Heiraten zu Beginn des 20. Jarhunderts
Hochzeitsbild von Giacomina ...

Hochzeitsbild von Giacomina, geborene Maranesi und Karl Hölzer aus Wächtersbach im Jahr 1905

Heiratswillige Mädchen und Buben in der Andreasnacht

Der 30. November, die Andreasnacht, war für heiratsfähige Mädchen und Buben ein wichtiges Datum. Zahlreiche Bräuche sind überliefert, die mit der Brautwerbung und einem künftigen Ehestand verknüpft waren. Heiratswillige Mädchen – und welche waren das nicht?! – warfen um Mitternacht einen Schuh gegen die Tür, rückwärts über die Schulter. Zeigte die Spitze zum Ausgang, wies dies darauf hin, dass sie binnen eines Jahres als Braut aus dem Haus gehen würden. Andere schlichen zur Mitternacht in den Obstgarten, schüttelten einen Zwetschgen- oder Pflaumen-Baum und sagten dabei: "Baum, ich schüttel dich! Mein Schatz, rüttle dich". Dann lauschten sie in die Nacht, um zu hören, wo ein Hund bellt. Aus dieser Richtung sollte dann der Liebhaber kommen. Um Mitternacht wurden kleine, aus Silberpapier gefaltete Näpfchen in eine Schüssel mit Wasser gesetzt. Jedes dieser Schiffchen trug den Namen eines Beteiligten. Begegneten oder berührten sich zwei Schiffchen, so war dies ein sicheres Zeichen, dass die Zwei bald ein Paar werden würden.

Die Landshuter Hochzeit, ein historisches Festspiel

Die Schutzpatronin der Liebenden: St. Barbara

Eine zentrale Bedeutung für die Zweisamkeit hatte der Barbaratag am 4. Dezember. St. Barbara diente nicht nur den Bergleuten, Köchen, Soldaten oder Bauleuten als Schutzpatronin, sondern auch den Liebenden. Von Kirsche, Forsythie, Apfel, Pflaume, Rotdorn, Holle, Weichsel, Zwetschgen und Flieder – im Odenwald wurden nur Steinobstzweige verwendet – wurden Barbara-Zweige geschnitten. Daran banden Mädchen Zettel, auf denen ein Wunsch stand – oder der Name des erwünschten Partners. Der Zettel an dem Zweig, der am 24. Dezember zuerst aufblühte, sollte den richtigen Partner offenbaren oder darauf hinweisen, dass der gehegte Wunsch in Erfüllung geht. Je mehr Blüten aufgingen, desto eher war die Hochzeit zu erwarten. Also sammelten die Mädchen Zweige mit vielen Knospen.

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Streit in der Ehe schon programmiert

 Wer bei der Hochzeit der Braut auf den Schleier trat und ihn dabei zerriss, dem haftete der Fluch an, dass er für viel Streit in der Ehe sorgte. So genannte Schwollmädchen – vom "schwolischen Regiment" abgeleitet und der leichten Kavallerie nachempfunden – begleiteten die Brautfuhre und hüteten Ringe, Brautschuhe und anderes Utensil.

Schüssel- und Tellersprüche aus dem Spessart verhießen Ehefreud' und Eheleid: "Lieber im Wald bei einer wilden S..., als zuhause bei einer bösen Frau" oder "Jungfernlieb und Rosenblätter, vergeh'n so wie Aprilenwetter". Auch war die Gleichberechtigung damals durchaus ein Thema: "Ich bin der Herr im Haus, das wäre doch gelacht – was meine Frau sagt, wird gemacht!".

Ratschläge rund ums Heiraten in Sprichwörter verpackt

Mehr oder weniger weise Sprichwörter gaben Ratschläge zur Brautsuche: "Ist die Mutter gut von Sitten, magst du um die Tochter bitten" oder "Früh aufsteh'n und früh freien, tut niemanden gereuen". Es gab aber auch Sätze, die der frühen Heirat wenig Positives abgewannen: "Wer net heiert, der is' dumm – un' wer zu ball heiert, is' g'scheit dumm". Letztlich gab es die Erkenntnis "Hauptsach' mer basst zamme, mit wem is' worscht".

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Das Hochzeitsbild von 1905 zeigt meine Urgroßeltern. Meine Uroma Giacomina stammte aus Italien. Ihre Familie siedelte ins Tessin um und schickte die Tochter als Kammerzofe in die Wetterau, zur Fürstenfamilie zu Ysenburg und Büdingen nach Wächtersbach. Mein Uropa war damals schon Kammerdiener im Wächtersbacher Schloss.

© Ruth Weitz, freie Journalistin

Krimifreundin, am 10.10.2013
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Bildquelle:
Kerstin Schuster (Total verrückte Hochzeiten - Trauung einmal anders)

Autor seit 13 Jahren
251 Seiten
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