The Homecoming
Richard Kimble - Arzt und flüchtiger Verurteilter - mit "Praxis auf der Flucht". Eine US-Serie aus den Jahren '63 bis '67 - hier ein Blick auf die Episode No. 28 der ersten von vier Staffeln.Richard Kimble - Wer ist das?
Den ersten Richard Kimble gibt der überaus smarte David Jansson, der sich elegant und trickreich durch die 120 Folgen spielt. Nach jeder Episode hat man den Eindruck, es ist die Reihenfolge durcheinander geraten. Es sind vier Staffeln und dreißig Episoden, die den Zuseherinnen und Zusehern zunächst in schwarzweiß, später in Farbe Momente aus dem Leben eines "Saint" präsentieren. Und tatsächlich, aus der unsagbaren Härte, mit der der Verurteilte – zu unrecht wie er selbst betont – durch die ersten Folgen geschubst wird, weicht mit der Zeit einer weicheren Sicht und einer "sich viel mehr vorstellen könnenden Gesellschaft". Man fasst wieder Vertrauen zu ihm. Deckt ihn, versteckt ihn, spricht mit ihm. Wenn es nicht einen Hinweis auf seine Identität gibt, von selbst verrät ihn keiner jener, bei denen er unterkommt oder Arbeit annimmt.
Immer wieder ist er in Fragen der Hilfeleistung, der Verpflichtung zur Sorge um Patienten verstrickt, die allerdings oft gar nicht so richtig wahrnehmen, dass es sich bei ihnen um Patientinnen und Patienten handelt. Es scheint auch nur eine latente Nebenhandlung, dennoch ist in diesen Folgen bereits vieles an Themen: Angststörung, Depressionen, Misshandlung, Unfälle und fingierte Unfälle, Suchterkrankungen und Medikamentenverabreichung, -knappheit oder -herstellungsschwierigkeiten.
Eigentlich ist durch die bemerkenswerte Berichterstattung, die der Fall hervorruft, Richard Kimble eher ein Medienstar denn ein Flüchtiger. Er ist auf einer Mission, versucht den Boden unter seinen Füssen wiederzubekommen. So ist er konstant auf der Suche nach dem Mann, den er verdächtigt, das Verbrechen tatsächlich verübt zu haben, dessen er beschuldigt wird.
Die junge Therapierte, nach dem Nervenzusammenbruch.
Geschehen im Überblick
Eine Episode der 120. Nicht zufällig ausgewählt: The Homecoming spielt in Savannah, Georgia. Eine junge Frau im heiratsfähigen Alter, Janice (Shirley Knight) kehrt aus einer Anstalt zurück, in der sie einige Monate gewesen war. Ihre Mutter war vor rund eineinhalb Jahren gestorben, danach, heiratete ihr Vater Allan (Richard Charlson) eine neue Frau. Als Janice Dorina (Gloria Grahame), ihre Stiefmutter, die sich als Hausherrin des stolzen Anwesens sieht kennenlernt, ist sie entsetzt. Sie muss sich erst an die Veränderung gewöhnen.
Gleichzeitig wird sie getestet, denn ihre Nerven scheinen in der Vergangenheit unter Spannung gewesen zu sein. Grund dafür sind die Hunde des Nachbarn Potter, der sich in den nahen Wäldern tummelt. Nach ihrer Rückkehr wird Potter gebeten, mit Hunden vorbeizukommen, um sie zum Kauf und Auswahl anzubieten.
Das Gebell der Hunde löst in Janice ein spontanes Erinnern aus – einen Flash Back sozusagen. Sofort erinnert sie sich. Das Geschehen erinnert spontan an ein "falsch abgespeichertes Geschehen" in der Vergangenheit, eine Traumatisierung. Dennoch wird ihr versichert, dass es sich nicht um dieselben Hunde handelt. Die Hunde, die als "Potters Dogs" verschrien waren, seien tot.
Kein angenehmes Heimkehren, vor allem weil die junge Dame keinen echten Ansprechpartner zuhause mehr finden kann. Ihrem Freund gegenüber ist sie reserviert. Richard Kimble, der dort unter dem Namen David Benton eine Stelle auf der Farm angenommen hat, erzählt sie von ihrer Mutter, die krank – später Invalidin – wurde und ihre Träume und Wünsche nicht mehr in die Tat umsetzen konnte. Sie vertraut ihm.
