Schiffsverkehr – Seemannslieder a la Hans Albers?

Man braucht nicht unbedingt zu erwähnen, dass auf der neuesten Scheibe von Herbert Grönemeyer uns ein Gesang entgegenschlägt, der in dieser originären Form einzigartig ist, und zahlreiche Stimmimitatoren inspirierte sowie fast jedem Comedian zu einer Bühnennummer verhalf. Die Unverwechselbarkeit hat mit Sicherheit zumindest teilweise dazu beigetragen, dass er schon seit drei Jahrzehnten fest zum Musikerstamm gehört – auch wenn manche englischen Texte ab und zu leichter zu verstehen sind als seine. Entsprechend gehört auch bei der neuen Scheibe manchmal etwas Konzentration dazu, um zu verstehen was der "Herbie" denn gerade singt. So wird aus dem geschriebenen "Segel" bei Grönemeyer ein gepresstes "Säggel", was im süddeutschen Raum ein sehr gebräuchliches Schimpfwort ist und streng übersetzt nichts anderes als Pimmel, Schniedel oder Penis bedeutet…

Manch anderem, der dialektfrei singt, würde man sicherlich auch manchen Reim so nicht durchgehen lassen, doch durch die abgehackten und gepressten Wortfetzen reimen sich bei Grönemeyer gesungen eben auch manche Worte, die geschrieben nur im Entferntesten eine klangliche Ähnlichkeit vermuten lassen. Der Titel "Schiffsverkehr" lässt zunächst aufhorchen und staunen: singt Grönemeyer jetzt etwa Seemannslieder und eifert Hans Albers und Freddy Quinn nach? Singt er jetzt von den Mädchen am Hafen und der rauen See, dem Rum und dem Klabautermann? Keine Angst, all das macht er nicht. Sicher, warum das neue Album Schiffsverkehr heißt erschließt sich nicht unmittelbar, doch mag man nach mehrmaligem Hören, doch den einen oder anderen übertragenen Sinn dahinter sehen.

CD-Kritik - Was erwartet uns auf Schiffsverkehr und lohnt sich das Album?

Kerniger, knackiger, Deutschrock in seiner kompromisslosen Form – so beginnt das Album mit dem Titelsong "Schiffsverkehr". Röhrende Gitarren und ein fetter Schlagzeugsound gepaart mit beißenden Synthiklängen und der, in diesem Fall aber eher ein wenig übertrieben gepressten, Stimme von Grönemeyer, lässt einen eine echte Rockscheibe erwarten. Allerdings bleibt es hierbei nicht. Viel eher hat man bei dem Album fast den Eindruck, dass sich Grönemeyer nicht ganz treu geblieben ist und doch zahlreiche Anleihen bei anderen Musikern und Bands gemacht hat (ohne ihm einen Guttenbergschen Plagiats-Vorwurf machen zu wollen). Hier ein bisschen Westernhagen, dort ein wenig Rammstein, noch etwas Gunter Gabriel-Geschrammel, eine Prise Gipsy Kings Rhythmen und dann ein Sternekoch Namens Grönemeyer, dem es gelingt, aus all diese Zutaten doch noch ein recht appetitliches Menü zu zaubern.

Spätestens seit "Mensch" dürfte jedem bekannt sein, dass die Texte von Herbert Grönemeyer nicht einfacher Herz-Schmerz-Einheits-Buchstabensalat sind. Vergleichbare starke Nummern mit viel (Achtung Schiffverkehr…) "Tiefgang", sind auf der neuen CD aber eher nicht zu finden, auch wenn sie offensichtlich den Anschein erwecken sollen. Nicht alles was nicht sofort zu verstehen ist, muss zwingend als intellektuell bezeichnet werden! Geradezu ironisch erscheint in diesem Zusammenhang, dass Grönemeyer auf seinem Promotion-Schiffs-Ausflug, zu dem zahlreiche Journalisten geladen waren, die Frage gestellt bekam, was der Welt denn noch fehlen würde. Seine Antwort: "Ein selbst textendes Computerprogramm" – vielleicht weiß er ja schon mehr als wir…

In den letzten Jahren hat sich Herbert Grönemeyer zu einem Meister der Balladen entwickelt und entsprechend dürfen solch ruhige Stücke natürlich auch auf "Schiffsverkehr" nicht fehlen. Und die gelingen alles in allem auch recht gut und man spürt "Herbie" in seinem Element. Schade aber auch hier, dass in die eigentlich wunderschönen Nummern noch unbedingt soviel überzogene Dramatik gepackt wurde. Aus tollen Klavierstücken mit eingängigen Melodien werden dann plötzlich aufgeblasene und aufgedonnerte Schmachtfetzen, mit Streichern und Mehrstimmigkeit, die gut für manchen Teenie-Tanzfilm wären, um am Ende noch mit Tränen in den Augen im Kino zu sitzen.

Sicherlich ist Schiffsverkehr nicht die stärkste Scheibe die Grönemeyer herausgebracht hat. Das ist allerdings auch keine Schande, denn mit "Mensch" hat er sich selbst die Latte so hoch gelegt, dass es ein langes musikalisches Leben bedarf, um diese nochmals zu überspringen. Was das Album aber sehr sympathisch macht, ist die Tatsache, dass die Musik einem nicht sofort beim ersten Hören ins Ohr geht, sondern es vier bis fünf Anläufe braucht.

Fazit

Schiffsverkehr ist bei Weitem nicht die beste Grönemeyer-Platte aber trotzdem durchaus hörenswert.

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