Eine Reise nach Drachenstein

Drachenstein ist ein beschauliches Königreich, das zwischen den zwei Flüssen Siegfried und Arthur im verzauberten Tal der Grünelfen liegt. Das Reich des Herrschers Nepomuk ist nicht größer als eine deutsche Großstadt und genießt eine besondere  Technifizierung. Obwohl die Sitten, Gebräuche und Lebensformen der Bürger von Drachenstein stark an das Mittelalter erinnern, benutzen sie elektrische Zahnbürsten, MP3-Player oder Chipkarten. Zudem hat König Nepomuk von einer seiner langen Reisen das Geld-und Finanzsystem aus Europa in die noch unentdeckte Welt rund um Drachenstein gebracht. Dass dieses Finanzsystem seine Schwächen hat, erfährt Nepomuk im Verlaufe seines Lebens als Monarch von Drachenstein.

In Drachenstein gibt es unter anderem Minenarbeiter (Rohstoffabbau), Schmiede (verarbeitendes Gewerbe) und Kutschenfahrer (Dienstleistungen). In den Katakomben  des Schlosses, in dem König Nepomuk lebt, wohnt der Schatzmeister Theobald, der die Finanzen des Staates in der Form von Drachensteintalern (DT) in einem großen Tresor aufbewahrt. Alle Bürger des Reiches, wie die Minenarbeiter, Schmiede oder Kutschenfahrer zahlen Steuern, die dann direkt in den Tresor des Schatzmeisters gehen. Mit den Steuern aus dem Tresor bezahlt Nepomuk Arbeiter, die Straßen bauen oder die die große, steinerne  um das Königreich  errichtete Mauer instand halten.

 Im ganzen Königreich verteilt gibt es mehrere kleine Privatbanken, bei denen die Bürger ihr Geld gegen eine Gebühr aufbewahren und Konten errichten können. Außerdem ist es den Bürgern gestattet, sich bei den Privatbanken Geld auszuleihen, also Kredite aufzunehmen, um sich beispielsweise ein neues Schwert zu kaufen. Die Privatbanken können mehr Geld verleihen, als sie wirklich als Einlagen der Bürger besitzen. Sie müssen gerade einmal 1% des Kreditvolumens, also des verliehenen Geldes als Spareinlagen vorweisen können. Wenn also eine Bank 100 Drachensteintaler besitzt, kann sie 10000 DT verleihen und dafür Zinsen nehmen. Das Geld wird dann einfach per Computer auf das Konto des Kreditnehmers gezaubert.

Die einzige Bank, die die Befugnis hat, Drachensteintaler herzustellen, ist die Zentralbank von Drachenstein. Privatbanken, die Geld benötigen, leihen sich zu einem bestimmten Zinssatz Geld bei der Zentralbank. Wenn die Zinsen gering sind, also der Preis des Geldes für die Banken gering ist, dann ist das auch für die Bevölkerung von Drachenstein bedeutsam. Denn wenn eine Bank nicht nur 100 DT Spareinlagen besitzt, sondern sich auch noch durch Kredite bei der Zentralbank Geld besorgt und so 200 DT im Tresor liegen hat, kann sie nicht nur 10000 DT, sondern 20000 DT verleihen. Zudem muss sie keinen so hohen Zinssatz mehr bei der Bevölkerung nehmen, wenn auch die Zentralbank das Geld für die Zinsen günstig abgibt.

Inflation als Maßnahme gegen Schulden

Eines Tages kommt der Schatzmeister Theobald in den Thronsaal zu Nepomuk. Er bringt keine guten Nachrichten. Die Schatzkammer ist nicht nur leer; Theobald musste sogar schon zu Privatbanken gehen und Schulden aufnehmen, damit sich das Königreich weiter finanzieren kann. Theobald hat die Befürchtung, dass die Steuereinnahmen von Drachenstein nicht mehr ausreichen, um die Schulden samt Zinsen zurückzahlen zu können, denn 500 DT sind eine ganze Menge. Für 500 DT könnte man sich momentan bei Schmied Alfred 50 schöne Schwerter kaufen, da ein Schwert 10 DT kostet.

schwert

Eine zündende Idee

Theobald ist schockiert aber auch ratlos und weißt nicht, wie man die Staatsfinanzen aus der schlechten Lage befreien kann. Da hat König Nepomuk eine Idee, an die er sich noch von einer seiner Reisen erinnert.