Wenig später kommt es wieder zu einem solchen Zwischenfall. Allerdings hat niemand die Hunde gehört - außer Janice - keiner auf der Farm hat die Hunde gehört. Nun bekommt das Erlebnis vom Tag ihrer Ankunft eine andere Bedeutung. Es gibt ja Hunde. Eine Diskussion zwischen Kimble und Dorina, die neue Mrs. Pruitt, ergibt, dass es die Hunde in den Wäldern noch gibt.
Unsicher geworden streitet Janice ab, die Hunde gehört zu haben. Das reicht ihrem Vater, der sofort die Klinik anruft, um sie wieder abzuholen und erneut wegzusperren. Kimble, der zufällig anwesend ist, bekräftigt aber, dass er Hunde hörte – welche Hunde ist unrelevant. Auch Mrs. Pruitt mischt sich ein. Sie ruft den ihr eng verbundenen Floyd an und schwärzt Kimble an, ihr nachzustellen. Gerade als es Schwierigkeiten geben könnte, laufen alle Janice hinterher in den Wald, die dem Hungegebell folgt. Janice hört auch ein verängstigtes Kind, das sie auch findet – glücklicherweise noch vor den Hunden, die sie einkreisen. Kimble trifft zuerst bei Janice ein, und verteidigt sie und den Jungen, während die anderen "Sucher und Helfer" sich noch immer diskret im Unterholz verstecken und erst nach und nach hervorkommen. Diesmal ging es aber gut.
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Überlegungen zur Episode
Wäre Richard Kimble nicht eingetroffen, um Janice zur Hilfe zueilen, vielleicht wäre es plötzlich zu einem "Revival der Taubheit" gekommen und die Männer um Dorina hätten sich zurückgezogen. Damit wäre Janice wieder allein im Wald und ihren Hilferuf hätte wieder niemand gehört, diesmal vielleicht sogar für immer. Wie einfach es sich manche Menschen doch machen.
Welche Gewalt steckt dahinter? Es steht in erster Linie Macht dahinter, von der Form, dass nicht angezweifelt wird, ob es eine gute Entscheidung ist, Janice in eine Anstalt einzuweisen. Er ist es, der entscheidet, wer auf seinem Anwesen Platz findet und wer keine mehr hat. In diesen, lange unerkannt stattfindenden "Pakt des Schweigens" stimmt auch Floyd mit ein.
Damit hat der Vater die Exekutive und die medizinische Gewalt über Janice und ihr Leben. Und das ist bedroht, nicht nur einmal oder kurz, sondern langfristig, wie es scheint. Denn die Beobachtungen und Erlebnisse, die sie auf dieser Südstaatenfarm aufsammelt – Unfall, Misshandlung, Beobachtung des Todes der Mutter und der Kinder, Verdehen der Wahrheit und eine Art von stummer Gewalt führen zu einer Art von Speicherung dieser Informationen im Gehirn, das die Flashbacks, die hier nur angedeutet und akustisch sind, hervorrufen. Die Erlebnisse, die eigentlich in der Klinik hätten verarbeitet werden sollen, sind sofort wieder zugänglich und damit ist die eigentliche Frage: Ist es nur ein Wegschieben einer scheinbar schwierigen jungen Frau oder ist es tatsächlich eine Therapie, die in der Anstalt stattfindet. Insgesamt hat das Anrufen der Klinik eher eine Geste der Machtdemonstration, mit der der Vater die Fragen der Tochter nach ihrer Mutter und seiner neuerlichen Eheschließung umgehen will, weniger einen Charakter des Heilens. Denn aus der anfangs Dorina genannten neuen Gattin, wird zunehmend eine Mrs. Prewitt.
Was wie Mystery aussieht, was dem Zuseher mit allen Stilmitteln "verkauft" wird, ist eine sehr harte familiäre Situation, die vermutlich in den männerdominierten Kliniken der 60er Jahre auch keine Erhellung oder Aufklärung gefunden hätte, betrifft sie doch die Unausgewogenheit der Frauenleben und wird damit durch die tradierte Größe zum Stillstand gebracht.