Kopfsteinpflaster sich im Trommelrhythmus zu bewegen. Jedes Mal ein faszinierendes Erlebnis.

In gewisser Weise ist es dieser Bloco-Afro-Gruppe auch zu verdanken, dass das Pelourinho eine Aufwertung erfuhr. Denn als der US-Musiker Paul Simon den Welthit "Rhythm of the Saints" hier gemeinsam mit Olodum aufgenommen hatte, wurde das Pelourinho schlagartig berühmt. Auch auch Michael Jackson drehte mit der afro-brasilianischen Gruppe vorort. "They don't care about" zeigt die schmalen hoch ansteigenden Gassen und die farbenfrohe Truppe. Teile des Videos wurden auch in einem Armenviertel in Rio aufgenommen. - Das Pelourhino ist heute ein Magnet für Touristen und auch ärmere Einheimische profitieren davon. Es gibt einige Sozialprojekte wo man mit traditionellen afro-brasilianischen Mustern bedruckte Tücher kaufen kann und vieles mehr. Auch der Erlös der Olodum-Produkte kommt der Truppe zugute.

Capoeira - Kampftanz der Sklaven

Tagsüber sollte man sich unbedingt die Capoeira-Tänze ansehen. Capoeira war einst eine Selbstverteidigungs- und Kampfsportart, die Sklaven ausübten. Das war allerdings unter den Kolonialherren strengsten verboten und so tarnten die Afro-Brasilianer den Capoeira als Tanz. Die geschmeidigen, exakten Bewegungen werden heute auch im Westen gelehrt. Das Kapitel der Sklaverei ist bis heute nicht wirklich verarbeitet in Brasilien. 

In den vier Jahrhunderten der Kolonialzeit wurden vier bis fünf Millionen Afrikaner nach Brasilien verschleppt. Aufstände wurden immer wieder blutig niedergeschlagen. Erst 1888 wurde von Prinzessin Isabel die Sklaverei abgeschafft. Doch die Grundlagen für ein menschenwürdiges Überleben wurden nicht geschaffen. Die Sklaven wurden über Nacht in extreme Armut geschickt. Die Nachfahren zählen immer noch zu der ärmsten Bevölkerungsgruppe. Der Tourismus hat hier ein wenig Besserung gebracht. Denn die Vorführung der alten Bräuche, die Gastronomie etc. spülen ein wenig Geld in die Taschen der Afro-Brasilianer.

Was sie lieben? - Musik, Fußball und pure Lebensfreude. Pele, Ronaldinho und Kaká sind ihre Stars - ebenso wie "ihre" Musiker. Bei der ständigen Hitze in Salvador ist mir auf meiner Reise nicht viel mehr eingefallen als das Leben einfach zu genießen - langsam, langsam am Tage und am Abend tanzen gehen! Und das ist sicher auch das Beste das man sowohl in Deutschland als auch in Brasilien im Zuge der WM 2014 machen kann. - Trotz aller Armut vor Ort habe ich die meisten Afro-Brasilianer in Bahia als unheimlich liebenswert und gastfreundlich erlebt. Nicht nur einmal wurde ich von Familien spontan eingeladen am Tisch Platz zu nehmen und auf ihre Kosten zu essen. Allein reisende Frauen tun ihnen leid. Sie finden das ungewöhnlich. Und oft verbrachte ich unterhaltsame Stunden und musste dann geradezu kämpfen, um eine Rechnung bezahlen zu dürfen.

 

Egal wie das Match am 16. Juni für Deutschland ausgeht. Ich wünsche der der deutschen Mannschaft, dass ihnen ein "Ausgang" ins Pelourinho erlaubt wird! Die Atmosphäre ist einfach wunderbar. - Und für die Menschen vorort, die Medienberichten zufolge häufig unter schlechten Arbeitsbedingungen im Zuge der Bauarbeiten für die WM 2014 zu leiden hatten, mache ich jetzt einfach mal ganz direkt Werbung. Die Erlöse der Olodum-CDs und MP3 kommen direkt den Afro-Brasilianern zugute. Sie machen vor Ort tolle Projekte und finanzieren auch Ausbildungen und Arbeitsplätze! 

Und sonst: Daumen drücken für die deutschen Jungs in Brasilien - einem wunderschönen Land voller Gegensätze!

 

Autor seit 10 Jahren
61 Seiten
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