Das klingt viel, aber aufgerechnet auf ein Jahr sind das in Italien 17.155 und in Spanien rund 20.000. In Österreich gibt es ungefähr 11.000 Vermisstenanzeigen pro Jahr. Wenn man die Zahl 250.000 - es ist die jener die in den EU-Ländern jährlich verloren gehen – erkennt man, dass es 685 Personen am Tag sind, die vermisst gemeldet werden. Doch es tauchen auch wieder welche auf und zwar in hohem Maß. So kann man etwa von Deutschland sagen, dass von den 100.000 Verschwundenen 93.000 wieder aufgetaucht sind und nur wenige jährlich wirklich verschwunden bleiben. Dennoch ist aus Italien bekannt, dass es 18 % sind, die nicht aus freiwilligen Gründen verschwinden. Es sind damit rund 3.160 Entführungen, mit denen sich die Carabinieri im Jahr auseinandersetzen müssen. 3.160 Kinder oder Jugendliche, die nicht aus freien Stücken untertauchen, sondern in Autos gezerrt oder zum Mitgehen gezwungen werden. Es ist dies kein Kavaliersdelikt, sondern es ist eine Straftat, die "Entführung" oder "Geiselnahme" heißt, je nachdem, wie es geschieht.

Nun ist die Tatsache des Verschwindens sehr unterschiedlich gehandhabt, denn wie es aussieht gibt es Unterschiede in der Handhabe der Vermisstenanzeigen. Einerorts setzt die Polizei auf Abwarten (3 Tage), bis das Kind oder der Jugendliche wieder auftaucht, anderorts beginnt man mit Hundertschaften innerhalb kürzester Zeit. Was dazu führt, dass das Kind innerhalb kürzester Zeit mit ernsthaften Maßnahmen gesucht wird, ist den einzelnen Meldungen nicht zu entnehmen. Es ist aber so, dass es eine Zusammenarbeit zu geben scheint, die es ermöglicht, Einsatzteams über die Grenzen hinweg zu einer Rettungsmission ausschwärmen zu lassen. Auch Hundestaffeln können gut koordiniert werden, sowohl von Polizei als auch Ehrenamtliche und die des Militärs. Die Recherche ergab, dass rasch eingeleitete Suchen in Verbindung mit polizeilichen Maßnahmen, wie Kontrolle von Fahrzeugen, durchaus Sinn ergeben und die Kinder eher wieder gefunden werden.

 

Die Hotline 116.000 ist in dieser Hinsicht überaus fortschrittlich, als dass sie die Fälle bei Meldung aufnimmt und die richtigen Stellen informiert. Auch hat Missing Children, wie der richtige Titel der Organisation lautet, eine eigene Hundestaffel, die in dringenden Fällen überregional eingesetzt werden kann. Natürlich ist die lokale Polizeibehörde mit erheblich mehr Möglichkeiten ausgestattet, wie Missing Children, doch auch hier gibt es Hoffnung. Der Organisation sind die meisten nationalen Kinderschutz-Einrichtungen beigetreten und dies ermöglicht ein gemeinsames Berichtswesen. Einige Länder, darunter Estland, die Türkei und Belarus, sind noch nicht dabei, doch die Organisation wächst und umfasst derzeit 32 Mitgliedsländer.

 

Die Zahlen der Italiener lassen vermuten, dass in den Ländern der EU organisierte Entführerteams im Einsatz sind, die sogar in Österreich zu einer gewissen Anzahl von Entführungsversuchen im Monat bringen. Es ist also eine ernstzunehmende Branche, die durchaus nicht nur Italien betrifft, wo die Entführung als Industrie bezeichnet wird. Es sind zwar offiziell keine Entführungen mehr in Italien "erlaubt", zumindest hat es die Mafia verboten, doch es geschieht immer noch. Auch andernorts ist man inzwischen draufgekommen, dass es meist ein Vorgeschehen gibt, dass der Entführungsfall nicht für sich allein steht. Das heißt, oft sind diese Entführungen keine Zufälle, sie sind geplant. Oft enden sie auch tödlich, manchmal nach langer Zeit des Inhaftiertseins (zB wenn der Täter das Kind mitnimmt und zuhause in seinen Räumen einsperrt), manchmal schon nach kurzer Zeit. Einer der unvergessenen Fälle ist jener der Natascha K., die ihr Eingesperrtsein überlebt hat und wieder freikam. Es gilt dies eher die Ausnahme.

Es ist schwierig und wird es wohl auch bleiben, heranwachsenden Jugendlichen genügend Freiraum zur Entfaltung zu geben, aber auch genügend Schutz. Denn gerade dieser Schutz ist mit Einschränkungen verbunden, die Jugendlichen überhaupt nicht akzeptieren will. Die Zeit der Pubertät, die vielleicht gerade noch andauert, macht die Sache nicht leichter, denn Gruppenzwang und andere modernere Zwänge machen es mitunter schwierig, sich zurückzuziehen. Auch ist ein Erstarken von Mobbing zu bemerken, das erheblich ist und mittlerweile mit Hilfe von Smartphone und Apps ausgeübt wird. Auch sind erpresserische Versuche bemerkt worden, die "Sextortion" betreffen und Jugendliche dazu bringen, sich vor der Kamera auszuziehen oder Fotos von sich zu senden, werden dann aber vom nicht mehr so netten Gegenüber damit erpresst, der droht, die Fotos zu veröffentlichen oder anderswo zu posten. Die Behörden haben diese Manöver in ihrer Datenbank. Die Beamten sind mit dem Wort vertraut, werden also von einem solchen Sachverhalt nicht überrascht sein.

 

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