Granovetters Modell der Stärke

Die zentrale These des amerikanischen Soziologen Mark Granovetter bezüglich der soziologischen Netzwerkforschung besagt, dass je stärker die Beziehung zwischen zwei Personen ist, desto höher ist auch die Anzahl der Personen, die zu beiden Personen eine Beziehung haben. Wenn die Person A zu den Personen B und C jeweils eine starke Beziehung unterhält, dann ist es fast unmöglich, dass es gar keine Art der Beziehung zwischen den Personen B und C gibt.

Granovetters Studie "Getting a Job", welche sich bereits zu einem Klassiker gemausert hat, untermauert seine These dadurch, dass Arbeitslose Informationen über Jobangebote oft durch Mundpropaganda und nicht durch Stellenanzeigen erhielten. Ein spannendes Detail hierbei ist, dass die meisten Informationen durch schwache Beziehungen, also Freunde von Freunden oder entfernte Bekannte geflossen sind und bei der Jobsuche ausschlaggebend waren.

Die soziale Schicht bestimmt das soziale Netzwerk

In den einkommensschwachen und bildungsfernen Schichten bestehen die Netzwerke größtenteils aus familiären Bindungen. Schwache Beziehungen sind im geringeren Maße vorhanden wodurch der Vorteil des Flechtwerkes aus schwachen Beziehungen stark eingeschränkt ist. Die sogenannte Mittelschicht zeichnet sich durch eine starke Vernetzung aus schwachen Beziehungen aus. Die Oberschicht ist allerdings wieder durch starke familiäre Bindungen gekennzeichnet – man bleibt gern unter sich. Eine Kompensation für diesen Informationsverlust den schwache Beziehungen bringen bieten Mitgliedschaften in exklusiven Klubs und Vereinigungen, welche künstliche Netzwerke schaffen.

Schwache Beziehungen liefern die größte Informationsausbeute und Nutzen

Als Faustregel gilt, dass je mehr schwache Beziehungen ein Gerücht oder eine Information durchlaufen, desto größer ist der Verbreitungsgrad. Aus biografisch, narrativen Feldinterviews, welche von Studenten im Rahmen einer Lehrveranstaltung an der Fakultät für Interdisziplinäre Forschung und Fortbildung Standort Wien durchgeführt wurden, ging hervor, dass rückblickend der Faktor Zufall und entfernte Bekannte oder Kontakte oft den Karrierestein ins Rollen brachten. Unter dem Deckmantel des Schweigens kam ebenso hervor, dass bei der Neubesetzung von offenen Stellen oft zuerst im weiteren Bekanntenkreis gefischt werden würde, um das Risiko einer Fehlbesetzung zu minimieren.

Ein plakatives Beispiel für die Vorteile von schwachen Beziehungen bietet ebenso die Lebenserzählung von Alice Teichova und Mikuláš Teich "Zwischen der kleinen und der großen Welt. Ein gemeinsames Leben im 20. Jahrhundert" aus der Reihe "Damit es nicht verlorengeht…" Band Nummer 55 erschienen im Böhlau-Verlag. Hier wird deutlich, anhand des Verlaufs eines erlebnisreichen Lebensweges, wie oft schwache Beziehungen und Bekanntschaften lebensrettend und karrierefördernd sein können. Kurz und gut: Wer ein Netzwerk hegt und pflegt, ist klar im Vorteil und vergrößert nebenbei den Faktor Glück bei der eigenen Karriere und dem eigenen Lebensweg.

Alkohol in Maßen ist karrierefördernd

Wer nach Feierabend noch ausgeht und mit den Kollegen noch einen trinken geht, verdient im Schnitt mehr Gehalt. Bei Männern schlägt der Gehaltsvorteil mit 10 Prozent zu Buche und Frauen ist der Vorsprung sogar bei 14 Prozent. Denn wer ausgeht, pflegt und knüpft Kontakte, schafft und pflegt somit soziale Netzwerke. Des Weiteren wird das Reden und das Zuhören geübt sowie Stress abgebaut. Auch viele Geschäftsabschlüsse wollen besiegelt und begossen werden. Aber Vorsicht: Der Haken ist, wer zu viel trinkt, dem winkt das Gegenteil und die Karriereleiter mutiert zur Karriererutsche in das Bodenlose. Die Grenze zur Talfahrt der Karriere liegt bei 21 Drinks pro Woche.

Granovetter, Mark S., "The Strength of Weak Ties", In: American Journal of Sociology, Volume 78 / Issue 6 (May, 1973), p. 1360-1380

 

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