Was ist Igel?

Da gesetzliche Krankenkassen Leistungen immer mehr pauschalisieren und reduzieren müssen, fallen ärztliche Honorare niedriger aus. Ärzte versuchen die so entstandene Ausfälle, durch Verkauf von Zusatzleistungen auszugleichen. "IGeL", (Individuelle Gesundheitliche Eigen-Leistung) ist die Lösung.  

Auch wenn ein Praxisverkauf, beispielsweise aus Altersgründen ansteht, wird vorher heftig "geigelt", um den Verkaufspreis zu erhöhen.

Statistik: Ärzteeinkommen 2007 (Bild: Focus Online)

Für Igel-Leistungen zahlt der Patient selbst. Hinter der Idee steht die Überlegung, dass ärztliche Leistungen, die nicht im Zusammenhang mit der Behandlung von Krankheiten stehen, von den Versicherungen nicht bezahlt werden. Dabei handelt es sich einerseits um sinnvolle, beispielsweise vorbeugende Maßnahmen sowie Gesundheitsatteste für Lebensversicherungen, Impfungen, prophylaktische Blutbilder und Laboruntersuchungen, etc. Leistungen also, die nicht im Zusammenhang mit der Behandlung von Krankheiten stehen. Darüber hinaus wird eine große Palette zusätzlicher Therapien mit oft zweifelhaftem Wert angeboten, die dem Praxisbetreiber "den Belag auf´s Brot" bringen.

Geld stinkt nicht!

"Ich wüsste da eine sehr gute Therapie für Sie, die aber so neu ist, dass sie von den Krankenkassen noch nicht bezahlt wird". So oder ähnlich beginnen viele Gespräche, mit denen "Igel" verkauft werden sollen. Dann folgen Angebote, wie sie von Heilpraktikern auch gemacht werden. Der ansonsten geforderte Anspruch der Schulmedizin auf Wissenschaftlichkeit ist plötzlich ohne Belang und so werden – zum ärztlichen Wohl – Fußreflexzonenmassagen, Atlas- und Kranio-sakrale Therapie, Homöopathie etc. empfohlen. Derartige Behandlungen können übrigens vom Arzt auch an unausgebildetes Personal delegiert werden und so kann es geschehen, dass eine in weiß gekleidete Putzfrau Therapien durchführt, die sie niemals umfassend erlernt hat.

Esoterik pur: IGeL-Leistung Reiki und Bio-Resonanz

Die dem Reiki zugrunde liegende Idee ist, zu heilen wie es einst Jesus tat und so sollen dann bei Behandlungen Lebensenergien vom Therapeuten auf den Patienten übertragen werden. Handauflegen, eine Spielerei für gelangweilte Hausfrauen, die aber auch von einigen Ärzten als IGeL angeboten wird. 

Bioresonanz, der nächste Kritikpunkt. Elektronisch und per Computer werden Fehlreaktionen des Organismus abgegriffen und mit einem ebenfalls computergesteuerten Entgegnung einfach mal so "gelöscht". Ein Vorgehen, das zu Denken geben sollte: Die Auswirkungen von Rattengift werden ausradiert und nun kann der Mensch wieder Rattengift ohne schädliche Folgen konsumieren.

Chiropraktik (Chirotherapie) Kassenleistung oder IGel?

Die Chirotherapie gehört zu den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen. Zahlungen durch Patienten werden mit einem einfachen Trick möglich: Nach Ausbildung und Prüfung in der Chirotherapie wird von der Ärztekammer die Zusatzbezeichnung "Chirotherapie" erteilt. Damit kann die Abrechnung bei der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) beantragt werden. Wird dieser Antrag nicht gestellt, bleibt die Chirotherapie eine vom Patienten zu bezahlende Leistung. Bereits bestehende Abrechnungsgenehmigungen können auch zurückgegeben werden. Siehe: http://www.facharzt.de/content/red.otx/574,55319,0.html

Ob Kassenleistung oder nicht, es bleibt die Tatsache, das chirotherapeutische Behandlungen in nur seltenen Fällen länger als 5 Minuten dauern und von Kritikern als esoterischer Unsinn gesehen werden. Beschwerden der Halswirbelsäule? Ein paar ruckartige Griffe am Hals oder Nacken genügen? Vergleicht man die Wirbelsäule mit dem "Schiefen Turm von Pisa", dann kommt jeder Bauarbeiter zu dem Schluss, dass die Absicht den "Turm Wirbelsäule" über die Stellungskorrektur der obersten Plattform unsinnig sei. Chirotherapeuten und Chiropraktikern ist dieses Kunststück jedoch angeblich möglich. (Siehe auch http://pagewizz.com/genickbrecherische-chiropraktik-und-chirotherapie/

