Der Gelbe Schein
Lea wohnt in der polnischen Stadt Sokolowice, bis der Vater stirbt - Review of an very old classicHandlung
Lea, die ihre Nase gern in Bücher steckt, wird von ihrem Vater angehalten, weniger zu lesen. Er meint, es sei nicht gesund so viel zu wissen. Gleichzeitig ist sie aber überzeugt, dass sie ihm in seinem Leiden helfen kann, wenn sie nur genug über Medizin weiß. Sie will in die Apotheke um ihm seine Medikamente zu besorgen, da trifft sie Ossip Storki. Der kommt gerade aus der Bibliothek und hat Bücher für Lea besorgt. Sie bringt ihn mit nachhause, wo ihn der Vater begrüßt. Sie zeigen ihm die Bücher und sie fragt den Vater allerliebst, ob er sie zur Universität nach Petersburg gehen lässt, wenn er wieder gesund ist. Er nickt zwar, denkt aber, dass dieses Ansinnen "completely crazy" ist, er will ihr diese Hoffnung aber "nicht zerstören".
Lea wird angehalten, mit Storki zu lernen, da erhält Storki einen Brief: Ihrem Vater geht es schlechter. Sie ist bestürzt und läuft gleich los. Ossip hinterdrein. Der Vater übergibt Ossip eine letzte Information, danach stirbt er in einem Hustenanfall. Ossip öffnet das Kuvert, darin ist das Tagebuch des Vaters. Er hat eines Tages einer Frau die Tür geöffnet, die ein Neugeborenes bei sich hatte. Sie wurde verpflegt und mit dem Kind untergebracht. Doch schon am nächsten Tage stellten sie fest, dass das Kind allein zurückgeblieben war. Eine Nachricht berichtete von ihrem Selbstmord und ersuchte, dass das Kind behalten würde.
Dann gibt Ossip, dessen Schwester verstarb, Lea bewusst ein Buch. Er sagte, dass in Petersburg, jüdischen Frauen gestattet ist, zu arbeiten, wenn sie eine "Gelbe Erlaubnis" hätten. Doch das war mit einem sozialen Abstieg verbunden, die eine Frau zu dieser "Art Frau macht". Lea zieht um nach St. Petersburg und bezieht ein Zimmer in einem Hotel. Sie zeigt ihren Schein, wird aber darauf hingewiesen, dass sie sich nicht "erwischen lassen soll", denn die Polizei sucht überall. Nun ist Lea doch dabei, zur Polizei zu gehen und sich einen "Gelben Schein" ausstellen zu lassen. Dort trifft sie Vera, die sie zu ihrer Wirtin mitnimmt ...
Lea und ihr zudringlicher Studienkollege Dimitri. (Bild: https://www.youtube.com/wat...)
Rezeption
Es ist eine Schau-OP mit den Verwicklungen der damals im russischen Petersburg offenbar aus sozialen Gründen notwendig waren. Es ist ganz außerordentlich, was der Professor zu leisten im Stande ist und zeigt auch überdeutlich, wie wenig Möglichkeiten eine junge Frau – zwischenzeitlich ein Waisenkind – im Petersburg kurz nach der Jahrhundertwende so hatte, es sei denn, man hatte das zweifelhafte Glück, ein Doppelleben führen zu können.
Interessant auch, dass in der Übersetzung, die zunächst tatsächlich im Deutschen als "Gelber Schein", zunächst das "Yellow Ticket" wurde. Ticket ist allerdings nicht nur eine Fahrkarte oder ein Zettel, auch ein Strafzettel, was die Art des Verständnisses des Films in den Vordergund rückt. Ist es nun eine Strafe oder eine Ermächtigung?
Es ist zu erfahren, dass der "Gelbe Schein" im zaristischen Russland an Prostituierte ausgegeben wurde. Aber diesen benötigte man als jüdische Frau, um sich in St. Petersburg dauerhaft anzusiedeln. Eine gefinkelte Rechtskonstellation, die es offenbar den Männern der Ochrana, den Geheimdienst und -polizei des Zaren, ermöglichte, gewisse Vorrechte zu etablieren. Mit der Oktoberrevolution wurde diese Regelung offiziell beendet. Der Stummfilm entstand 1918 und nimmt inhaltlich die "Schein-Problematik" bezug. Interessant, dass der Film original in deutscher Sprache umgesetzt wurde, was vermuten lässt, dass er sich an ein deutsches Publikum wandte. Er gilt als antirussischer Propagandafilm, könnte aber auch als Werk des Expressionismus angesehen werden, denn es kommen durchaus stilistische und inhaltliche Elemente vor, wie zB eine wife studierende Frau die sich als Hauptdarstellerin durchsetzt, was als ungewohnt gelten könnte. Andererseits natürlich wird die Abschaffung der Regelung zwar als Inhalt unterschlagen, dennoch werden sich Interessierte im Publikum vom Hintergrund überzeugen und auf die Gesetzesnovelle stoßen. Es wäre auch möglich, dass der Film die Novelle anregte.
Mit seinen 60 Minuten ist er zwar kürzer als Streifen in den späteren Jahren, doch schon von beachtlicher Länge. Umgesetzt wurde der Film von der Projektions-AG "Union" unter Paul Davison. Zu Zeiten der Dreharbeiten war der Erste Weltkrieg noch im Gange.
Die gebürtige Lipnarin, Pola Negri (eigentlich Apolonia Chalupec), wurde von zeitgenössischen Kritikern für ihre sehr nachvollziehbare Darstellung der Lea gelobt. Tatsächlich war Pola bereits seit 1914 in Stummfilmen zu sehen und wurde nach "Der Gelbe Schein" noch gefragter.
Sie erhielt ein Angebot, am deutschen Theater zu arbeiten und wurde dann auch für den Film entdeckt. Sie arbeitete mit Ernst Lubitsch und und wurde für Hollywoodfilme gecastet. Eine bemerkenswerte Karriere, die bereits mit allem, was einen Star auch sonst so ausmacht, begleitet wurde.
Pola Negri (Pola Negri – Wikipedia)
Bildquelle:
http://www.amazon.de
(Horrorfilme: Nach wahrer Begebenheit oder frei erfunden?)