Putte im Torhausgarten (Bild: Sundra Kanigowski)

Die Blume - Urbild und Schöpfungsstruktur - Die Urblume Schoschanah als Rose und Lilie, rot und weiß

 

In den hebräischen Schriften ist die Urblume Schoschanah zugleich Rose und Lilie, rot und weiß, und als verborgene Schöpfungsstruktur in jedem Menschen vorhanden. 


Das Urbild Blume ist eine Erfahrung, die tief im dunklen Grund des menschlichen Daseins verwurzelt ist, dem Licht entgegen wächst und schließlich das Wunder der Blüte ermöglicht, den höchsten Seins-Zustand der Blume. Mit ihrem Blühen ist die Blume geworden, was sie ist. Absichtslos ist sie gewachsen und hat sich bis zur Vollkommenheit entfaltet.

In ihrem Wachstumsprozess ist die Blume ein Sinnbild für die menschliche Seele mit ihrem Potenzial an Schönheit, Wachstum und Entfaltungskraft, die sich nach einem höheren, geistigen Licht und einem erfüllten Leben sehnt.

 

Bildquelle: Angelina S / pixelio.de

Hebräische Texte wie der Sohar (das "Buch des Glanzes") erwähnen die Urblume Schoschanah alsSchöpfungsstruktur in unserem Inneren. Als Rose und Lilie zugleich hat sie 13 Blütenblätter, abwechselnd ein weißes und ein rotes Blütenblatt, dazu ein 13. Blatt von einer uns noch unbekannten Farbe, die das Geheimnis des Ganzen enthält. Diese Struktur zeigt die Doppelheit des Lebens. Der Wechsel von Rot zu Weiß bedeutet für den Menschen die sich wiederholende Erfahrung des Wechselns vom Sichtbaren (Rot) ins Unsichtbare (Weiß), vom Körperlichen ins Geistige und vice versa. Die Schoschanah - auch die "Rose der Tiefen" genannt - ist nichts anderes als die Seele (Anima), der Inbegriff des Weiblichen. Sie verbirgt sich unter Dornen und Stacheln und will – wie Dornröschen – vom Menschen gefunden und befreit werden. Doch das Leid und die Schmerzen um sie herum, die durch die Stacheln symbolisiert werden, schrecken viele ab, bis ins Allerinnerste vorzudringen. 

 

Aufgang mit Rosen und Geranien (Bild: Sundra Kanigowski)

Sinnbild für Liebe, Schönheit, Vollkommenheit

Mystiker, Poeten und bildende Künstler aller Zeiten und Kulturen haben die Rose als Königin der Blumen und als Geliebte verehrt, gemalt, besungen und in Versen gepriesen. Ihre Schönheit, ihr Duft und ihre Vergänglichkeit haben sie zu einem Symbol der über den Tod hinaus währenden Liebe werden lassen. In der westlichen Symbolik spielt die Rose die gleiche Rolle wie der Lotos im Osten, beide sind ein Sinnbild für die Schönheit und Vollkommenheit der sich entfaltenden Seele.

 

Hazrat Inayat Khan (1882-1927), indischer Musiker, Mystiker und Sufi-Meister, erkennt die Rose als Sinnbild für die Entfaltung der Seele: "Die Seele kann mit der Rose verglichen werden - so wie eine Rosenknospe erblüht, entfaltet sich die Seele. Damit die Rosenknospe erblühen kann, braucht sie fünf Bedingungen: fruchtbare Erde, helles Sonnenlicht, Wasser, Luft und Raum. Die gleichen fünf Dinge braucht es auch zur Entfaltung der Seele."

 

Allen Rosengewächsen gemeinsam sind die fünf äußeren Kelchblätter der Knospen. Fünf ist die Zahl der Venus, der Erkenntnis und des vollkommenen Menschen. Aus der Teilung des Kreises durch fünf werden der Fünfstern und der Goldene Schnitt abgeleitet, eine Proportion von vollkommener Harmonie, die besagt: Das Große verhält sich zum Kleinen wie das Ganze zum Großen. Das bedeutet, im Makrokosmos gelten die gleichen Grundgesetze wie im Mikrokosmos Mensch. Im Mittelalter vollendeten die Bauleute ihr Werk mit einer steinernen Rose als Zeichen der Vollendung und Vollkommenheit.

Das Rosenrondell - rund um die Rose
Rosenrondell

Rosenrondell (Bild: Sundra Kanigowski)

Die Große Göttin als Heilige Rose - Verehrung der Kali, Isis, Venus Aphrodite, Sophia und Maria

 Die Rose ist das Symbol aller kosmischen Jungfrauen, Liebes- und Muttergöttinnen, von der sumerischen Ninchursag und der babylonischer Ischtar über Isis, Aphrodite und Venus bis zur gnostischen Lichtjungfrau Sophia und der christlichen Jungfrau Maria. Die Göttinnen wurden auch "Heilige Rose" genannt, da der Körper der jungfräulichen Mutter zugleich Tempel und Gefäß des Heiligen Geistes ist. Der Uterus der Göttin ist der Braukessel, in dem sich die magischen Wandlungen vollziehen: Geburt, Tod und Wiedergeburt.

