K.19
Das pechverfolgte Seefahrzeug erhielt von der Mannschaft den Nickname "Hiroshima", von Hollywood den Beinamen "Widowmaker"Die K.19 wurde als #901 in den Büchern der Werft geführt
Der 17. Oktober, an dem die Arbeiten an der K.19 begannen, muss ein Schwarzer Tag gewesen sein. Zunächst wurde während der Arbeiten an den Ballasttanks, ein Crewmitglied Raub der Flammen. Danach bestand der Reaktorblock den Abschlusstest nicht und der verantwortliche Kommandant deswegen degradiert. Ein Reparaturtrupp fand der Radioaktivität ausgesetzte Käfer auf dem Graphitschmiermittel und schlussendlich wurde die K.19 bei einer Testfahrt undicht. Aber vielleicht sind das die üblichen Hürden, die ein atombetriebenes sowjetisches U-Boot dieser Frühphase der Technologie bis zu seinem Stapellauf absolvierte?
Kurz nach der Zuweisung der K.19 wurde der Unterwasserkreuzer nochmals zum "Mörder" - ein Matrose starb bei Beladen des Bootes mit ballistischen Raketen. Schon in den ersten Manövern wurden weitere Unzulänglichkeiten identifiziert. Zunächst wurde der primäre Kühlwasserkreislauf undicht, dann kam es zu einem Reaktorstörfall, als die Kühlung ganz versagte. Das Kühlmittel erhitzte sich stark, es drohte eine Kernschmelze. Die russischen Offiziere hatten noch kaum Erfahrung mit Zwischenfällen mit Uboot-Reaktoren auf See, die Technologie war neu.
Aufgrund eines Defektes der Langstrecken-Antenne konnte die Mannschaft der K.19 unter Kommando des Nordmeer-Fregattenkapitäns Nikolai Wladimirowitsch Zatejev (auch Satejew), nur auf Kurzwelle funken, um Hilfe zu holen – offenbar ein Wartungsmangel. Sie wurden auch gehört. Indes versuchte man die Reaktoren mit einem Schlauch, der an einer Reservekühlpumpe angeschlossen wurde, zu kühlen, doch es kam zu einem spontanen Verdampfungsprozess, bei dem der Schlauch zerriss und die Techniker intensiver ionisierender Strahlung ausgesetzt waren. Heroisch arbeiteten die Seeleute weiter an der Verschweißung einer Leitung des Notkühlsystems. Alle acht beteiligten Seeleute erlagen der Schäden, die sie sich dabei zugezogen hatten, innerhalb von zwei Wochen.
Die inzwischen eingetroffene S 270 nahm einen Teil der Mannschaft an Bord: Drei Männer mussten mit Tragen an Bord gebracht werden, acht weitere gelangten aus eigener Kraft an Bord des Rettungsschiffes, das ebenfalls mit Torpedos ausgestattet war. Die K.19 sank nicht, sondern wurde in den Hafen geschleppt. Der Bergung war aufsehenerregend und der Vorfall schlug sich im Literaturschaffen der damaligen Sowjetunion nieder. Selbst ein Theaterstück wurde verfasst.
Die Geschichte der K. 19 ist noch nicht zu Ende. 1962 wurde die K. 19 einem neuen Projekt zugeordnet 658 M oder auch Hotel II – und dazu wurden Sektionen ausgebaut und durch neue ersetzt. Die alte 3er Sektion samt den Brennstäben wurde einfach in den Buchten der Insel Nowaja Semlja versenkt. Vermutlich liegt sie dort noch heute – als eines der 7 Reaktoren mit Kernbrennstoffen oder als "großes, nicht identifiziertes Objekt". In den Buchten von Nowaja Semlja liegen auch 3.200 Container mit Atommüll, dessen "Containment" selbst ehemalige hohe Militärs Sorgen bereiten, fürchten sie doch eine ökologische Katastrophe. Die Geheimhaltung verbietet es aber, darüber offen zu reden und Details zu veröffentlichen.
Steinschlag vom "Holystone"?
Die K 19 lief indes bis zum November 1969 problemlos. Bis zur folgenschweren Kollision mit einem Spionage-Boot der Amerikaner. Die USS-Gato, die in den russischen Hoheitsgewässern die Flottenaktivitäten und Militärbasen beobachten sollten, wurde von der K 19 gerammt, die daraufhin sank. Zwar gelang dem Schiff die Rückkehr in den Hafen, doch waren die Schäden enorm. Bemerkenswerter Weise war die K 19 aber bis 1990 im Einsatz und erlebte noch mehrere kleinere Störfälle ehe sie 2003 abgewrackt wurde. Eine lange Zeit für ein so lethales Boot: Sie forderte in ihren 30 Betriebsjahren 52 Menschenleben und das weniger Käfer.
K-19: Widowmaker
2002 entstand der Hollywood Blockbuster K 19 mit Harrison Ford (Indiana Jones) und Liam Neeson (Schindlers Liste). Der unter der Regie von Kathryn Bigelow entstandene Cold-War-Thriller erzählt Teile der Geschichte des U-Boots auf weitgehend authentische Weise: Kapitän Alexej Volstrikov erhielt den Auftrag einen Raketenabschuss aus dem arktischen Eis durchzuführen. Erfolgreich testen die Leute die Rakete - die Mannschaft besteht durchwegs aus jungen Burschen. Der Erste Offizier Mikhail Polenin konfrontiert den riskant agierenden Kapitän durchaus mit seiner Einschätzung, der Kapitän würde seine Mannschaft und das Boot in Gefahr bringen. Nach einigen Tagen auf See führt eine Explosion zu einem Leck im Kühlkreislauf des zweiten Reaktors und eine unkontrollierbare Kettenreaktion droht, den Reaktor durchbrennen zu lassen. Ein Reparaturteam wird in die Sektion 3 geschickt, was zu erheblichen Strahlenschäden bei den Männern führt. Und zu einer Meldung des Ersten Offiziers an Moskau.
Obwohl die Darstellung des Geschehens an Bord weitgehend authentisch sein dürfte, wurde der Unterwasser-Triller heftig kritisiert. Die mangelhafte Versorgung der Mannschaft mit Strahlenschutzanzügen, Medikamenten und die erneute Verwendung von verstrahlten Gerätschaften entsprach jedoch der Realität. Und der Charakter des Kapitän Zateyev, der ursprünglich das U-Boot führte, stimmt mit dem von Harrison Ford gegebenen Helden der Sowjets Vostrikov nicht überein. Zateyev ließ die Pistolen des Großteils seiner Mannschaft über Bord werfen, um möglicherweise einer Meuterei zuvorzukommen. So gesehen ist Gorbatschows Vorschlag, Zatayev für den Friedensnobelpreis zu nominieren blanker Zynismus.