Ein industrieller Igel (Stoßwellentherapie)

Die Industrie versucht sich ebenfalls an diesen Boom anzuhängen und bietet Gerätschaften an, die Gesundheit bewirken sollen. Ein Beispiel dazu ist die "Stoßwellentherapie". Stoßwellen wurden ursprünglich als nicht-invasive Behandlungsmöglichkeit von Nieren- Harn- und Gallensteinen eingesetzt. Sie werden in Krankenhäusern verwendet. Allerdings ist die Zahl der dort benötigten Geräte verhältnismäßig klein. Folglich suchte und fand die Industrie weitere Absatzmärkte im ambulanten Bereich. Allerdings nicht um Steine aufzulösen, sondern zur Behandlung von Rücken- und Gelenkbeschwerden. 


Fersensporn, Tennisellbogen, Achillessehnenreizung, Patellaspitzensyndrom, Dupuytrenscher Kontraktur, Knochenbruchheilungen sind in etwa die Indikationen, die mit starken mechanischen Schwingungen, vergleichbar mit denen eines Presslufthammers, "durchgeschüttelt" werden. Die mechanischen Reize werden kritiklos auch bei entzündlichen Zuständen angewendet. So beispielsweise bei einer Dupuytrenschen Kontraktur, einer extrem entzündlichen und hochschmerzhaften Komplikation z. B. nach Knochenbrüchen, die ansonsten mit Unmengen entzündungshemmender Medikamente behandelt werden. Wie Behandlungsberichten zu entnehmen ist, entwickeln sich danach u.a. häufig starke Schmerzen. Ärztlicherseits wird dazu gesagt, dass es bis zu 10 Wochen bis zur Beschwerdefreiheit dauern kann. Eine Zeitspanne, in der sich auch ohne Behandlung gelegentlich Normalisierungen einstellen. Kostenpunkt für diese Tortur zwischen 30 und 120 Euro pro Misshandlung.

IGeL und Verbraucherschutz

Die Verbraucherzentralen halten ebenfalls nicht alle Angebote für sinnvoll. Nach Auffassung der Patientenbeauftragten der deutschen Bundesregierung, Helga Kühn-Mengel, bieten Ärzte Maßnahmen an, deren Nutzen häufig fragwürdig sei. Selbst der Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung kritisiert, dass Patienten zu fragwürdigen Leistungen überredet würden, und fordert Gegenmaßnahmen. Der als Kritiker von Ärzten und der Pharmaindustrie bekannt gewordene Journalist Jörg Blech bezeichnet IGeL als "intransparentes Gemisch überflüssiger Leistungen". Der Verbraucherschützer Wolfgang Schuldzinski von der Verbraucherzentrale NRW nannte die meisten solcher Zusatzangebote entweder "nicht zwingend erforderlich", "schlicht überflüssig" oder gar "medizinisch fragwürdig".Verteidigt werden dagegen IGeL-Leistungen von ärztlicher Seite und so soll der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns, Axel Munte gesagt haben: "Die Gesetzliche Krankenversicherung kann keine Optimalversorgung gewährleisten" und daher sei eine Ergänzung durch IGeL sinnvoll".

(Quelle: Wikipedia) http://www.facharzt.de/content/red.otx/574,55319,0.html

Wie können Sie sich schützen?

Patienten werden nur selten beurteilen können,ob die vom Arzt vorgeschlagenen Zusatzbehandlungen für sie sinnvoll sind oder nicht. In diesen Fällen kann die Einstellung, "Versuch macht klug" hilfreich sein. Doch lassen Sie sich keinesfalls hinreißen einen Behandlungsvertrag mit beispielsweise 10 Therapien zu unterschreiben. Beurteilen Sie vor jeder Behandlung die Intensität der Beschwerden etc.und beurteilen Sie die erneut - vergleichend - unmittelbar nach jeder Behandlung. Sie müssen sich dann deutlich besser und beschwerdefreier fühlen. Ist das nicht der Fall, könnte ein weiterer Versuch mit einer zweiten Behandlung unternommen werden.  Wieder nichts passiert oder haben die Beschwerden sogar noch zugenommen? Dann verzichten Sie auf weitere Termine! Etwas was sich in zwei, allerhöchstens 3 Behandlungen nicht bessert, wird sich auch von 10 oder mehr Behandlungen kaum positiv beeinflussen lassen.   

Klaus_Radloff, am 06.11.2012
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Bildquelle:
Bildnachweis: BVMed-Bilderpool (Ärzte sind auch nur Menschen)
Foto Kerstin Schuster (DRF Luftrettung: Menschen auf dem Luftweg retten, ohne Förderer fas...)

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