Die konsequente Anwendung von Wärme (Bild: Pixelio.de)

Mitgefühl mit dem Verfasser der Mail dürfte die erste Empfindung sein, wie viel Schmerz muss dieser Mensch doch erleiden. Der nächste Gedanke mag der Frage nach der dahinterstehenden Erkrankung gelten und vielleicht kommt dann noch Zweifel an der Qualität unseres Medizinsystems auf. Auf die Idee, dass dieser "arme Kerl" selbst Schuld an seiner Misere ist, kommt mit Sicherheit kaum jemand. Die Schuldzuweisung wurde keinesfalls mit Überheblichkeit oder gar bösartiger Absicht vorgenommen. Dennoch ist es hier wie mit Gesetzen, Unwissenheit schützt vor Strafe - den Folgen -nicht.

Die Krankheit des Patienten äußert sich als extremer Schmerz im unteren Rücken, vergleichbar mit einem seit langer Zeit bestehenden Super-Hexenschuss und denkbare internistische, sowie besonders bösartige Erkrankungen können wegen eingehender Untersuchungen als Ursache ausgeschlossen werden.

Die Geschichte der Schmerzerhaltung

Sofern der Mensch einen Muskelschmerz empfindet, greift er mit seiner warmen Hand an die Stelle und versucht mit Reiben und Kneten die Durchblutung oder anders ausgedrückt die Wärmebildung zu steigern und sich Linderung zu verschaffen. Das wirkt in den meisten Fällen gut aber was geschieht, wenn der Schmerz trotzdem bleibt? Dann wird die gute alte Wärmflasche hervorgeholt und eine hautreizende Rheumacreme aufgetragen und der Partner um Massage gebeten. 

Wärme und Massage

Wärme und Massage

Wichtig zu wissen: Der Körper reagiert sofort!

Entgegen Witzeleien, nach denen die Wirkungen von Kuren erst zu Weihnachten eintreten, reagiert unser Organismus quasi im "Handumdrehen" auf jeden Einfluss sofort. Diese Fähigkeit ist lebensnotwendig, denn nur so können die verschiedensten Anforderungen gemeistert werden: vom Liegen zum Stehen und danach ad hoc zum morgendlichen Joggen. Atem- und Herzfrequenz, sowie der Blutdruck werden in sekundenschnelle den Anforderungen angepasst. Beim Ortswechsel von geheizter Wohnung in winterliche Kälte werden die Blutgefässe der mit der Kälte in Kontakt kommenden Hautpartien blitzschnell verengt, um Wärmeverluste zu vermeiden. 

Wie ist unter Beachtung dieser Fähigkeiten eine Unterkühlung, beispielsweise durch Zugluft zu werten? Angenommen, jemand setzt sich bei einem Ausflug auf einen kalten Stein und erhebt sich - nach dem Picknick - mit einem Hexenschuss. Der erste und völlig zutreffende Gedanke ist, er hätte sich verkühlt und er strebt deshalb die heimische Badewanne mit einem schönen, heißen Bad an. 

Danach wird jedoch oft die Erfahrung gemacht, dass sich Beschwerdefreiheit dadurch nicht erreichen ließ, sich im Gegenteil der Schmerz noch verstärkte. Die Erklärung für diesen Effekt ist einfach: Um  dem erlittenen Wärmeverlust entgegen zu wirken, hat unserer Körper bereits vorher versucht, ihn durch Wärmezufuhr auszugleichen. Er steigerte die Durchblutung und wenn danach weitere Wärme zugeführt wird, ist u.U. eine Stauung, ein mäßig entzündlicher Zustand die Folge, der durch weitere wärmende Anwendungen bis ins Unerträgliche gesteigert werden kann.

Durch unangepasste Selbsthilfe wird die Selbstregulation des Organismus ausgehebelt.

Was ist da schief gelaufen?

Trotz intensivster Bemühungen sind keine befriedigenden Ergebnisse zu vermelden und niemand macht sich die Mühe Behandlungsvorgänge selbstkritisch zu überdenken. Alle Behandlungen, ausgenommen Operationen, haben gemeinsamen die Durchblutungsförderung, also die Wärmebildung am Ort der Beschwerden. Es wurden ständig Reize gesetzt, während das Gegenteil davon, die Beruhigung, nicht statt fand. Anders ausgedrückt, ein einer Entzündung stark ähnelnder Zustand wurde immer wieder und wieder "angeheizt".