Die Baumeister des Mittelalters bedienten sich dieses Bildes der Rose für ihre Rosettenfenster. Auch die Kathedralen und Kirchen sind Mutterarchetypen, Gefäße für den Geist. Durch die farbigen Rosettenfenster dringt das Licht ins dunkle Innere und erleuchtet den Innenraum. Die Betrachtung der Rosetten- und Rosenmandalas führt einerseits zur Besinnung auf die Mitte und zu einer Entfaltung aus dem Zentrum heraus, und zeigt zum anderen den Kreis als ein Symbol für den ewigen Kreislauf des Lebens, für die Vollkommenheit und Unendlichkeit Gottes.

Zurzeit der großen Kathedralen wie Notre Dame in Frankreich wurde Maria unter den Beinamen Rose, Mystische Rose, Rosengarten und Rosengirlande verehrt. Maria thront als Gottesmutter in Dantes Paradiso in einer weißen Himmelsrose.

Gelbe Rose
Gelbe Rose

Gelbe Rose (Bild: Sundra Kanigowski)

Die Symbolik von Rot und Weiß - Was sagen uns die Symbole Rose und Lilie, Sonne und Mond, Wasser und Blut?

Überlieferte Märchen, Mythen und Legenden sind durchdrungen von der polaren Rot-weiß-Symbolik. Denken wir an die Märchen Schneeweißchen und Rosenrot, Schneewittchen, Jorinde und Joringel oder an die Gralslegende. Der griechische Mythos berichtet vom Tod des Adonis, dem antiken Fruchtbarkeitsgott, dass aus seinen fallenden Blutstropfen rote Adonisröschen wachsen, während die über seinen Tod vergossenen Tränen der Aphrodite sich in weiße Rosen verwandeln.

Wie bei der rot-weißen Urblume mit dem dreizehnten Blütenblatt in einer noch unbekannten Farbe geht es bei der rot-weißen Polarität um die Erfahrung von Körperlichkeit und Geistigkeit, um Sichtbares (Rotes) und Unsichtbares (Weißes) - auch um den roten und weißen Saft von Frau und Mann. Erst wenn sich Liebe und Weisheit (Rot und Weiß) in einem Menschen vereinen, erst wenn der Prinz (Herr Animus, der geistige Part) die Dornenhecke (das niedere Ich) überwunden und das schlafende Dornröschen (Frau Anima, die Seele) wachgeküsst hat, kann die mystische Liebeshochzeit gefeiert werden. Der Durchbruch zur geistigen Welt ist vollzogen.

 

Weiß und Rot sind die alten Mysterienfarben für Sonne und Mond, Geist und Seele, Gott und Mensch, Mann und Frau. Die Evangelisten sahen in dem aus der Wunde Christi herausfliessenden Blut und Wasser ein Symbol der Gottmenschlichkeit. Eine blutrote Blume mit einer weißen Perle in der Mitte (Jorinde und Joringel) erinnert an das "Juwel in der Lotosblüte", das Om mani padme hum der Buddhisten. So macht erst das Beisammensein von Weisheit und Liebe, Gott und Mensch, Mann und Frau den ganzen (androgynen) Menschen aus.

 

Foto: "Schneeweißchen und Rosenrot" von Maren Beßler  / pixelio.de

 

Mandala Heckenrose

Heckenrose rosa (Bild: Sundra Kanigowski)

Mandala Heckenrose

Heckenrose (Bild: Sundra Kanigowski)

Rosenkranz - Rosenkreuz - Rosengarten

Der Ursprung des christlichen Rosenkranzes liegt in der "Rosenperlenschnur" (japamala) der Inder, die mit der Gebetskette aus roten und weißen Perlen den Namen der Großen Göttin Kali Ma wiederholen. Arabische Dichter nannten ihre rot-weißen Rosenkränze schlichtweg "Rosengarten", und bis ins 14. Jahrhundert wurde auch der Rosenkranz für die Marienverehrung rosarium genannt und Maria als "Königin des allerheiligsten Rosariums" verehrt.

Auch Isis, die kosmische Sternen- und Muttergöttin der Ägypter, war mit dem Rosenkranz verknüpft. Im Buch "Der goldene Esel" von Apuleius wird der Erzähler in einen Esel verwandelt und erhält nach vielen Irrfahrten erst dann seine menschliche Gestalt zurück, als er die erlösenden Rosen der Göttin Isis frisst. Die Form des ägyptischen Henkelkreuzes (anch) ist der des Rosenkranzes mit dem Kreuz darunter sehr ähnlich. Aus diesem Symbol des ewigen Lebens ist auch das Venus-Symbol entstanden.

Die Rose in der Mitte des Kreuzes symbolisiert die ursprüngliche Einheit, aus der die Welt sich entfaltet ähnlich wie aus der Lotosblüte in der indischen Religion. Die Rose ist das Symbol der sich ewig neu entfaltenden Welt. Zum Symbol von Rose und Kreuz verweise ich unter den Links auf die Rosenkreuzer.

Ewiges Leben, Aquarell (C)Sundra Kanigowski

Was früher unter dem Zeichen der Rose (sub rosa) mitgeteilt wurde, war im Vertrauen gesagt und musste geheim gehalten werden. Die Rosen, die in Beichtstühle geschnitzt sind, sind das Symbol der Verschwiegenheit.

 

 

Was immer unter der Rose geschieht
nichts davon wird aufgesagt
ob wahr oder erfunden
unter der Rose herrscht Schweigen


 

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