Lilith Stangenberg bei der ...

Lilith Stangenberg bei der Premierenfeier (Bild: © Steffen Kassel)

Metaphysische Weiten

Im Vordergrund steht die musikalische Abteilung, denn Marton favorisiert das Musiktheater. Seine Crew wird lediglich durch die Volksbühnen-Akteure Sir Henry und Lilith Stangenberg aufgefrischt, hinzu kommt noch ein Chor, der wegen seiner Kirchenlied-Affinität mitunter an Zwangsgottesdienste aus der Kindheit erinnert und für eine Schlummerstimmung sorgt. Kein Palliativ, eher ein Beruhigungsmittel. Wer sich in der letzten Spielzeit "Das wohltemperierte Klavier" in der Berliner Schaubühne angesehen hat, weiß von vornherein, dass es auch diesmal sehr musikalisch zugeht. Und wie sie spielen! Insbesondere der Trompeter Paul Brody sticht hervor, er bläst sehr einfühlsam, als befinde man sich in metaphysischen Weiten und habe die Last des Daseins vorübergehend abgeworfen.

Klassische Musik und ein bisschen Rock

Der Bühnenboden ist knallrot, darauf liegt eine spiralgemusterte runde Scheibe, die gut als Dekor für eine 70er-Jahre Hippie-Band gepasst hätte. Ein roter Vorhang, der einen Latexfreund begeistern könnte, trennt die Vorder- von der Hinterbühne, wo in schillernder Erhabenheit ein Klavier steht. Zumeist ist der Vorhang segmentiert, er gibt den Blick nach hinten frei und die einzelnen Vorhangteile sehen aus wie Pfeiler. David Marton verwendet Kompositionen von Arnold Schönberg, Bach, Purcell und Olivier Messiaen – sie sind der Kitt, der die Bruchstellen der Theatersektion zusammenhält. Selbst härtere Klänge werden angeschlagen, die in Serbien geborene Jelena Kuljic zelebriert mit ihrem Gesang ein Cream-Revival, erreicht damit eine imaginäre Wiederauferstehung von Eric Clapton.

 

Wandel der Gesichtszüge

Frank Castorf, ein Halbkönig des Abluchsens, hat Lilith Stangenberg aus Zürich mitgenommen und nun wird sie in der Volksbühne überbeansprucht, ohne allerdings frühzeitig Verschleißerscheinungen zu zeigen. Das Volksbühnen-Nölen beherrscht sie mittlerweile bis zur Perfektion. Einen starken Auftritt liefert sie auch diesmal, zumal sie das arg gestraffte "Macbeth"-Programm quasi im Alleingang bewältigen muss. Mitunter nimmt ihr Mund eine Hufeisenform an, als Zeichen wachsenden Ingrimms, der Bedrohung. Jäh hellen sich ihre Gesichtszüge auf, es zeigen sich feine Facetten des Aufbruchs von jemand, der zu sich kommt und ins Weihevolle zurückfindet. Doch bald kommen wieder die Paroxysmen und Phantasmagorien des Geistes. Ein Absturz, ein nebliger Taumel – die Beseitigungen zerren an ihren Nerven. Einen Gattenverkörperer gibt es nicht, Thorbjörn Björnsson bewerkstelligt das nur behelfsmäßig, redet ein paar Macbeth-Sätze und vertauscht seinen Schottenrock mit einer weißen Unterwäsche von erotischer Fragwürdigkeit. Als gäbe es nicht genug Rot, muss auch etwas Kunstblut herhalten, das, wild verspritzt, einen Performance-Charakter hinzufügt. Dank der Musik läuft der Abend nie in Gefahr, in Langeweile abzugleiten. Viel Musik und ein Solo-Theater mit eifrigen Komparsen – das Konzept ist gerade noch gelungen.

Das Schottenstück. Konzert für Macbeth 

nach William Shakespeare

Übersetzung: Friedrich Schiller (für das Weimarer Hoftheater 1800) 

Regie: David Marton, Dramaturgie: Thomas Martin, Barbara Engelhardt, Bühne: Bert Neumann, Kostüme: Nina von Mechow, Licht: Frank Novak. 

Mit: Lilith Stangenberg, Gabriella Hámori, Thorbjörn Björnsson, Paul Brody, Marie Goyette, Jelena Kuljic, Nurit Stark, Sir Henry, Chor: Caroline Olbertz, Winnie Brückner, Marcus Gartschock. 

Volksbühne Berlin

Premiere vom 9. Oktober 2013

Dauer: ca. 2 Stunden, keine Pause 

Bildnachweis: © Steffen Kassel

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