Noch keine Änderung? Nun wird professionelle Hilfe gesucht und ein Arzt konsultiert. Der injiziert und verordnet schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente und empfiehlt die schmerzende Region stets warm zuhalten. Sofern sich dadurch, was nun auch kaum zu erwarten ist, sich wiederum keine Zustandsverbesserung einstellt, beginnt das  "große medizinische Programm": Fachärztliche Spezialuntersuchungen, vielleicht eine Kur in einem Moorkurort, vom Patienten bezahlte Behandlungsmaßnahmen und schlussendlich Operationen.Stellt sich auch so keine Veränderung ein, bildet eine Reha-Kur den krönenden Abschluss. Da wird In wenigen Wochen alles, was vorher bereits unternommen wurde, besonders intensiv wiederholt. Ist auch das ohne Ergebnis, steht einer Invalidenrente kaum noch etwas im Weg.

Entzündungen und Wärme

Die Kenntnis, dass Blinddarmentzündungen nicht mit Wärmflaschen behandelt werden dürfen, gehört zum Allgemeinwissen. Bei Muskelschmerzen, die weitgehend die gleichen Eigenschaften haben, glaubt der Volksmund, dass nur Wärme entspannend wirken kann. Ein möglicherweise sich fatal auswirkender Irrtum. Hitze, Schwellung und Schmerz sind typische Entzündungszeichen, die bei beiden Zuständen vorliegen. 

Napoleon in Sibirien (Bild: Wikipedia.de)

 Auf den Gedanken es mit dem Gegenteil von Wärme, der Kälte mindestens einen Versuch zu unternehmen, kommen nur wenige (und machen gravierende Fehler dabei). Kontakte von Ratsuchenden werden regelmäßig abgebrochen, wenn meine Empfehlung es mit Kälte zu versuchen, erfolgt. Es scheint, als würden sich durch die Erwähnung von Kälte Erinnerungen an die verlorenen Winterschlachten Napoleons und Hitlers in Sibirien einstellen.

Kälte, aber richtig angewendet

Kälte in Form von Eis hat sich bei Schmerzzuständen, die auf Wärme nicht mit sofortiger Verbesserung reagieren, bestens bewährt. 

Ein aus dem Tiefkühlfach entnommenes Coolpack aber ebenso auch tiefgekühlter Spinat etc. erfüllt den Zweck und wird auf die schmerzende Stelle gelegt. Dabei muss beachtet werden, dass das Eis nicht länger als etwa 30 Sekunden dort liegen bleibt und nach dieser Zeitspanne abgenommen wird. Erst nach verstärktem oder erneutem Auftreten der Schmerzen kann es wieder angewendet werden. In der Praxis wird die Wiederholung der Eisauflage mehrmals notwendig sein, wobei zu beobachten sein wird, dass der Schmerz erst nach immer längeren Intervallen verstärkt wieder einsetzt. Die schmerzreduzierten oder schmerzfreien Intervaqlle verlängern sich in dem Maße, wie sich der Reiz- oder Entzündungszustand vermindert.

Dem Anwender wird, insbesondere wenn er gute Erfahrungen mit Eispackungen gemacht hat, der Gedanke kommen, es für längere Zeit anzuwenden. Das so frei nach dem Motto: "Viel hilft viel". Davon muss jedoch dringend abgeraten werden, da die Selbstregulierungsmechanik des Körpers offensichtlich längere Eisanwendungen als Wärmeentzug interpretiert und lokal die unerwünschte Wärmebildung steigert.

Durch Eis können Medikamente gespart werden

Schmerzmittel haben neben ihrer erwünschten Wirkung leider auch unerwünschte Nebenwirkungen. Die Menge der Painkiller kann durch die Anwendung von Eis meist deutlich reduziert werden. In nicht wenigen Fällen wird deren Konsum sogar unnötig. Obwohl Eispackungen kein Heilmittel, sondern zur "Ersten Hilfe" zu zählen sind, können mit ihnen dennoch Heilungen erzielt werden. Begründung ist, dass die Selbstheilungsbestrebungen des Körpers nicht behindert, sondern unterstützt werden.

Ist denn Wärme schädlich?

Generell kann mit Wärme, wie auch mit Kälte Schaden angerichtet werden. Wichtig ist zu erkennen, in welcher Regulationsphase sich der Organismus gerade befindet. Das geschieht am besten durch Probieren: Schmerzen, die sich nach 30 Sekunden Kälte nicht spürbar verbessern, möchten mit Wärme behandelt werden, mit der sich ebenfalls in gleich kurzer Zeit dann Erleichterung schaffen lässt. Wobei Schmerzen, die im warmen Bett auftreten oder sich dort verschlimmern, logischerweise nach einer Eisanwendung "schreien".

Nochmals, der Körper reagiert immer sofort. Achten Sie auf diese Reaktionen und passen Sie die Behandlungsmaßnahmen dem an. Das gilt nicht nur für die Anwendung von Wärme oder Kälte, sonder für jede manuell-physikalische Behandlung. Sofern alles plangemäß verlief, müssen Sie sich hinterher jedesmal deutlich beschwerdefreier fühlen als vorher.

Klaus_Radloff, am 03.09.2012
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