Der Suchbegriff "ars gratia artis" bringt es bei Google auf klägliche 500.000 Einträge. Und Wikipedia traut sich schon gar nicht, den Ausdruck in seiner lateinischen Form in seine Textsammlung aufzunehmen. Dort findet sich der Begriff in seiner französischen Umschreibung; L'art pour l'art (*). Wer Französisch spricht, der ist gebildet. Und Latein ist sowieso out.
Ob in der lateinischen oder in der frankophonen Fassung, Kunst ist nicht zweckorientiert. So lautet das Credo. Autotelie ist das zugehörige Fremdwort. Dieser sprachliche Dreisprung verleitet den eiligen Internet User zum Absprung. Dennoch - es bleibt ein gewisser Nervenkitzel. Wieso sagen die Alten, dass Kunst sich selbst genügen kann?

(Bild: geralt)

Let it flow

Unter dem Stichwort Autotelie nennt Wikipedia die Unabhängigkeit als interessanten Aufhänger. Unabhängigkeit ist wieder aktuell in einer Welt, die alles und jeden tracken will.
Schon in früheren Zeiten haben die Dichter und Denker gern ihre gedankliche Unabhängigkeit behalten. Es geht also nicht nur um die Kunst. Es geht um das Denken und Handeln in verschiedenen Formen.
Dieses Freisein im Kopf hat manchem Menschen wohl gut getan. Immanuel Kant soll von Wohlgefallen gesprochen haben. Doktor Feelgood Kant.
Andere Denker führen bei dem Ausdruck "ars gratia artis" die Ästhetik ins Feld. Unter Ästhetik versteht der biedere Betriebswirt alles, was schön ist. Ars gratia artis – Unabhängigkeit – das Schöne in der Welt. Der Gedankengang hat etwas. Da könnte man noch ein paar Zeilen weiterlesen.
Selbstentfaltung ist ein weiteres Reizwort. Sei, der du bist - alles nette Worte. Diese ars gratia artis Sache zieht Kreise im Denken des Lesers.

Dann kommt die moderne Psychologie.
Der Flow-Effekt (*). Menschen strecken die Arme in die Strahlen der untergehenden Sonne. Normalerweise muss der Konsument ein Produkt käuflich erwerben, bevor er derart jubeln kann. Nicht so in der Autotelie. Ars gratia artis erlaubt das kostenfreie Jubeln.

Alles fließt

Der Flow-Effekt – was ist das?
Wenn ein Mensch komplett in einer Tätigkeit aufgeht, dann hat er den Flow. Bergsteiger erfahren zum Beispiel das Gipfelglück. Auch das Tanzen in Trance wird darunter verstanden. Wer es noch nicht wusste, der erfährt an dieser Stelle im Lexikon, dass es hauptberufliche Glücksforscher gibt. Ein solcher hatte den Begriff vom Flow-Effekt geprägt (*).

Zweckfreies Handeln macht demnach glücklich. Frei von den Bindungen der äußeren Umstände zu sein, das ist Flow. Und wie kommt man dorthin? Durch das Prinzip des ars gratia artis. An dieser Stelle scheint sich der Kreis zu schließen.

Der versunkene Gamer

Jetzt gesellen sich die Spieltheoretiker dazu. Spielen entrückt demnach von den Zwängen des Alltags (*). Ein Gefühl der Unendlichkeit stellt sich ein. Einem Ausspruch Schillers könnte man die Einheit mit dem Universum andichten.

Das ist schon ein starkes Stück, wie eine solche gedankliche Verbindung von ars gratia artis zu einem Einheitsbewusstsein führen kann. Und an einem lauen Sonntagmorgen kann dieser Gedankengang zum Nachdenken verführen. Im Job muss der Mensch zielorientiert denken. Die Aufgaben müssen erfüllt werden. Im privaten Bereich kann der Einzelne sich durch zweckfreie Handlungen und freie Gedanken unabhängig machen.

Fazit.

So, was bleibt? Die alten Römer haben ihr eigenes Prinzip nicht durchgezogen. Irgendwo sind sie zwischen Machtdenken und dem Streben nach Glücklichsein hängengeblieben.
Für den modernen Menschen bleibt aus diesem Sinnspruch "ars gratia artis" vielleicht der Gedanke an den Flow-Effekt. Dieses Gefühl, dass alles fluppt. Bergsteigen, Tanzen, spielerisches Tun – Hauptsache, es macht Spaß. Und das muss auch nicht 90 Mio kosten.

(*) Textquellen: Wikipedia/ L‘art pour l‘art, Wikipedia/ Autotelie, Wikipedia/ Flow

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