Das Kaffeehaus
Vom Strafen, das nie geahndet wird und dem Psychiater, der es aufklärt. Kurze Rezension.Wien im 19 Jahrhundert.
1891, Wien ist fest im Griff des Adels, der über so manches nicht spricht, etwa Krankheit und Sterben sind praktisch tabu. Doch es ist allgegenwärtig und unsichtbar. Es lauern Gifte und unerforschte Bakterien, praktisch jeder ist potentieller Saboteur. Und so stellt man auch niemanden zur Rede, selbst wenn es um Verfehlungen des Familienoberhauptes geht. Selbst Trennungen sind problematisch weil sie stigmatisieren und den Verdacht nähren, dass es etwas mit der Gesundheit zu tun hat. Prestigeverluste sind schwierig.
So sind etwa einen Kaffeehäusern Frauen generell 'nicht erlaubt ', möglicherweise fürchtet man sie könnten sich mit den Herrn auf ein Schwätzchen einlassen die in den Kaffeehäusern verkehren und das sind oft Literaten, Ärzte und Künstler. Selbst Freud könnte angesprochen werden! Und keiner der Wiener Herren will, dass seine 'häusliche Autorität' untergraben wird.
Unter der so aufpolierten Oberfläche von Etikette und Stil verläuft die Linie ganz woanders. Es gibt geheime Zugänge zum Sacher um einer Dame oder einem Herrn von Stand die Möglichkeit zu geben ungesehen zu einer Verabredung zu gelangen. Es gibt Gesinde-Cafés in denen die Begleitung, denn eine Dame geht niemals alleine außer Haus, inzwischen wartet. Oft endet des dramatisch wenn ein solches G'spusi auffliegt, denn dann liegt ein Duell in der Luft. Schon wieder der Tod.
Fiakerkutschen, Cafehäuser und Kirchenbesuche. Wien ist bigott und frivol. (Bild: jojooff / Pixabay)
Sophie
Die junge Adelige Sophie eine ehemalige Hofdame der Kaiserin erbt den Kaffeehausbetrieb von ihrem Onkel Stefan der verstorben und hinterließ ihr die Kaffeehäuser, aber auch einen Geschäftsführer den sie weiter beschäftigt und dem ihr Onkel seit Jahren vertraut hatte, denn es ist unüblich, damals als Geschäftsfrau tätig zu werden.
Im sogenannten alten Kaffeehaus gibt es überhaupt nur eine Frau die Sitzkassiererin, bei der alle Gäste beim Verlassen des Lokals ihre Rechnung begleichen. Um ihr neues Umfeld kennenzulernen arbeitet sie mit und übernimmt auch Schichten als Sitzkassiererin. Sophie hat auch ein Privatleben das sie zu verbergen sucht. Richard, der seinerseits verliebt in Sophie ist, trifft sie heimlich. Es war nämlich für Hofdamen der Kaiserin nicht üblich sich zu verheiraten. Und nun ist Richard der der verheiratet ist!
Als ihre jüngere Schwester einen Selbstmordversuch unternimmt, beschließt ihre Mutter mit ihrer Schwester zu Sophie, in die großzügige Wohnung des Onkel Stefan, zu ziehen. Als Milli aber zu Schlafwandeln beginnt, spricht Sophie mit einem ihrer Gäste, Dr. Freud, der über neueste Behandlungsmethoden verfügt, und damals in Wien nicht unumstritten ist. Sie muss die Behandlung selbst zahlen und es dauert geraume Zeit bis er zu ihr, dann zu Milli, durchdringt und sich auf seine Behandlung einlässt. Doch der Erfolg kommt im kleinen Schritten und gibt letztlich Henriette Recht, die die Trennung von ihrem zweiten Mann fordert.
Maximilian und Amalie, Richards Frau, werden bei dem geheimen aber ungehörigen Treffen im Separee erwischt und zwar von Richard selbst. Er vertuscht die Sache so gut wie möglich denn seine Vorgesetzten haben nur auf einen gesellschaftlichen Skandal gewartet. Die Wiener Polizei, die auch Sittenbeamte beschäftigt, will nicht verstehen, wie wir es sein kann, dass man in einem so auf Anstand und Ehre bedachten Wien, einfach Hinterzimmer mieten und sie praktisch zum Ehebruch nutzen kann. (Der männliche Erbe!) Es käme ans Licht das Freifrau Amalia ihrem Mann Richard die Hörner aufgesetzt hat und es wäre vorbei mit seiner Karriere im Regiment. Noch dazu ist es Richards Cousin!