Nepomuk sagt der Zentralbank am Abend, dass sie ganz viele Drachensteintaler prägen und die Zinsen für das Geld niedrig lassen soll. Am nächsten Tag sehen die Privatbanken, dass sie sich günstig neues Geld bei der Zentralbank besorgen können. Sie leihen sich also viele Drachensteintaler, um diese an die Bürger weiter zu verleihen.

Am selben Tag kommt Minenarbeiter Philipp an der Bank vorbei und sieht, dass er jetzt günstig an Geld kommt. Er freut sich, denn er will sich schon so lange bei Alfred ein teures Schwert  kaufen, doch als Minenarbeiter verdient er nicht genug. Der günstige Kredit kommt ihm wie gerufen.

 

Eine Woche später geht der Kutschenfahrer Rainer zu Alfred dem Schmied. 10 Jahre hat er für ein tolles Schwert gespart und die Leute mit der Pferdekutsche durch das Königreich gefahren. Er hat Überstunden gemacht und auf Urlaubsreisen verzichtet, um sich seinen Kindheitstraum zu erfüllen. Endlich hat er die 10 DT zusammen. Doch als er die Schmiede betritt, wird er kreidebleich. Das Schwert kostet jetzt nicht mehr 10 DT, sondern 20 DT. Alfred sagt ihm, dass in der letzten Woche die Nachfrage so gestiegen ist, dass er die Preise angehoben hat. Er vermutet, dass sich so viele Leute jetzt ein Schwert kaufen können, weil die Kredite so günstig sind. Jetzt ist Rainer wütend und traurig, denn sein Geld ist auf einmal nur noch die Hälfte wert. Er wird nun wohl auch einen günstigen Kredit beantragen, um doch an das Schwert zu kommen.

Nach einem Monat bietet Alfred seine Schwerter schon für 50 DT pro Stück an. Doch das macht den meisten Leuten nichts aus, da jeder ganz einfach bei der Bank neue Kredite beantragen kann. Allerdings haben sich auch eine ganze Menge Menschen um den Kutschenfahrer Rainer versammelt, der heute wutentbrannt eine Rede auf dem Marktplatz hält. Sie alle haben lange gespart, um sich mit dem Geld Träume zu erfüllen. Natürlich sind sie jetzt alle geknickt, weil ihr sparsames Leben am Ende ein Reinfall zu sein scheint.

 

Währenddessen stoßen Schatzmeister Theobald und König Nepomuk auf dem Schloss mit einem Kelch Wein an. Der Plan von Nepomuk ist aufgegangen. Die Schulden von 500 DT sind nun kein Problem mehr. Theobald hat 10 Schwerter, die im Schloss an einer Wand hingen, einfach auf dem Marktplatz verkauft. Vor Nepomuks Schachzug hätte er noch 50 Schwerter verkaufen müssen.

 

 

 

Nach einem Jahr ist die Situation im Königreich jedoch dramatisch; ein Schwert kostet 50000 DT. Aber Alfred möchte keine Drachensteintaler mehr haben. Er tauscht seine Schwerter lieber gegen Essen und Kleidung, da das Geld fast wertlos geworden ist.  Kein Bürger in Drachenstein will mehr arbeiten gehen. Denn der Verdienst ist am nächsten Tag nur noch die Hälfte wert.

Nepomuk wusste, dass alles so kommen würde, und weiß auch, was zu tun ist.

 

Doch die Währungsreform ist ein anderes Kapitel unserer Reise nach Drachenstein.

 

 

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