Weitere Beteiligte
Kronprinz Rudolf und Mary Vetsera, seine junge Freundin, haben sich in Mayerling das Leben genommen oder zumindest soll die Öffentlichkeit das glauben, denn es ranken eine Menge Geheimnisse um den Tod der beiden. Sophie war mit Mary sehr eng befreundet und bewahrt ein Dokument, das deren Tod betrifft.
Henriette und Milli, Sophies Schwester
Henriette ist Sophies Mutter, die sich von ihrem Mann Arthur trennt, als klar wird, dass Milli, die von Arthur missbraucht wurde und einen Selbstmordversuch unternahm. Sie ziehen zunächst zu Sophie, die eine Wohnung erbte, die es ermöglicht, die beiden unterzubringen. Eine glückliche Fügung ermöglicht Milli eine Gesprächstherapie bei Sigmund Freud und dieser bringt sie auf die Idee, ein Mädchengymnasium zu besuchen und ihren letzten Schuljahre nachzuholen. Gestärkt durch die Trennung, die Übernahme des Unternehmens und das "neue Leben", nimmt sie dies in Angriff. Daneben sind die Frauen des ARbeiterstandes in Aufruhr, gründen dort und da eine Einrichtung und gewinnen Henriette zum Unterricht in Lesen und Schreiben der Arbeiterinnen.
Struktur
Es wird zunächst auf das Begräbnis Danzers und das Testament erwähnt, auch Sophie, wie sie sich eben in ihrem neuen Kaffeehausbetriebe, langsam durchsetzt. Dabei hilft ihr ihre Vergangenheit als Hofdame der Kaiserin, ein Titel der mit Macht einhergeht, obwohl sie ein gespanntes Verhältnis zur Kaiserin hat. Im Café Princess werden Veränderungen und Renovierungen nach Vorstellung des Fräulein von Werdenfels nur nach Absprache "mit dem Schleiderer" durchgeführt und vor allem warme Speisen nun angeboten die es bisher nicht gegeben hat. Dazu muss die Küche erweitert werden. Mit dem Erfolg kommt der Neid und die Sabotage, die widerum bringt die Gesundheitsbehörde, die das Unternehmen prüfen.
Es kommt eine sehr starke Ablehnung von Missbrauch zu Tage. Aber in Wien kann ein Mann mit seiner Frau nur selten offen sprechen erst recht wenn er sie noch nicht hat. Und so führt die strenge Auffassung von Sitte und Moral die Männer reihenweise auch in Etablissement der leichten Damen, wo Krankheiten grassieren. Dies wiederum wollen die Mädchen mit einwandfreien Leumund und ihre Mütter nicht wahrhaben. Sophie, die nicht mehr so starr in ihren Vorstellungen ist, liebt Richard und ist letztlich in der Situation, ihn diplomatisch von seiner Verbindung mit Amalie zu lösen.
Rezeption
Ein geistreiches Buch, das der Österreichischen Seele schmeichelt, gleichzeitig aber auch ermahnt und an die gesellschaftlichen Regeln, die über einer medizinischen Versorgung und der Aufklärung standen, erinnert.
Ist es eigentlich gut dass man sich mit diesen längst vergangenen Tagen in einem versunkenen Reich beschäftigt? Denn die ominösen Strafen die heranwachsende Mädchen ausgesetzt waren erinnern stark an einen unterschwelliges und hintergründiges Strafwesen, das bis ins heute nachwirkt. (Es setzt sich mitunter über Verfassungsgesetze hinweg.) Nun ist die Frage, war zuerst das Nichtgenügend im Diktat das zur Strafe durch den Stiefvater führte? Oder war der Wunsch ein unschuldiges Mädchen zu strafen vorher da, der das Geschehen in der Schule beeinflusste? Oder arbeiteten gar zwei Institutionen zusammen?
Es gibt kein Herrenrecht mehr und vor allem ist inzwischen in vielen Ausbildungen 'Hygiene' Pflicht. Vor allem in der Ausbildung der österreichischen Gastronomie ist Lebensmittelhygiene selbstverständlich. In der Praxis aber werden ungelernte Leute eingesetzt, dass die Regeln, die in der Schule gelehrt werden und eigentlich selbstverständlich sein sollten, weil Vorschrift, vernachlässigt werden.
Marie Lacrosse,
Das Kaffeehaus, Geheime Wünsche
Goldmann Verlag.
Bildquelle:
Abermals von der Aussenstelle
(Der Wühltisch)
Salzburg, Schach und Kunst.
(Das Buch im Film)